GDV: Warum eine Elementarschadenpflicht nach französischem Vorbild nicht funktioniert

Bestickte Fahnen von Deutschland und Frankreich, Gegenseitige Beziehungen beider Länder, Zusammenarbeit in der Europäischen Union, Nahaufnahme
Bildagentur PantherMedia / rochu_2008
Ist Frankreichs CatNat-System ein Vorbild für Deutschland?

In der Diskussion um eine Elementarschadenpflichtversicherung in Deutschland wird immer wieder das französische CatNat-System als eine Blaupause genannt. Auch wegen der vergleichsweise niedrigen Beiträge. Nach Ansicht des GDV lässt sich das französische Vorbild allerdings nicht auf Deutschland übertragen.

In der Debatte um eine verpflichtende Versicherung für Elementarschäden durch Starkregen und Hochwasser ist in den letzten Tagen vielfach die französische CatNat-Abgabe mit den Kosten für eine deutsche Wohngebäudeversicherung einschließlich Elementardeckung verglichen worden. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Form seiner stellvertretenden Hauptgeschäftsführerin Anja-Käfer Rohrbach wehrt sich nun massiv dagegen.

„Dieser Vergleich ist unseriös und schlichtweg falsch. Man kann Systeme vergleichen – dann aber bitte korrekt“, sagt Käfer-Rohrbach. Eine Eins-zu-Eins-Übernahme des französischen CatNat-Systems in Deutschland wäre nicht weniger als ein vollständiger Paradigmenwechsel in der Versicherungslandschaft und in der Zusammenarbeit von Staat und Assekuranz, so Käfer-Rohrbach weiter. 

Mischsystem seit 1982

Laut GDV betreibt Frankreich seit 1982 ein Mischsystem für Naturgefahren. Neben dem privatwirtschaftlichen Versicherungsschutz, der in etwa der klassischen Wohngebäudeversicherung in Deutschland entspricht, gibt es das vom französischen Staat ins Leben gerufene System Catastrophe Naturelles (CatNat), in dem die Elementargefahren abgesichert werden. Für dieses CatNat-System müssten die Franzosen eine zusätzliche Abgabe entrichten.


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Zudem stehe am Ende der französische Staat mit einer unlimitierten Staatgarantie für alle Schäden gerade, für die im CatNat-Topf kein Geld mehr ist, so der GDV weiter. Aufgrund der immer größeren Klimafolgen sieht der GDV das CatNat-System allerdings in seiner Stabilität gefährdet. Zudem sei es seit 2015 defizitär. Das hat Anfang April 2024 das französische Finanzministerium auf den Plan gerufen: Die Finanzbehörde verlange dringend, das System zu stabilisieren, so der GDV.  

Zentralistisches französischen Systems 

Hinzu komme, dass französische Naturkatastrophensystem von umfassender staatlicher Intervention und zentralistischen Entscheidungen geprägt sei. Der französische Staat lege den rechtlichen Rahmen des Systems umfassend fest, definiere die betroffenen Gefahren und die auslösenden Ereignisse. Zudem würden auch Preise, Selbstbeteiligungen und die Deckung festgelegt. Darüber hinaus hafte der Staat unlimitiert für Schäden über den öffentlichen Rückversicherer Caisse Centrale de Réassurance (CCR), so die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des GDV.  

Anja Käfer-Rohrbach
Anja Käfer-Rohrbach: „Eine Eins-zu-Eins-Übernahme des französischen CatNat-Systems in Deutschland wäre nicht weniger als ein vollständiger Paradigmenwechsel in der Versicherungslandschaft und in der Zusammenarbeit von Staat und Assekuranz.“

Wie Käfer-Rohrbach weiter erläutert, ist der öffentliche Rückversicherer Dreh- und Angelpunkt des französischen Systems. Dabei bietet sie den Versicherern nicht nur einen unlimitierten Stop-Loss-Rückversicherungsschutz mit staatlicher Garantie, sondern nimmt den Versicherern von jedem sonstigen Elementarschaden wie Hagel und Sturm auch noch die Hälfte des Schadens ab – als sogenannte proportionale Rückversicherung. 

