Dr. Matthias Börger vom Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (ifa) spricht über steigende Beiträge für Versicherte mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU), die Wachstumsaussichten für Kombi-Produkte und die kalkulatorischen Tücken einer Funktionellen Invaliditätsversicherung.
Schon jetzt ist eine BU-Versicherung mit ausreichender Leistungshöhe für viele Menschen zu teuer. Inwiefern würde eine Absenkung des Rechnungszinses zum 1. Januar 2017 einen weiteren Anstieg der BU-Prämien zur Folge haben?
Börger: Die Absenkung des Rechnungszinses hat zur Folge, dass heute gezahlte Beiträge weniger stark verzinst werden, das heißt für dieselbe BU-Rente müssen in Zukunft höhere Prämien gezahlt werden. Oder anders herum ausgedrückt: Wer einen festen Betrag für die Prämien seiner BU-Versicherung zur Verfügung hat, wird dafür ab dem nächsten Jahr eine geringere garantierte Leistung bekommen. Die Finanzierung einer ausreichenden BU-Abdeckung wird durch den sinkenden Rechnungszins also nochmals erschwert.
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Im Bereich bedarfsgerechter Biometrieprodukte bestehe noch ein erhebliches Potenzial für Produktinnovationen, stellt das ifa fest. Wie könnten diese Innovationen aussehen?
Wir sehen mögliche Produktinnovationen vor allem in drei Bereichen: Zum einen erwarten wir fondsgebundene Biometrieprodukte mit Garantie, das heißt Produkte, bei denen dem Kunden eine Mindestleistung garantiert ist und er zudem von der Kapitalmarktentwicklung profitieren kann. Solche Produkte sind insbesondere auch bei weiter sinkendem Rechnungszins interessant. Im
Premium-Segment sehen wir zunehmend Kombi-Produkte, beispielsweise BU-Pflege-Versicherungen, die eine durchgängige und aufeinander abgestimmte Absicherung der einzelnen Risiken sicherstellen. Unterhalb der BU erwarten wir weitere Produktinnovationen zur Absicherung der Arbeitsfähigkeit zu deutlich günstigeren Preisen, wie etwa Funktionelle Invaliditätsversicherungen.
Welche Herausforderungen stellen sich den Versicherern, wenn sie verstärkt Kombi-Produkte auf den Markt bringen möchten?
Die größte Herausforderung liegt aus unserer Sicht in der Herleitung geeigneter Kalkulationsgrundlagen. Für einige Leistungsauslöser wie zum Beispiel Organschäden in einer Funktionellen Invaliditätsversicherung sind Eintrittswahrscheinlichkeiten nicht direkt verfügbar. Hier ist eine enge Zusammenarbeit mit medizinischen Experten bei der Auswertung geeigneter Datensätze erforderlich. Darüber hinaus müssen die Kalkulationsgrundlagen für einzelne Leistungsauslöser aufeinander abgestimmt werden. Bei gleichzeitiger Berufsunfähigkeit und Pflegebedürftigkeit soll ein Kombi-Produkt vielleicht nicht einfach die doppelte, sondern eine den Bedürfnissen angemessene Leistung erbringen.
Interview: Lorenz Klein
Foto: ifa