Wie das Altersvorsorgedepot ein Erfolg werden kann

Dritter Erfolgsfaktor: Standardprodukte vs. Individualität

Ein vielfältiges Angebot kann Laien schnell überfordern und abschrecken. Leicht verständliche Standardprodukte mit einem hohem Aktienanteil können hier der Prämisse von maximaler Einfachheit gerecht werden. Im Ausland haben sich verschiedene Optionen etabliert, teilweise mit einem gesetzlichen Rahmen, teilweise aus der Kundennachfrage entstanden. In Australien gibt es beispielsweise die Standardprodukte „MySuper“, die vom Gesetzgeber entweder auf eine einfache Anlagestrategie verpflichtet werden. Als Marktstandard hat sich bei diesen Produkten ein Aktienanteil von bis zu 85 Prozent über den gesamten Anlagezeitraum etabliert, der um festverzinsliche Wertpapiere sowie liquide Mittel ergänzt wird. Alternativ können die Anbieter ein Lebenszyklusmodell anwenden. Dabei schrumpft die Aktienquote mit zunehmendem Alter. Dieses Modell findet sich in Frankreich und wird automatisch angeboten, wenn die Sparerin oder der Sparer keine anderen Wünsche angibt. In Finanzdingen versierteren Personenkreisen sollten aber auch individuelle Zusammenstellungen des eigenen Depots möglich sein.

Sowohl für Standardprodukte als auch für kundige Anlegerinnen und Anleger sind Wertpapiersparpläne ein gutes Mittel: Von knapp 50 Mio. Wertpapiertransaktionen, die die dwpbank 2023 für deutsche Finanzinstitute abgewickelt hat, entfiel gut ein Viertel auf Sparpläne. Ein Aktien-, ETF-, VL- oder Fonds-Sparplan ist einfach zu handhaben und bietet u.a. durch den Cost-Average-Effekt risikobegrenzende wie flexible Aspekte. Er lohnt sich bereits bei kleinen Beträgen ab 25 Euro und kann in der Regel unkompliziert in der Bankfiliale oder online beantragt und verwaltet werden. Durch die vielfältigen Anlageschwerpunkte der breit diversifizierten Aktienfondsanlagen wird das Risiko insbesondere bei Anlagezeiträumen von 20 Jahren und mehr begrenzt bietet Renditechancen von sechs bis neun Prozent. Nicht zuletzt gewährleisten die bestehenden Regularien wie die Basisinformationsblätter (PRIIP KIDs) eine hohe Transparenz über die Kosten und Produktspezifika, so dass auch keine weiteren Zertifizierungsanforderungen von Seiten der Gesetzgebung notwendig wären.

Wertpapiersparen macht aktuell ein geschätztes Volumen von über 30 Milliarden Euro pro Jahr aus. Im Vergleich zur gesetzlichen Rente überteigt dieses Volumen deutlich die für 2024 geplanten Zuführungen zum Generationenkapital von 12 Milliarden Euro pro Jahr. Dennoch liegen immer noch 41 Prozent der Ersparnisse der Bürgerinnen und Bürger auf dem Tages- und Festgeldkonto oder als Bargeld zu Hause – mehr als 3,2 Billionen Euro. Wenn nur ein Teil davon in Aktien umgeschichtet wird, zeigt sich das Potenzial, das das Wertpapiersparen in Deutschland hat.

Vierter Erfolgsfaktor: Wirksame Förderung

Die HDI-Studie zeigt, dass Akzeptanz und Nutzung bei den Verbrauchern mit entsprechenden steuerlichen Anreizen steht und fällt. Hier zeigt unserer internationale Vergleichsstudie über Altersvorsorgedepots, dass andere Länder sehr viel großzügiger sind: Im Rahmen einer nachgelagerten Besteuerung können die Beträge in der Ansparphase bis zu einem Höchstbetrag von dem zu versteuernden Einkommen abgezogen werden (in den USA bis zu 6.500 US-Dollar, in Frankreich zehn Prozent des Einkommens bis maximal 37.094 Euro) und in der Auszahlungsphase wird die Rente versteuert. Um international aufzuschließen, bedarf es einer Verdreifachung von derzeit 2.100 Euro auf mindestens 6.000 Euro. Nur dann entsteht auch ein nennenswerter Effekt. Da Geringverdiener in der Regel weniger von den Steuervorteilen profitieren, sondern wie bei Riester vielmehr von der Grund- und Kinderzulage, sollten in Deutschland ergänzend Zulagen weiterhin berücksichtigt werden.