Die „ins Schaufenster gestellte günstige Abgabe“ werde durch eine weitgehende Risikoübernahme durch den Staat und dessen CCR erkauft, so Käfer-Rohrbach weiter. Der Staat sei zudem immer dann zum Eingreifen verpflichtet, wenn die Schadenbelastung für die CCR einen gewissen Betrag übersteigt, der als staatliche Interventionsschwelle bezeichnet wird. 

Pflichtabgabe an den Staat

 „Das französische Cat-Nat-System ist kein risikobasiertes privatwirtschaftliches Versicherungssystem im Sinne des Europäischen Aufsichtsregimes Solvency II“, argumentiert Käfer-Rohrbach. So gebe es etwa keinen vertraglichen Anspruch auf Entschädigung aus dem CatNat-System. Entschädigt wird nur, wenn das Ereignis durch eine interministerielle Kommission in Paris zur Naturkatastrophe erklärt wird (Artikel 1 Absatz 4 CatNat-Gesetz). Ein direkter gesetzlicher Anspruch gegen das CatNat-System im Sinne des Vertragsrechts existiert also nicht, so Käfer-Rohrbach. 

Zudem zahlen Privatpersonen keine risikobasierte Prämie für Naturgefahren, sondern eine per Gesetz geregelte Abgabe in Höhe von derzeit noch zwölf Prozent der Sachversicherungsprämie. Die Abgaben werden im Jahr 2025 drastisch erhöht auf 20 Prozent, da das System durch den Klimawandel und Extremwetterereignisse seit Jahren defizitär ist, so der GDV.

Die Höhe der gesetzlich festgelegten Selbstbeteiligung beträgt für Privatpersonen in diesem System 380 Euro je Schadenfall für Sachdeckungen (Gebäudeversicherung). Sie erhöht sich auf 1.520 Euro bei Schäden durch Erdsenkung infolge von Trockenheit beziehungsweise an Orten, die mehrfach von Naturkatastrophen betroffen waren. Hinzu kommen auch in Frankreich die Kosten für die zugrundeliegende Gebäudeversicherung und deren Naturgefahren, wenn das CatNat-System nicht zahlt.

Die Kosten für die Versicherten in Frankreich liegen also in der Praxis deutlich höher, schlussfolgert der GDV. Die Behauptung, dass es in Frankreich eine Elementarschadenversicherung von „durchschnittlich 26 Euro jährlich“ gebe, sei nicht zutreffend, betont der Versicherungsverband. Zudem werde ein unzutreffender Vergleich mit der gesamten risikobasierten Versicherungsprämie für ein Wohnhaus in Deutschland hergestellt. 

Verfassungsrechtlichte Grundlage

„Zu guter Letzt verfügt das CatNat-System über eine dezidierte verfassungsrechtliche Grundlage“, so Käfer-Rohrbach. Artikel 12 der Präambel zur französischen Verfassung vom 27. Oktober 1946 führt demnach aus: „Die Nation erklärt die Solidarität und Gleichheit aller Franzosen bei der Tragung der Last, die sich aus nationalen Katastrophen ergibt.“ Eine vergleichbare grundgesetzliche Regelung existiere in Deutschland nicht, sodass jeder Schritt in Richtung CatNat mit verfassungsrechtlichen Risiken behaftet wäre. 

Ganzheitlicher Ansatz

Positiv am französischen System sei, dass man am Ende das Naturgefahrenrisiko ganzheitlich betrachtet hat, resümiert der GDV am Ende der Analyse. Es behandele Fragen der Versicherung ebenso wie die staatliche Beteiligung bei Größtschadenereignissen. Auch der sogenannte Barnier-Fonds (Fonds de Prévention des Risques Naturels Majeurs), der Anpassungs- und Schutzmaßnahmen fördern soll, gehört letztlich zum System, so der GDV.

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