Es sind nachdenklich stimmende Zahlen, die das Bundesministerium für Senioren mit ihrer Studie „Hohes Alter in Deutschland“ kurz vor Weihnachten 2021 veröffentlichte. Danach ist fast ein Viertel der über 80-Jährigen in Deutschland von Armut betroffen. So verfügen 22,4 Prozent der Bevölkerung im Alter von 80 Jahren und älter über ein maximales Nettoeinkommen von 1.167 Euro im Monat. Innerhalb der Gruppe der Hochbetagten sind den Daten zufolge Frauen stärker betroffen als Männer.
Insgesamt leben 26,1 Prozent der hochaltrigen Frauen unter der Armutsgrenze. Bei den Männern sind es 16,9 Prozent. Die Zahlen sollten aufrütteln, machen sie doch eines sehr deutlich. Die gesetzliche Rente allein reicht im Alter längst nicht mehr. Private Altersvorsorge wird ein unverzichtbarer Baustein der persönlichen Vorsorgestrategie sein müssen, wer Altersarmut vermeiden möchte. Doch was sind die Strategien für die private Altersvorsorge, wenn der Garantiezins zum 1. Januar auf 0,25 Prozentpunkte abgesenkt wird?
Gefragt sind nun Konzepte, die Rendite und ausreichend Sicherheit abseits altbekannter Garantiemodelle in Einklang bringen. „Es ist tatsächlich so, dass es viele unterschiedliche Produktkonstrukte im Angebot für die Altersvorsorge gibt. Dabei ist der „Motor“, also die Kapitalanlage im Hintergrund, zum Teil sehr unterschiedlich. Von der klassischen Police angefangen, bei der das Sparguthaben überwiegend in sicherheitsorientierte Anleihen investiert ist, bis hin zu reinen Fondspolicen, bei denen das Sparguthaben in frei wählbare Aktienfonds, Mischfonds oder ETFs angelegt wird, gibt es nahezu alles. Und dazwischen befinden sich Indexpolicen oder auch Fondspolicen mit Garantien, bei denen Hybridmodelle also eine Mischung aus sicheren Anleihen und Aktienfonds dahinter stecken“, erklärt Professor Michael Hauer, Geschäftsführer des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung die Gemengelage. „Da der Altersvorsorge-Sparer Renditen über der Inflationsrate benötigt – die wir langfristig bei etwa zwei Prozent ansetzen – ist das Sparen in den Produkten mit einem Anleihen-Motor, das sind zum Beispiel die klassischen Policen, Indexpolicen oder auch Fondspolicen mit Garantien in vielen Fällen nicht mehr empfehlenswert“, betont Hauer gegenüber Cash.
„Man benötigt einfach mehr Rendite, um die Inflationsrate auszugleichen und darüber hinaus noch Kapital aufzubauen, damit man im Alter ausreichend versorgt ist.“ Dabei geht der Trend laut Hauer ganz klar in Richtung Fondspolicen, und zwar ohne Garantien. „Garantien werden zähneknirschend den Chancen geopfert, aber nur so können Produkte flexibel am Kapitalmarkt agieren und bestehen“, ergänzt Pascal Schiffels, Geschäftsführer des Hofheimer Analysehauses Morgen & Morgen. Die maximale Beitragsgarantie von 100 Prozent ist laut Schiffels wegen der Rechnungszinssenkung eigentlich nicht mehr erreichbar. 90 beziehungsweise 80 Prozent seien eher das Maximum. Vor dem Hintergrund hält Schiffels die „Neue Klassik“ denn auch eher für ein Auslauf- als ein Zukunftsmodell. „Fondsgebundene Rentenversicherungen und Indexpolicen werden sich voraussichtlich durchsetzen“, glaubt der Experte.
„Vielen Menschen ist durchaus bewusst, dass sie sich von einem Sparer zu einem Investor entwickeln müssen, um ihre finanziellen Ziele zu erreichen. Von dieser Entwicklung profitieren Fondsprodukte ganz massiv – sowohl im Direktinvestment als auch in der Lebensversicherung“, bestätigt auch Christian Nuschele, Vertriebs- und Marketingchef bei Standard Life Deutschland. Klassische Policen spielen laut Nuschele inzwischen im Neugeschäft de facto keine große Rolle mehr. „Wir sehen aktuell bei allen Altersgruppen die Bereitschaft, eine investmentorientierte Altersvorsorge ohne Garantien abzuschließen“, sagt Nuschele.
Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wurden 2020 rund 280.000 fondsgebundene Rentenversicherungen gegen laufenden Beitrag neu abgeschlossen. Hinzu kamen rund 37.500 Neuverträge gegen Einmalbeitrag. Alles in allem ein Plus von 42 Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019. Mittlerweile halten 4,3 Millionen Menschen in Deutschland eine fondsgebunden Rentenversicherung und weitere 2,6 Millionen die fondsgebundene Kapitallebensversicherung für eine durchaus vertrauenswürdige und attraktive Alternative für die Altersvorsorge.
Das Zutrauen in Wertpapiere als Vorsorgeinstrument wächst auf ein Rekordniveau.
Nun ist Standard Life von seiner DNA her ohnehin auf Fondspolicen ohne Garantien ausgerichtet. Aber auch andere Wettbewerber justieren den Kompass neu. „Bei vielen Kunden hat ein Umdenken stattgefunden. Die Menschen stehen den Chancen der Kapitalmärkte heute deutlich aufgeschlossener gegenüber, als ihnen gemeinhin unterstellt wird“, sagt etwa Thomas Luer, Vorstand für den Makler- und Kooperationsvertriebe bei HDI Leben. Luer stützt seine Aussage auf die Erkenntnisse einer repräsentative Berufe-Studie, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov 2021 für HDI durchgeführt hatte.
Danach hat sich jeder vierte Berufstätige in Deutschland in der Corona-Pandemie stärker mit Finanzen und Geldanlage beschäftigt als zuvor. „Das Zutrauen in Wertpapiere als Vorsorgeinstrument wächst auf ein Rekordniveau und das für sich genommen, ist eine Sensation“, so Luer. Keine andere Form der Altersvorsorge steige gegenüber 2020 derart in der Gunst der Berufstätigen wie Aktien und Fonds. „Sie springen von Platz sechs im Vorjahr auf nun Platz zwei bei der Frage, in welche Form der Altersvorsorge das größte Vertrauen besteht. Nur ein Eigenheim erhält in der aktuellen Umfrage das größere Vertrauen, wenn es um die Zukunftssicherung geht“, erklärt Luer.
Was die Berufe-Studie noch zeigt ist, dass gerade jüngere Menschen den Kapitalmärkten und damit verbundenen Chancen offener gegenüberstehen: So vertrauen rund 30 Prozent der 20- bis 29-jährigen bei der Altersvorsorge börsennotierten Wertpapieren. Zum Vergleich: Nur halb so viele setzen ihr größtes Vertrauen in die gesetzliche Rente. Auch bei den bis zu 44-jährigen sind die Werte ähnlich.
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