Die chinesische Wirtschaft ist auf dem Weg zurück zur Normalität. Da China die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft ist, wird der wirtschaftliche Fortschritt des Landes in den nächsten zwölf Monaten ebenfalls eine entscheidende Rolle für den Neustart der Weltwirtschaft spielen. Aktienportfoliomanager Chris Thomsen sowie Volkswirt Stephen Green, beide bei Capital Group, geben einen Ausblick über die Erholung der chinesischen Wirtschaft und erläutern, welche Unternehmen langfristiges Wachstumspotenzial besitzen.
Wachstum erst 2021 wahrscheinlich
„Die Rückkehr des Wachstums wird meiner Einschätzung nach langsam und allmählich erfolgen“, sagt Stephen Green, Volkswirt bei Capital Group. Zwar laufe die Industrieproduktion wieder weitgehend auf normalem Niveau, die Industriegewinne seien aber nach wie vor schwach und die Exporte könnten im Vergleich zum Vorjahr um 20 bis 30 Prozent zurückgehen. Generell hinke der Konsum aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der Sorge vor möglichen Lohnkürzungen hinterher.
Ebenso geht der Experte davon aus, dass die chinesische Wirtschaft kein oder ein leicht negatives Wachstum im Jahr 2020 verzeichnen wird. „Unsere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Chinas Wirtschaft im ersten Quartal weitaus stärker geschrumpft ist als dies von der Regierung mit 6,8 Prozent offiziell angegeben wurde“, so Green. „Ein Wachstum erwarten wir angesichts der fiskalischen Anreize, die in die Wirtschaft gepumpt werden, ab dem Jahr 2021.“ Dabei dürften sich die Konjunkturmaßnahmen zugunsten technologiebezogener Infrastruktur verschieben, anstatt sich auf Immobilien oder die Kreditvergaben für staatliche Unternehmen zu konzentrieren. China hoffe so langfristig, mehr Autarkie zu erlangen.
Weg zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit
„Der Ausbruch des Coronavirus hat Fähigkeiten einiger Unternehmen zum Vorschein gebracht, die möglicherweise die nächste Gruppe inländischer Champions im Technologie- und Gesundheitssektor werden könnten“, so Chris Thomsen, Portfoliomanager bei Capital Group. Die innovativen, inländischen Unternehmen dürften von dem sich abzeichnenden Trend der Lokalisierung oder der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen aus China profitieren. Diese Entwicklung sei teilweise aus der Verwerfung von Lieferketten und strukturellen Handelsfragen entstanden. Im Bereich Halbleiter verfolge China den Plan, wirtschaftlich unabhängig zu werden. Hiervon könne etwa Silergy profitieren, das zunehmend Marktanteile am chinesischen analogen Chip-Markt dazugewinnt und Prognosen zufolge die Nachfrage nach 5G und Cloud-Computing-Anwendungen stark zunehme.
Im Gesundheitssektor gibt es zudem einige Biotechnologieunternehmen, die bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen COVID-19 an vorderster Front mitspielten. „Auch kann die alternde Bevölkerung und die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Dienstleistungen von Krankenhäusern des privaten Sektors in den kommenden Jahren interessante Investitionsmöglichkeiten bieten“, so Thomson.
Langfristige Trends identifizieren
Wichtig bei Investments sei es den Experten zufolge derzeit insbesondere, die langfristigen Trends und Investitionsmöglichkeiten im Blick zu behalten – auch wenn aktuell eine starke politische Rhetorik sowie erhöhte geopolitische Spannungen herrschten. In China gäbe es viele innovative Unternehmen mit großen Zielmärkten. Diese brächten das Potenzial für ein beträchtliches langfristiges Wachstum ihrer Marktwerte mit. Die Titelauswahl sei für Investoren jedoch von erheblicher Bedeutung, da sich das globale Geschäftsumfeld schnell verändere und unsicher sei. Zudem variiere die Qualität der chinesischen Unternehmen stark, je nachdem in welchem Sektor diese beheimatet sind und in welchem Reifegrad sie sich befinden.