Die EZB hat die Erwartungen an ihre geldpolitischen Entscheidungen dieses Mal etwas vorsichtiger gesteuert als im Dezember vergangenen Jahres. Klar ist dennoch, dass sie diese Woche ihre Geldpolitik weiter lockern dürfte und auch, dass davon Impulse für die Wechselkursentwicklung und damit für die Geldpolitik anderer Zentralbanken ausgeht. Gastkommentar von Karsten Junius, Bank J. Safra Sarasin
EZB-Präsident Draghi und andere Zentralbankmitglieder verweisen gerne auf den Erfolg der bisherigen Anleihekäufe. In technischer Hinsicht ist das richtig. Die Notenbank konnte ihre Käufe ohne Probleme umsetzen und im geplanten Ausmaß Anleihen kaufen. Die Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die wirtschaftliche Entwicklung sind nach einem Jahr allerdings sehr heterogen. Die Geldmarktzinsen und Renditen von Bundesanleihen sind tatsächlich gesunken. Gestiegen sind hingegen die Zinsaufschläge von Peripherieanleihen, der Außenwert des Euro ist rund zwei Prozent höher und die Aktienkurse rund 15 Prozent gefallen. Damit ist nicht ganz klar über welchen Wirkungskanal die Anleihekäufe eigentlich positiv stimuliert haben soll.
Die Inflation bleibt niedrig
Während die Zentralbankgeldmenge und die Kreditvergabe tatsächlich dynamischer gewachsen sind, bleibt es unsicher, ob dies etwas mit der Geldpolitik zu tun hat oder lediglich ein normales Resultat sich erholender Bankbilanzen ist. In jedem Fall lässt sich ökonomisch kaum eine Veränderung gegenüber März letzten Jahres feststellen. Die Inflation ist ähnlich niedrig und erneut im negativen Bereich, die Stimmungsindikatoren sind auch nicht höher und das Wachstum zwar stabil, aber immer noch sehr moderat. Sicher ist somit lediglich, dass die EZB diesen Donnerstag erneut ihre Inflations- und Wachstumsprognosen herunternehmen wird. Zu rechnen ist mit drastischen Schritten. Die Inflationsprojektion dürfte von 1,0 Prozent in diesem und 1,6 Prozent im nächsten Jahr auf 0 Prozent respektive 1,4 Prozent revidiert werden.
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Die Wachstumsprojektionen von 1,7 Prozent und 1,9 Prozent auf jeweils rund 1,5 Prozent. Fairerweise muss man dazusagen, dass die Dezemberprojektionen noch auf Basis eines Ölpreises von 56 bzw. 61 USD/Barrel basierten – Niveaus, von denen die aktuellen Notierungen weit entfernt sind. Bei solch starken Prognoserevisionen erscheint eine lockerere Geldpolitik logisch. Das Anleihekaufprogramm wird vermutlich um 15 Mrd. Euro auf 75 Mrd. Euro aufgestockt und dürfte um ein weiteres halbes Jahr bis September 2017 verlängert werden. Zudem wird wohl der Einlagenzinssatz erneut gesenkt. Diesbezüglich sind zwei Szenarien möglich: (1) Eine Senkung um 10 Basispunkte ohne Ausnahmen oder (2) um 20 Basispunkte mit großzügigen Ausnahmen. Während das erste System auf ein niedrigeres inländisches Zinsniveau abzielt, hätte das Zweite vor allem den Wechselkurs im Visier. Technisch würde die EZB sicherlich beide gut implementieren können. Mittelfristig muss sie aber auch einmal zeigen können, dass ihre Geldpolitik ökonomisch erfolgreich ist. Die Gefahren unerwünschter Nebenwirkungen sind ansonsten zu groß. (tr)
Karsten Junius ist Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin
Foto: Bank J. Safra Sarasin