Das Ende des Verbrennungsmotors ist aufgrund der CO₂-Emissionen längst Konsens bei Automobilindustrie und Politik. Der Umstieg auf die Elektromobilität im Straßenverkehr dürfte zwar den CO₂-Ausstoß deutlich reduzieren. Auf der anderen Seite bezahlen die Kfz-Versicherer die Transformation auf Deutschlands Straßen derzeit mit deutlich höheren Reparaturkosten in den Kfz-Werkstätten, wie eine aktuelle Studie des GDV nun zeigt.
Alarmierender Befund
„Die Reparaturkosten von Elektroautos sind viel höher. Sie liegen im Schnitt um 30 bis 35 Prozent über denen vergleichbarer Autos mit Verbrennungsmotor“, warnt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), unter Verweis auf die neue GDV-Untersuchung in Berlin.
Vor diesem Hintergrund unterstrich Asmussen die Unterstützung der Versicherer für die Mobilitätswende. „Dass wir als Gesellschaft unsere Fahrzeuge künftig nicht mehr mit fossilen Rohstoffen antreiben, ist und bleibt angesichts der ökologischen Herausforderung des Klimawandels der einzig richtige Weg“, so der GDV-Hauptgeschäftsführer. Die Versicherer wollten diesen Wandel begleiten und positiv mitgestalten, so Asmussen. Daher warne man frühzeitig vor dieser Entwicklung.
Weniger Unfälle, weniger Schäden
Asmussen verwies in diesem Zusammenhang auch auf das zweite zentrale Ergebnis der Studie: „In der Kfz-Haftpflichtversicherung – also bei Unfällen, bei denen mit einem Auto andere geschädigt werden – verursachen Elektroautos im Durchschnitt fünf bis zehn Prozent weniger Unfälle als vergleichbare Verbrenner.“ Noch deutlicher ist der Vorteil der Elektroautos in der Vollkaskoversicherung, also den Schäden am eigenen Auto.
„Hier entstehen bei den Stromern im Schnitt sogar rund 20 Prozent weniger Schäden“, so Asmussen. Beide Faktoren – teurere, aber weniger Schäden bei Elektroautos – werden bei der Berechnung der individuellen Typklassen des jeweiligen Modells berücksichtigt.
Die Gründe für die höheren Reparaturkosten
Die im Vergleich zu Verbrennern deutlich höheren Reparaturkosten bei Elektroautos sind laut Christoph Lauterwasser, Geschäftsführer des Allianz-Zentrums für Technik, auf vier Hauptgründe zurückzuführen. Er nennt zunächst die hohen Kosten durch beschädigte Antriebsbatterien bei verbesserungswürdigen Tauschkriterien, Diagnose- und Reparaturmöglichkeiten. Zudem führe Unsicherheit beim Umgang mit beschädigten Elektroautos zu hohen Kosten. Etwa weil sie sehr lang in Quarantäne gelagert oder durch Vorsichtsmaßnahmen in Tauchbäder in Löschcontainern zu Totalschäden werden.
Außerdem bemängelt Lauterwasser lange Standzeiten sowie hohe Stundenverrechnungssätze in Werkstätten für Arbeiten an E-Autos.„Wir haben mehr als 125 Jahre Erfahrungen mit Verbrennern, aber nur rund zehn Jahre mit modernen Elektrofahrzeugen. Mit Blick auf Werkstätten, Abschleppunternehmen, Feuerwehren und Gutachtern fehlen deshalb noch Erfahrung und bewährte Verfahren im Umgang mit schwer beschädigten Elektroautos. Angesichts des zu erwartenden Wachstums besteht deshalb deutlicher Handlungsbedarf“, sagt Lauterwasser.
Versicherer sehen Handlungsbedarf
Um diese Entwicklung zu stoppen, hat die Versicherungswirtschaft konkrete Forderungen an die Hersteller, wie Heinz Gressel betont, Vorsitzender des GDV-Ausschusses Kraftfahrt.
Batterien sollten demnach schon beim Design der Fahrzeuge so gut wie möglich vor Schäden durch Unfälle schützen. Zugleich sollten Werkstätten und Gutachtern aussagekräftige Diagnosedaten zum Zustand der Batterie nach einem Unfall zur Verfügung gestellt werden. Außerdem, so der GDV-Mann, sollten wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Anleitungen für die Reparatur und/oder den teilweisen Austausch beschädigter Batterien vorhanden sein. Und es sollten präzise Kriterien für den Umgang mit verunfallten Elektroautos entwickelt und Werkstätten, Abschleppunternehmer und Feuerwehren umfassend qualifiziert werden.
Von den Werkstätten und Gutachtern fordern die Versicherer, dass Batterien bei beschädigten Elektroautos schnell geprüft, Brandgefahren früh ausgeschlossen und Quarantänelagerungen möglichst kurz gehalten werden. Zudem sollten vermehrt Fachkräfte für die Reparatur von Elektroautos aus- und weitergebildet werden. „Wenn die Kosten für Elektromobilität aus dem Ruder laufen, sinkt auch deren Akzeptanz. Und das dürfen wir nicht riskieren“, so Gressel.
Fakten zur Studie
Für die aktuelle Untersuchung wurden 37 Modellpaare aus Elektroautos und Verbrennern gebildet, die sich möglichst ähnlich sind. Das war in manchen Fällen sehr einfach, weil es baugleiche Modelle gibt, so der GDV. Zum Beispiel beim Smart den Elektro-Smart oder beim Golf VII den Elektro-Golf VII. Bei anderen Modellen sei es hingegen schwieriger gewesen. In solchen Fällen haben die GDV-Experten passende Vergleichsfahrzeuge gefunden. Dann wurde ausgewertet, wie sich die Häufigkeit und die Höhe der Schäden sowohl in der Kfz-Haftpflicht- als auch in der Vollkaskoversicherung über drei Jahre entwickelt haben.