Nach schwierigen Zeiten zeichnet sich bei den Emerging Markets eine spürbare Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ab. Darauf deuten vor allem jüngste Konjunkturdaten aus Brasilien, Russland, Mexiko und Chile hin. Die Chancen sind gut, dass der Aufwärtstrend kein Strohfeuer ist. Gastkommentar von Axel Angermann, Feri
Zur Stabilisierung beigetragen haben vor allem zwei Faktoren: Erstens hat der wieder etwas höhere Ölpreis die Ängste vor einer Negativ-Spirale besonders in den rohstoffexportierenden Ländern gedämpft. Zweitens hat die massive geld- und fiskalpolitische Stimulierung der chinesischen Volkswirtschaft durch die dortige Regierung die Erwartung geschaffen, dass Chinas Wirtschaft vorerst stabil wachsen und die Nachfrage nach Gütern aus anderen (Schwellen-) Ländern nicht weiter sinken wird. Letzteres wird inzwischen auch in den Daten zum Welthandel sichtbar: Die Exporte der Schwellenländer, die zum Jahresbeginn noch um fünf Prozent niedriger als in den jeweiligen Vorjahresmonaten gewesen waren, lagen zuletzt wieder höher als im Vorjahr.
Veränderte Vorzeichen in Brasilien
Insgesamt positiv, aber in der Wirkung auf die Konjunktur zweischneidig, ist die in einigen Ländern gewachsene politische Bereitschaft, strukturelle Wachstumshemmnisse aktiv anzugehen. Dies lässt sich beispielhaft anhand von Brasilien zeigen: Die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch einen Präsidenten, der als wirtschaftsfreundlicher wahrgenommen wird als seine Vorgängerin, und dessen Ankündigung, etwa die gravierenden Haushaltsprobleme lösen zu wollen, haben sich unmittelbar in deutlich besseren Stimmungswerten niedergeschlagen. Da sich zudem das weltwirtschaftliche Umfeld zuletzt stabiler gezeigt hat, konnten auch die Talfahrt bei der Industrieproduktion und bei den Exporten gestoppt werden. Gleichzeitig sinkt die Beschäftigung weiter, Einkommenszuwächse werden von der hohen Inflation aufgefressen, und entsprechend schrumpft der private Verbrauch.
Die angestrebte Begrenzung des Haushaltsdefizits bringt in dieser Hinsicht kurzfristig keine Entlastung, weil sie mit Steuererhöhungen und geringeren Staatsausgaben einhergehen wird. Deshalb ist mit einer schnellen Rückkehr zu nachhaltig positiven Wachstumsraten nicht zu rechnen. Im ersten Quartal sank die Wirtschaftsleistung Brasiliens mit -0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal aber deutlich weniger als in den Quartalen davor. Mittelfristig wird der Stabilisierungskurs der neuen Regierung jedoch den Grundstein für eine wieder positive wirtschaftliche Entwicklung legen (vorausgesetzt, die Regierung hält diesen Kurs gegen Widerstände durch). Die absehbare Stabilisierung der Wirtschaft im Jahr 2017 (wir rechnen mit einem leichten Plus des BIP von +0,4 Prozent) stellt entsprechend einen ersten Fortschritt dar.
Damoklesschwert Zins
Trotz aller positiven Faktoren bleiben zwei wesentliche Risiken für die Schwellenländer bestehen: Erstens birgt die nach wie vor sehr hohe Verschuldung des privaten Sektors weiterhin die Gefahr von Kapitalabflüssen, einer daraus resultierenden neuerlichen Abwertung der lokalen Währungen und die Möglichkeit, dass notwendige Zinserhöhungen zur Stabilisierung der Währung negativ auf die Wirtschaft wirken. Verstärkt wird dieser Effekt zweitens durch eine anhaltende Tendenz zur Dollar-Stärke, die in den kommenden Monaten erneut an Relevanz gewinnen könnte. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn die derzeitigen Erwartungen an eine längerfristige Beibehaltung der aktuellen Zinsen durch die Fed enttäuscht werden sollten. Falls die Fed im Laufe der kommenden Monate doch mehr als einen Zinsschritt vornehmen sollte, könnte dies erneut Kapitalabflüsse in erheblichem Umfang auslösen und damit den oben beschriebenen Negativ-Kreislauf wieder in Gang setzen.
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Länderdifferenzierung wird wichtiger
Für eine generelle Entwarnung ist es deshalb noch zu früh. Dennoch lohnt es sich, die zarten Aussichten auf eine Verbesserung der Lage im Auge zu behalten. Dabei muss allerdings stärker nach Ländern differenziert werden: Während in Brasilien und Russland eine Stabilisierung wahrscheinlich und positive Überraschungen möglich sind, bleiben etwa die Türkei und Südafrika vorerst auf der Liste jener Risiko-Länder, in denen sich infolge politischer Fehlsteuerung und sich verstärkender Ungleichgewichte eine Abwärtsspirale entwickeln könnte. Axel D. Angermann ist Chef-Volkswirt bei Feri, Bad Homburg
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