Fünfter Erfolgsfaktor: Keine Pflicht zur Verrentung

Aktuell haben wir bei Riester einen Auszahlungsplan mit Pflicht zur Verrentung ab 85 Jahren, was Schätzungen zufolge 30 bis 40 Prozent des gesamten Riestervermögens ausmacht. Hier zeigen sich die Modelle im Ausland wesentlich flexibler und bieten neben der Leibrente auch Optionen wie einen Auszahlungsplan oder eine Einmalzahlung an, um bei Renteneintritt eine größere Summe wie eine Hypothek oder andere Schulden tilgen zu können. Die Pflicht zu einer Verrentung findet sich dort nicht, was den Auszahlungsplan deutlich attraktiver macht. Denn im Gegensatz zur Verrentung hat der Auszahlungsplan bei den betrachteten Altersvorsorgedepots den Vorteil, dass das angesparte Vermögen, was nicht für die Rente entnommen wird, weiterhin in Anlagen mit höheren Renditechancen wie Aktien investiert bleibt. Das kann das Alterseinkommen weiter stärken. Daher ist eine sukzessive und gut kalkulierbare Auszahlung in anderen Ländern auch das beliebteste Mittel der Wahl.

Die Länderanalyse zeigt auch, dass die Angst der Bürgerinnen und Bürger, die Gelder aus dem Auszahlungsplan könnten nicht bis zum Ende der Rentenphase reichen, unbegründet ist. In den USA oder Australien erfolgen Entnahmen sehr zurückhaltend, so dass der Gesetzgeber dort inzwischen eine jährliche Mindestauszahlungsrate vorschreibt. Die USA verlangt sogar eine Strafsteuer, sollte der Betrag nicht abgerufen werden.

Schließlich sollte der Gesetzgeber verankern, dass die Mittel tatsächlich für die Altersvorsorge verwendet werden. Im Sinne der Flexibilität sollten vorzeitige Auszahlungen zwar erlaubt sein, aber mit Hilfe von Sanktionen wie einer Rückzahlung der staatlichen Förderung oder Strafsteuer möglichst unattraktiv gestaltet werden. Ausnahmen bestätigen aber die Regel wie im Falle eines Immobilienkaufs oder eines Bedarfs für Geld zur Aus- und Weiterbildung. 

Konservatives Anlageverhalten als Hindernis?

Alle monetären Anreize, die Einfachheit und Flexibilität dieses Konzepts könnten an einem eher konservativen Anlageverhalten hierzulande scheitern, das weniger auf Renditechancen setzt. Aber die Statistik lässt hoffen: 2023 sparte jeder Sechste mit Aktien, der Großteil davon mit Fonds oder ETFs. Gerade in der Altersgruppe der 14- bis 39-Jährigen verdoppelte sich die Anzahl der Aktiensparer in den letzten 10 Jahren und macht inzwischen ein Drittel aller Aktiensparer aus (3,6 Millionen), wie die Aktionärszahlen des Deutschen Aktieninstituts zeigen. Die junge Generation beschäftigt sich immer mehr mit den Chancen und Risiken des Kapitalmarkts, vor allem weil es dank Apps einfacher ist, zu investieren.

Das Schlüsselwort lautet finanzielle Bildung und Aufklärung, um entsprechenden Ängsten und Mythen zu begegnen. Auch die Politik kann ein positives Signal senden, wenn sie die Aktienanlage zum Gegenstand der Altersvorsorge macht und dadurch Vertrauen schafft. In anderen Ländern profitieren Sparerinnen und Sparer deutlich mehr von den Renditen aus der Kapitalanlage – also zum Beispiel aus Investments in Aktien.

Fazit: Das Bundesfinanzministerium arbeitet derzeit an einem Gesetzesentwurf für eine Reform der privaten Altersvorsorge. Angesichts des drängenden demografischen Wandels sollte der Gesetzgeber ein Altersvorsorgedepot noch in dieser Legislatur ermöglichen. Alles ist dafür vorhanden: Die richtigen Produkte, eine Regulatorik, die dem Anlegerschutz Rechnung trägt, eine kompetente Beratung und die notwendige Infrastruktur. Das Ausland weist uns den Weg hin zu mehr eigenverantwortlicher Vorsorge mit einem rentablen Modell wie dem Altersvorsorgedepot. Worauf also noch warten?  

Die Autoren sind Alexander Bahr, Regulatorik-Experte bei der Deutschen Wertpapierservice Bank, und Norbert Kuhn, Leiter Unternehmensfinanzierung beim Deutschen Aktieninstitut.

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