EXKLUSIV

Game Over für Private Banking?

Stefan Schmitt
Foto: Inno Invest
Stefan Schmitt

Das klassische Private Banking wird mcDonaldisiert. Was über Jahrzehnte ein Symbol für Exklusivität und persönliche Betreuung traditioneller Banken war, verliert zunehmend an Bedeutung. Gastbeitrag von Stefan Schmitt, Inno Invest

Höhere Kosten, fortschreitende Digitalisierung und das fortgeschrittene Know-how der Kunden setzen die Branche massiv unter Druck. Die Folge: Eine radikale Transformation, in der nicht die Banken von gestern, sondern agile Wealthtech-Anbieter, unabhängige Vermögensverwalter und Multi-Family Offices als Gewinner hervorgehen.


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Die digitale Revolution hat die Finanzbranche längst erfasst. Banken spüren den Druck, ihre Modelle zu überdenken, da Smartphones und algorithmische Systeme die Finanzwelt grundlegend verändern. Studien belegen, dass weltweit 63 Prozent der Bankkunden regelmäßig digitale Finanzdienstleistungen nutzen. In Europa liegt der Anteil sogar bei 79 Prozent. Diese Entwicklung prägt auch die Erwartungen wohlhabender Kunden: Flexibilität und sofortiger Zugang ersetzen das Bedürfnis nach einem persönlichen Termin in der Bankfiliale.

Das Smartphone wird so zum Hauptinstrument der Vermögensverwaltung. Algorithmen analysieren Daten in Echtzeit, identifizieren Anlagestrategien und ermöglichen eine bisher ungeahnte Effizienz. Doch dieser Fortschritt stellt für viele Banken eine Herausforderung dar, da sie mit veralteter Infrastruktur arbeiten und die Geschwindigkeit des Wandels unterschätzen.

Das Ende des Filialbankings

Mit dem Aufstieg digitaler Services verlieren physische Bankfilialen rapide an Bedeutung. Prognosen zufolge wird bis 2027 etwa jede fünfte Bankfiliale in Deutschland schließen – ein Rückgang von etwa 8,5 Prozent jährlich. Private Banking, einst ein Hauptgrund für die Präsenz in vielen Städten, trägt nicht mehr zum wirtschaftlichen Erfolg der Banken bei.

Gleichzeitig verändert sich das Beratungsmodell. Untersuchungen zeigen, dass bereits im kommenden Jahr etwa 70 Prozent aller Beratungsgespräche digital erfolgen werden. Das bedeutet nicht nur eine massive Reduktion von Kosten, sondern auch eine Umgestaltung der Kundenbeziehung:

  • Kunden mit einer geringen Zahlungsbereitschaft für persönliche Beratung werden in standardisierte, digitale Servicepools integriert.
  • Hybride Modelle kombinieren algorithmische Effizienz mit gezielter menschlicher Unterstützung.
  • Premium-Kunden erhalten weiterhin maßgeschneiderte Beratungsleistungen, ergänzt durch datengetriebene Analysen.

Diese Segmentierung verstärkt den Trend zur Standardisierung, vor allem für Kunden mit mittlerem Vermögen, und rückt traditionelle Beratungsmodelle zunehmend in den Hintergrund.

Margendruck erzwingt Automatisierung

Sinkende Margen und steigender Preisdruck zwingen Banken, auf Effizienz und Automatisierung zu setzen. Was früher als individuell galt, wird heute von standardisierten Algorithmen übernommen. Automatisierte Prozesse und Künstliche Intelligenz (KI) reduzieren Kosten und erhöhen gleichzeitig die Skalierbarkeit.

Die Kehrseite: Kunden, die Exklusivität und persönliche Betreuung schätzen, fühlen sich oft zurückgelassen. Laut einer aktuellen Umfrage sind lediglich 18 Prozent der vermögenden Kunden mit den Dienstleistungen ihrer Bank zufrieden.

Wealthtech-Plattformen als Zukunftsmodell

Während das klassische Private Banking an Relevanz verliert, erleben Wealth Management und unabhängige Vermögensverwalter eine Renaissance. Neue Technologien wie KI und Robo-Advisor ermöglichen eine professionelle Vermögensverwaltung, die auch für Kunden mit einem Anlagevolumen unter zehn Millionen Euro zugänglich wird.

Wealthtech-Plattformen mit Haftungsdach bieten dabei eine doppelte Chance: Einerseits können Berater regulatorische Hürden überwinden, andererseits erschließen sie neue Zielgruppen. Besonders Multi-Family-Offices (MFOs) setzen auf solche Lösungen, um anspruchsvolle Kunden effizient und kostengünstig zu betreuen.

Ein Blick nach vorn

Die Fähigkeit, digitale Technologien nahtlos zu integrieren, wird entscheidend für den langfristigen Erfolg in der Finanzbranche sein. Banken, die sich diesem Wandel verweigern, riskieren den Anschluss. Wealthtech-Anbieter und unabhängige Vermögensverwalter beweisen, dass Agilität und technologische Innovation der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zukunft sind.

Die Botschaft ist klar: Wer als Bank oder Berater bestehen will, muss nicht nur die digitale Transformation meistern, sondern auch echten Mehrwert schaffen. Private Banking steht an einem Wendepunkt – und diejenigen, die den Wandel aktiv gestalten, werden die Branche von morgen prägen.

Stefan Schmitt ist Geschäftsführer von Inno Invest.

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