Bei mehreren Krebs-Früherkennungsuntersuchungen für gesetzlich Versicherte gab es im zweiten Pandemiejahr 2021 erneut starke Rückgänge, die sich auch in der Omikron-Welle im 1. Quartal 2022 fortgesetzt haben. Das zeigt eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), in der die Teilnahmezahlen der gesetzlich Versicherten mit dem Vor-Pandemie-Zeitraum verglichen werden.
Vor diesem Hintergrund erklären die AOK und die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) den 28. November zum jährlichen „Tag der Krebsvorsorge“. Die Veranstalter rufen im Rahmen des Aktionstages dazu auf, Krebs-Früherkennungs- und -vorsorgemaßnahmen wahrzunehmen. In diesem Jahr startet die AOK auf ihrer Homepage einen „Vorsorg-O-Mat“ und schaltet eine Hotline zur Beantwortung von Fragen rund um das Thema Früherkennung frei.
„Entdecken wir Tumoren bereits in einem frühen Stadium, sind die Heilungschancen für viele Krebsarten besser. Bei einigen Tumorerkrankungen, zum Beispiel beim Darmkrebs, finden wir im Rahmen der Vorsorge bereits Vorstufen von Krebs – und können mit der Entfernung dieser Gewebeveränderungen den Krebs verhindern, bevor er entsteht“, Prof. Thomas Seufferlein, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft.
Pandemie als Vorsorge-Hemmnis
Trotz der Relevanz von Früherkennungsmaßnahmen wurden diese in den vergangenen Jahren weniger in Anspruch genommen. „In der Pandemie versäumte Untersuchungen sollten nachgeholt werden. Dazu wollen wir mit dem Tag der Krebsvorsorge gemeinsam einen Anstoß geben“, sagt die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann.
Die stärksten Rückgänge gab es im vergangenen Jahr – wie schon im ersten Pandemie-Jahr 2020 – erneut bei der Inanspruchnahme der Hautkrebs-Früherkennung (minus zwölf Prozent gegenüber 2019). Im 1. Quartal 2022, das durch die Omikron-Welle geprägt war, war der Einbruch mit minus 19,7 Prozent gegenüber dem Vergleichs-Zeitraum 2019 sogar noch größer.
Die Zahl der Untersuchungen zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs lag im vergangenen Jahr 7,4 Prozent unter dem Wert von 2019, im 1. Quartal 2022 gab es ein noch größeres Minus von knapp zwölf Prozent. Weniger ausgeprägt waren die Rückgänge bei der Prostatakrebs-Früherkennung (minus 3,4 Prozent im Gesamtjahr 2021 und minus vier Prozent im 1. Quartal 2022). Beim Mammographie-Screening hat sich die Situation nach starken Einbrüchen in der ersten Phase der Pandemie weitgehend normalisiert.
Bei Koloskopien insgesamt Rückgang um 4,0 Prozent gegenüber 2019
Bei den Koloskopien zur Früherkennung von Darmkrebs ist gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 sogar ein Plus von 4,7 Prozent im Jahr 2021 und von 17,1 Prozent im 1. Quartal 2022 festzustellen. „Hier wirken sich die Ausweitung des Kreises der anspruchsberechtigten Versicherten und das Einladungswesen positiv aus“, so AOK-Vorständin Reimann. Wenn neben dem Anstieg bei den Früherkennungs-Koloskopien die Rückgänge bei diagnostischen Darmspiegelungen in die Betrachtung einbezogen werden, zeigt sich in den AOK-Zahlen allerdings bei den Koloskopien im Jahr 2021 insgesamt ein Rückgang von 4,0 Prozent gegenüber 2019. Im Jahr davor war bereits ein ähnlich starker Rückgang zu verzeichnen gewesen.
Zudem gebe es bei der regelmäßigen Inanspruchnahme der Früherkennung insgesamt viel „Luft nach oben“, betont Reimann. So wurden laut einer Langzeit-Auswertung des WIdO in den letzten zehn Jahren beispielsweise nur etwa die Hälfte der anspruchsberechtigten Menschen, die im vergangenen Jahr 65 Jahre alt waren, von der Darmkrebs-Früherkennung erreicht.
