Deutlich weniger Unternehmen in der EU sollen nach Willen der Europäischen Kommission künftig Angaben über die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft machen müssen. Demnach sollen nur noch große Firmen – und damit 20 Prozent der bislang verpflichteten Betriebe – Bericht über ihre Nachhaltigkeit erstatten müssen, wie aus einem Vorschlag der Brüsseler Behörde, dem sogenannten „Omnibus-Paket“, hervorgeht. Die größten Unternehmen hätten vermutlich die größten Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, hieß es zur Begründung.
Mit der Lockerung der Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD-Richtlinie) will die Kommission vor allem kleine und mittlere Unternehmen entlasten und Bürokratie reduzieren. Von ihr betroffene Betriebe sollen nach Willen der Behörde zudem erst zwei Jahre später als bislang vorgesehen die Berichte liefern müssen.
Cash. fragte Investmenthäuser, die auf ökologische Anlagen spezialisiert sind, wie sie die Pläne der EU-Kommission bewerten und welche Auswirkungen diese auf ihren Investmentprozess hätten. Laut Mathias Pianowski, Leiter Nachhaltigkeits-Research bei Ökoworld, ist die aktuelle Abschwächung und Verschiebung der Regulierung zu nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungen kein wesentliches Hindernis für die Arbeit im Nachhaltigkeits-Research des Unternehmens: „Weltweit gesehen berichten die wirklich zukunftsfähigen Unternehmen heute schon recht gut über die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft. Darüber hinaus fordern wir im Rahmen unserer Ökoworld-Engagement-Strategie permanent zusätzliche Informationen bei Unternehmen an, die wir zur Fundierung unserer Entscheidungen benötigen. Gleichwohl begrüßen wir, wenn in Zukunft noch mehr Unternehmen sinnvolle Nachhaltigkeitsinformationen veröffentlichen.“ Das könne auch durch eine Regulierung erreicht werden, die unbürokratisch ist, indem sie sich auf wirklich wesentliche, vergleichbare und gut interpretierbare Informationen konzentriert, betont Pianowski.
„Da eine nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft unerlässlich ist, bedarf es auch klarer Vorgaben, um die Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten von Unternehmen vergleichbar und zuverlässig zu machen“, sagt auch Roman Limacher, CEO von Arete Ethik Invest. Allerdings dürfe dies nicht dazu führen, dass Wirtschaftsakteure in einer exzessiven Berichtspflicht ersticken. Die Idee der Omnibus-Initiative, die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu vereinfachen, findet er grundsätzlich sinnvoll: „Es sollten aber dennoch möglichst viele Unternehmen davon erfasst werden. Zielführend erschien mir bei der Überarbeitung bestehender Regelwerke daher, dass die quantitative Reduktion der Anforderungen so erfolgt, dass den Bedürfnissen der Investoren Rechnung getragen und das ‚Output‘ verständlich wird, also klare Maßnahmen daraus abgeleitet werden können.“ Es gelte bei der Aufwand-Nutzen-Analyse die Frage zu fokussieren, was letztlich für die Gesellschaft und die Umwelt wirklich wertvoll ist. „Ganz nach dem Motto ‚Machen wir das Messbare wertvoll oder das Wertvolle messbar?‘ Manchmal ist ja weniger auch mehr – im qualitativen Sinne“, so Limacher.
Anfang Februar hatten 150 Investoren mit einem verwalteten Vermögen von insgesamt 6,6 Billionen Euro die Europäische Kommission aufgefordert, die „Integrität und den Ehrgeiz“ des EU-Rahmenwerks für nachhaltige Finanzierung zu wahren. Eine gemeinsame Erklärung, die von drei europäischen Investorenverbänden – Eurosif, IIGCC und PRI – veröffentlicht und von 211 Investoren und anderen Akteuren des Finanzsektors unterstützt wird, warnte davor, dass „die vollständige Wiedereröffnung dieser Vorschriften die Schaffung regulatorischer Unsicherheit riskiert und letztendlich das Ziel der Kommission gefährden könnte, Kapital zur Unterstützung des Europäischen Green Deals umzulenken“.
Momentan handelt es sich lediglich um einen Vorschlag der EU-Kommission. Welche der geplanten Lockerungen tatsächlich geltendes Recht werden, wird sich im weiteren Verlauf des europäischen Gesetzgebungsverfahrens zeigen.