Etwas Selbstkritik und viel Selbstvertrauen – damit war der Rahmen des Versicherungstages 2014 abgesteckt. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die der Einladung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erstmals nach vier Jahren folgte, ging nur am Rande auf die Themen ein, die die Branche bewegen – gefeiert wurde sie trotzdem.
„Für manchen Knick in der Bliebtheitsskala sind wir selbst verantwortlich“, sagte GDV-Präsident Dr. Alexander Erdland am Mittwoch in Berlin. Der frisch wiedergewählte Verbandschef schlug in seiner Rede einen selbstkritischen Ton an. „Wir stellen uns der Kritik. Vertriebsskandale – das geht gar nicht. Urteile zum Verbraucherschutz, die gar nicht oder erst auf den letzten Drücker umgesetzt werden – das geht gar nicht. Fehlberatung oder unverständliche Produkte – kein Pardon“, rief Erdland den rund 500 geladenen Branchenvertretern zu.
GDV: Missstände weiter benennen
Mit einem berühmten Zitat von Warren Buffett („It takes 20 years to build a reputation and five minutes to ruin it“), appellierte Erdland an das Verantwortungsbewusstein der Assekuranz-Manager. Man werde Missstände weiter benennen, uneingeschränkt verurteilen und ihnen auf den Grund gehen, betonte Erdland. Zudem sagte er – mit Verweis auf die Automobilindustrie -, dass „an der ein oder anderen Stelle“ eine Rückholaktion auch in der Versicherungsbranche angebracht gewesen wäre – welche Produkte er damit meinte, ließ Erdland allerdings offen.
Erdland: Rede ist kein „Beichtstuhlgespräch“
Gleichwohl gab der GDV-Präsident seinen Zuhörern zu verstehen, dass er weit davon entfernt sei, seine Rede als „Beichtstuhlgespräch“ zu betrachten. So müsse man auch „die andere Seite der Medaille“ sehen. Erdland verwies auf die „entschlackten“ Musterbedingungen, die für die Kunden verständlicher geworden seien; die Schaffung der Ombudsmann-Stelle, die andere Branchen inzwischen kopiert hätten; die Weiterbildungsinitiative „gut beraten“ sowie den Verhaltenskodex für den Vertrieb, dem sich „weite Teile des Vertriebs“ angeschlossen hätten.
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Huber: Wenn jede Branche einen Ethikkodex hat, ist es um Ethik schlecht bestellt
Ethisches Verhalten bildete den Kern der anschließenden Rede von Wolfgang Huber, dem ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Huber gab zu bedenken, dass immer wieder Feststellungen laut würden, die er so zusammenfasste: „Seitdem jedes Unternehmen einen Wertekompass und jede Branche einen Ethikkodex hat, ist es um Ethik und Werte schlecht bestellt.“ Zudem kam Huber auf „problematische Anreizsysteme“ zu sprechen, die dazu führen könnten, dass nicht das beste Produkt für den Kunden, sondern das mit der höchsten Provisionsmarge verkauft werde.
Bei der nachfolgenden Rede von DGB-Chef Reiner Hoffmann stand ebenfalls das Thema „Werte“ im Vordergrund. Der Gewerkschafter betonte, dass nicht Werte an sich eine Gesellschaft zusammenhielten, sondern nur, wenn Werte für das eigene Handeln tatsächlich als verbindlich angesehen würden.
Merkel lobt Branche und verteidigt Lebensversicherungsreform
Das „Highlight“ (Erdland) des Versicherungstages bildete für viele die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie nahm das erste mal seit 2010 am Versicherungstag teil – und durfte sich im Gegenzug über den großen Zuspruch des Publikums freuen. Da störte es auch nicht sonderlich, dass die Kanzlerin in ihrer 30-minütigen Rede nur selten auf versicherungsspezifische Themen einging, sondern vorrangig zwischen Bankenaufsicht, Freihandelsabkommen und den aktuellen Weltkrisen hin und her pendelte.
Zur Freude Erdlands lobte Merkel, dass die Versicherer ein „wirtschaftliches Schwergewicht“ für den Standort Deutschland darstellten und dass die Branche gut durch das Jahr 2013 gekommen sei. Die im Sommer verabschiedete Reform der Lebensversicherung kommentierte die CDU-Vorsitzende mit den Worten, dass die Erwirtschaftung des Garantiezinses in Gefahr geraten wäre, wenn die Bundesregierung keine Maßnahmen ergriffen hätte.
Im Hinblick auf das von der EU-Kommission geplante Investitionspaket sagte sie, dass es nun gelte „Projekte zu identifizieren, die investitionsreif sind, die spannend sind“. Dabei gehe es um „Investitionen in zukunftsfähige Projekte“. Dazu gehörten nicht nur Autobahnen und Brücken, so Merkel weiter, sondern auch Forschungsvorhaben und der Breitbandausbau des Internets. (lk)
Foto: GDV