Forsa-Befragung: Menschen finden Früherkennung sinnvoll – schieben sie aber dennoch auf
Eine bevölkerungsrepräsentative Forsa-Befragung im Auftrag des AOK-Bundesverbandes aus dem Oktober 2022 zeigt eine hohe Akzeptanz für die Krebsvorsorge: 94 Prozent der rund 1.500 Befragten gaben an, dass sie die Untersuchungen zur Krebs-Früherkennung sinnvoll finden. Allerdings erklärten die Hälfte der Befragten, dass sie das Ausmachen von Terminen zur Gesundheitsvorsorge zumindest ab und zu aufschieben würden.
Ein Viertel der Menschen (26 Prozent) gaben an, dass sie wegen anderer Aufgaben keine Zeit und Energie für die Krebsfrüherkennung hätten. 19 Prozent erklärten, schon einmal eine Untersuchung zur Früherkennung über den empfohlenen Kontrolltermin hinausgezögert zu haben, obwohl rückblickend genug Zeit dafür zur Verfügung gestanden hätte. „Das wichtige Thema Krebsvorsorge sollte man nicht vor sich herschieben“, kommentiert Prof. Thomas Seufferlein als Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft die Ergebnisse. „Wir möchten die Menschen mit unseren Informationen und gemeinsamen Aktionen zum Tag der Krebsversorge dazu bewegen, sich mit diesem oftmals unangenehmen und mitunter auch schambesetzten Thema zu beschäftigen.“
Für die Deutsche Krebsgesellschaft gehören außerdem Vorsorge und Versorgung eng zusammen. „Wenn bei einer Vorsorgeuntersuchung Krebs entdeckt wird, ist der schnelle und nahtlose Übergang in eine kompetente Behandlung notwendig. Idealerweise vertrauen sich die Patientinnen und Patienten dann einem DKG-zertifizierten Zentrum an.“
Umfassende Informationen, „Vorsorg-O-Mat“ und Früherkennungs-Hotline
Gemeinsam starten die Deutsche Krebsgesellschaft und die AOK zum „Tag der Krebsvorsorge“ eine Kommunikationsoffensive, bei der ab dem 28. November für eine Woche Inhalte zum Thema Krebsfrüherkennung und -vorsorge, beispielsweise Informationsfilme zum Ablauf und Nutzen der einzelnen Früherkennungsuntersuchungen, verbreitet werden. Zudem startet die AOK eine Reihe von Informationsangeboten: Ein neuer „Vorsorg-O-Mat“ beantwortet den Nutzerinnen und Nutzern nach Eingabe individueller Informationen wie Alter und Geschlecht die Frage, welche Krebsfrüherkennungs-Untersuchungen anstehen und was die jeweilige Vorsorge genau beinhaltet. Das neue Online-Angebot ist für alle Interessierten unabhängig von der Krankenversicherung nutzbar. Zudem schaltet die AOK eine Vorsorge-Hotline für ihre Versicherten: Unter der kostenfreien Nummer 0800 1 265 265 beantworten speziell geschulte Expertinnen und Experten des medizinischen Info-Telefons Clarimedis vom 28. November bis zum 2. Dezember alle Fragen rund um die Themen Krebs-Früherkennung und Vorsorge.
Vor allem Darmkrebs bereitet Sorgen
Die langfristigen Folgen der Rückgänge bei den Früherkennungs-Untersuchungen sind noch unklar. Anlass zur Besorgnis geben insbesondere die Einbrüche bei der Diagnostik von Darmkrebs. Sie könnten perspektivisch zu mehr fortgeschrittenen Krebsfällen führen, weil Tumore später als bisher erkannt werden.
Eine Auswertung von AOK-Abrechnungsdaten aus den Kliniken zeigt bei den Darmkrebs-Operationen in der Omikron-Welle von Januar bis Mai 2022 ein Minus von 18 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019. Damit gab es zuletzt wieder ähnlich starke Rückgänge wie in den ersten beiden Pandemiejahren, während sich die Situation bei den Brustkrebs-OPs.
Die Einbrüche in der Pandemie betreffen überwiegend Operationen von Darmkrebs in frühen Stadien, bei denen keine anschließende Chemotherapie notwendig war. Dies könnte mit den Rückgängen bei den durchgeführten Darmspiegelungen in Zusammenhang stehen. „Ob diese Einbrüche bei den Operationszahlen perspektivisch mehr schwerere Fälle mit höherer Sterblichkeit bedeuten, können allerdings erst längerfristige Analysen von Krebsregister-Daten zeigen“, betont AOK-Vorständin Carola Reimann.