GAU am BGH: Schadenersatz ohne Schaden

Allein der Umstand, dass eine zu optimistische Prognose unabhängig vom späteren Fondsverlauf und ohne Rückgabe des Fondsanteils zu einem Schadenersatzanspruch des Anlegers führen kann, wird wohl erneut Heerscharen von Anlegeranwälten auf den Plan rufen.

Sie können nun die Prospekte auch gut laufender, problemfreier und möglicherweise sogar bereits erfolgreich aufgelöster Fonds nach tatsächlich oder vermeintlich zu optimistischen Prognosen durchforsten. Schließlich können sie die Mandanten damit ködern, dass sie – ohne auf erhaltene und künftige Gewinne aus der Beteiligung verzichten zu müssen – noch einen kräftigen Schnaps obendrauf bekommen könnten.

Wieviel soll’s denn sein? 20 Prozent, 30 Prozent oder doch gleich 50 Prozent der ursprünglichen Beteiligungssumme (plus Zinsen!), wie in dem aktuellen Fall? Irgendein Punkt in der Prognose, der angeblich zu hoch angesetzt war und mit dem sich ein entsprechender „Minderwert“ nachträglich begründen lässt, wird sich bei fast allen Fonds finden lassen. Gleiches gilt sicherlich für einen „Privatsachverständigen“, der dies bestätigt. Wenn gar keine Prognose angestellt wurde und nur Gesamtrückfluss-Szenarien existieren, steht die Tür für solche alternativen Ertragswertberechnungen erst recht weit offen.

Auch Vertrieb wohl einmal mehr im Visier

Selbst wenn sicherlich nicht alle Klagen Erfolg haben werden, kann schon deren Abwehr enorme Ressourcen binden – und entsprechende Honorare für die Anwälte generieren. Aus Sicht der Anlegeranwälte hat das Urteil einen weiteren gewaltigen Vorteil: Bei erfolgreichen Fonds ist – anders als bei vielen Schieflagen – der Initiator in der Regel noch greifbar. Doch auch der Vertrieb wird wohl einmal mehr ins Visier geraten.

Die Klage richtet sich zwar gegen die Gründungsgesellschafter des Windfonds, also die Initiatoren. Sie haften jedoch im Rahmen der „Prospekthaftung im weiteren Sinne“, die grundsätzlich auch für den Vertrieb gilt. So betont der BGH mit Bezug auf ein Urteil aus 2004, der Anspruch der Anleger richte sich grundsätzlich auch „gegen diejenigen, die sonst für die Mängel ihres Beitritts verantwortlich sind.“ Das ist im Zweifel auch der Vertrieb.

Einladung zum Missbrauch

Nun gilt generell: So unverständlich ein BGH-Urteil auch sein mag, so wenig lohnt es, darüber zu lamentieren. Vielmehr sind die Konsequenzen relevant. Doch in diesem Fall führt kein Weg daran vorbei: Entschuldigung, lieber BGH, aber dieses Urteil ist schlicht völlig daneben.

Das betrifft nicht nur den entschiedenen Fall, in dem ein echter Schaden der Anleger nicht ansatzweise zu erkennen ist. Vielmehr lädt das Urteil zum Missbrauch geradezu ein, kann eine weitere Klagewelle auslösen und macht die Emission von Sachwertanlagen für die Anbieter sowie den Vertrieb – und auch für deren Versicherungen – endgültig unkalkulierbar. Kurzum: Es ist zum Haare raufen.

Stefan Löwer ist Chefanalyst von G.U.B. Analyse und betreut das Cash.-Ressort Sachwertanlagen. Er beobachtet den Markt der Sachwert-Emissionen als Cash.-Redakteur und G.U.B.-Analyst insgesamt schon seit mehr als 25 Jahren. G.U.B. Analyse gehört wie Cash. zu der Cash.Medien AG.

Foto: Florian Sonntag

 

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