Frist für US-Schuldenobergrenze – den „Tag X“ verstehen

Lupe, durch der Schriftzug "Natonal Debt" platziert auf einer Dollarnote, die auf der US-Flagge liegt, zu sehen ist
Foto: PantherMedia/stadtratte
Schafft der US-Kongress noch rechtzeitig eine Einigung zur Schuldenobergrenze?

Den USA droht in wenigen Wochen die Zahlungsunfähigkeit, wenn der Kongress keine Einigung über die Anhebung der Schuldenobergrenze erzielt. Was das für Anleiheanleger bedeutet

Während die Verhandlungen laufen, werden die Kuponzahlungen und Tilgungen von Treasuries eingestellt, wenn der Tag X verstreicht, ohne dass die Schuldenobergrenze angehoben wird.

Auch wenn es bereits zu technischen Pannen gekommen ist – wie z.B. 1979 bei der Scheckbearbeitung, die einige Rückzahlungsanträge verzögerte – wäre ein echter Zahlungsausfall ein noch nie dagewesenes Ereignis mit weitreichenden Folgen.

Warum der genaue Tag X ungewiss ist

Der Tag X würde den Zeitpunkt markieren, an dem das Finanzministerium keine Mittel mehr hat. Nach den enttäuschenden Steuereinnahmen für 2022 hängt nun viel davon ab, wie sich die Einnahmen bis einschließlich Mai entwickeln. Wenn diese die Regierung bis Mitte Juni, wenn die vierteljährlichen Steuerzahlungen fällig sind, aufrechterhalten können, wird das Finanzministerium wahrscheinlich in der Lage sein, einen Großteil des Julis und vielleicht sogar den August zu überstehen.

Was muss geschehen, um einen Zahlungsausfall zu vermeiden?

Nach einem langen internen Gerangel haben sich die Republikaner auf eine Position geeinigt und Verhandlungen mit dem Weißen Haus aufgenommen. Selbst wenn die beiden Seiten, wie wir erwarten, schließlich eine Einigung erzielen, müsste diese noch den Kongress passieren. Abgesehen von dem begrenzten Zeitrahmen für die Gesetzgebung werden die ultrakonservativen Republikaner das Haupthindernis darstellen, da sie den Sprecher absetzen könnten, um zu verhindern, dass die Gesetzesentwürfe eingebracht werden.

Es wird jedoch berichtet, dass einige zentristische Demokraten dem Sprecher privat zugesichert haben, dass sie ihm unter solchen Umständen zu Hilfe kommen würden. Präsident Joe Biden hat auch offen die Anwendung von Abschnitt vier des 14. Zusatzartikels der Verfassung in Erwägung gezogen, der besagt, dass die Gültigkeit der US-Staatsschulden „nicht in Frage gestellt werden darf“. Diese beispiellose einseitige Maßnahme könnte jedoch vom Supreme Court gekippt werden.

Obwohl ein Zahlungsausfall also unwahrscheinlich ist, sollte er nicht ausgeschlossen werden (wie wir auch bereits hier argumentiert haben). Wie immer ist der Kontext wichtig. Investor:innen würden einen etwaigen Zahlungsausfall wahrscheinlich eher als Folge des unruhigen politischen Umfelds denn als grundsätzliche Unfähigkeit der USA zur Erfüllung ihrer Schuldverpflichtungen ansehen. Dennoch erwarten wir, dass die Märkte in den kommenden Wochen von einem risikoaversen Sentiment beherrscht werden, welches durch die anhaltenden Sorgen über die Solidität des Bankensystems noch verstärkt werden könnte.

Wie sich Investorinnen und Investoren positionieren sollten

Unsere Botschaft an die Investor:innen lautet daher nach wie vor: Auf den Erfolg hoffen, aber auf den Ausfall vorbereitet sein. Wenn möglich, sollten die Portfolios liquide und diversifiziert sein, um sicherzustellen, dass das Kapital angesichts der Volatilität, die während früherer Episoden der Schuldenobergrenze auftrat, schnell umgeschichtet werden kann. Es wäre jedoch ein Fehler, davon auszugehen, dass sich die Vermögenswerte wie zuvor entwickeln werden. So fiel beispielsweise die Rallye der Staatsanleihen während des Schuldenstreits im Jahr 2011 mit der Sorge um die Schuldenkrise in der Eurozone zusammen.

Ausblick für Treasuries

Es ist zwar denkbar, dass Treasuries in den kommenden Wochen gut abschneiden könnten, doch ist dies keineswegs garantiert. Wir sind der festen Überzeugung, dass man trotz der jüngsten Rallye eine Übergewichtung in Gold sowie in Staatsanleihen mit AAA-Rating wie Bundesanleihen vornehmen sollte. Daneben erwarten wir, dass sich sichere Währungen wie der japanische Yen und der Schweizer Franken gegenüber dem US-Dollar gut entwickeln werden.

Ausblick für Aktien

Auf der anderen Seite werden die Aktien wahrscheinlich am stärksten unter Druck geraten. Allerdings dürfte es über die Leitindizes hinaus eine große Streuung geben. Unternehmen, die in hohem Maße von den Ausgaben oder Subventionen der US-Regierung abhängig sind, dürften am stärksten unter Druck geraten. Value-Aktien könnten sich dagegen besser halten, ebenso wie defensive und nicht-zyklische Sektoren wie die Pharmaindustrie.

Strategische Opportunitäten

Die Investor:innen, die darauf setzen, dass der Kongress die Schuldenobergrenze rechtzeitig anheben wird, könnten versuchen, die Arbitrage zwischen den vor und nach Anfang Juni fälligen T-Bills zu nutzen. Der Schlüssel dazu ist das Timing, wobei der günstigste Zeitpunkt der ist, an dem die Sorgen um die Schuldenobergrenze ihren Höhepunkt erreichen.

Dieser Zeitpunkt ist zwar noch nicht erreicht, dürfte aber nicht mehr weit entfernt sein.

Autor George Brown ist Ökonom bei Schroders.

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