In Metropolen wie Berlin, Hamburg und München, aber auch in anderen großen Städten sind in den nächsten Jahren Preiskorrekturen in größerem Ausmaß möglich. Zu diesem Ergebnis kommen die Immobilienökonomen Konstantin Kholodilin und Claus Michelsen in einer aktuellen Studie, die im Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) erschienen ist. „Die Zeichen mehren sich, dass die Wohnungspreise in einigen Städten und Marktsegmenten nicht mehr allein durch die Entwicklung der Mieten und die niedrigen Zinsen zu erklären sind“, sagt Kholodilin, Wissenschaftler in der Abteilung Makroökonomie des DIW Berlin.
Für die Studie haben die beiden Ökonomen auf Basis von Daten des Immobilienverbandes IVD die Entwicklung in den 114 größten deutschen Städten mit mindestens 50 000 EinwohnerInnen unter die Lupe genommen. Dabei betrachteten sie nicht nur die Kaufpreise für Eigentumswohnungen und Eigenheime, sondern auch die Mieten. Während die Kaufpreise für Wohneigentum in diesem Jahr um durchschnittlich neun Prozent kletterten, stiegen die Mieten nur etwa halb so stark. Betrachtet man die vergangenen zehn Jahre, lag der Anstieg der Mieten bei 50 Prozent, während sich der Preis von Eigentumswohnungen in etwa verdoppelte. Da Immobilienpreise langfristig an die Entwicklung von Mieterträgen und damit an die allgemeine Einkommensentwicklung gebunden sein sollten, deutet eine zunehmende Diskrepanz zwischen Mieten und Kaufpreisen auf Spekulationsblasen hin.
Kreditvergabe und Finanzierungsstrukturen sprechen gegen flächendeckende Preisblase
Tatsächlich diagnostizieren spezielle statistische Tests, die die Studienautoren durchgeführt haben, in vielen Fällen explosive Muster in der Preisentwicklung. Mit Blick auf Baugrundstücke, Eigentumswohnungen, Einfamilien- und Reihenhäuser gilt das für alle Typen von Großstädten, also sowohl für international bedeutende Städte (A-Standorte) als auch für kleinere Städte, die lediglich regional bedeutend sind (D-Standorte). An den A-Standorten, also in den großen Metropolen wie Berlin, Hamburg und München, folgt sogar das Preis-Miet-Verhältnis einem explosiven Muster – in kleineren Städten ist es jedoch noch einigermaßen intakt.
Auch deshalb schätzen Kholodilin und Michelsen, früherer Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik am DIW Berlin und heute Geschäftsführer Wirtschaftspolitik beim Verband der forschenden Arzneimittelhersteller, die Gefahr einer flächendeckenden Immobilienpreisblase in ganz Deutschland derzeit als überschaubar ein. Die Kreditvergabe für Immobilien ist über die Jahre zwar deutlich gestiegen, steht mit 8,5 Prozent aber in einem gesunden Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. „Die Finanzierungsstrukturen erscheinen weiterhin solide und deuten noch nicht auf exzessive fremdfinanzierte Spekulationsblasen hin, deren Platzen die Finanzstabilität bedrohen würde“, so Kholodilin. Ermutigend sei auch, dass die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt kleiner geworden ist. Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, gleichzeitig ging die Einwohnerzahl in den Städten im vergangenen Jahr erstmals seit Jahren leicht zurück.
Corona-Hilfen nicht zu schnell zurückfahren
Der Traum von den eigenen vier Wänden rückt jedoch für immer mehr Haushalte in weite Ferne. Eine Immobilie kostet in Großstädten mittlerweile so viel wie 24 Jahresmieten – ein Höchstwert seit Mitte der 1990er Jahre, als der Immobilienmarkt infolge der Wiedervereinigung boomte. Für viele Menschen wird es auch durch die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen infolge der Corona-Pandemie immer schwerer, Immobilien zu finanzieren. Dass der Staat die Einkommen in der Pandemie durch zahlreiche Hilfsprogramme stabilisiert hat, ist den Studienautoren zufolge positiv zu bewerten, auch mit Blick auf den Immobilienmarkt: Weil es kaum zu Mietausfällen kam, konnten Verwerfungen im Immobiliensektor vermieden werden. Dementsprechend sollten die Corona-Hilfen nicht zu früh zurückgefahren werden.