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Geplatzte Riester-Reform: „Wirre Utopien vergrößern nur die Gefahr der Altersarmut“

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Foto: Votum/Carsten Herwig
Martin Klein, Votum

Die Reform der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge ist vorerst gescheitert. Was erwarten die Vermittlerverbände nun von der künftigen Bundesregierung? Cash. fragte nach.

Wer auch immer in der deutschen Finanzdienstleistungsbranche noch eine zarte Resthoffnung hatte, dass es trotz des Ampel-Aus noch in dieser Legislaturperiode zu einer Reform der Riester-Rente kommen könnte, wurde Anfang letzter Woche eines Besseren belehrt. Da erklärte der neue Finanzminister Jörg Kukies (SPD), er rechne nicht mehr mit einer Umsetzung der geplanten Reform der privaten Altersvorsorge in dieser Legislaturperiode. „Die Realität sieht so aus, dass die Wahrscheinlichkeit, das Gesetz mit allen Fristen noch durch den Bundestag und Bundesrat zu bringen, sehr gering ist“, sagte Kukies den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Anfang Oktober hatte Kukies Vorgänger Christian Lindner (FDP) den Gesetzentwurf zur Reform der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge vorgelegt. Der Entwurf sah ein sogenanntes zertifiziertes Altersvorsorgedepot vor, bei dem Bürger von einem zusätzlichen Vorsorgeprodukt, das ihnen die Wahl über die jeweilige Anlageform überlässt, profitieren sollten. Durch eine verbesserte Anreizstruktur beabsichtigte der Staat anstelle fixer Zulagen jeden gesparten Euro mit 20 Cent zu fördern – bis zu einem Förderbetrag von 3.000 Euro. Für Kinder und Berufseinsteiger sollte es zusätzliche Förderungen geben. Dies sollte zusätzliche Anreize zur Eigenvorsorge schaffen und zugleich bürokratische Hürden reduzieren. Ab 2030 sollten sogar Eigenbeiträge bis zu 3.500 Euro steuerlich geltend gemacht werden können.

Zudem war vorgesehen, durch die Lockerung der Brutto-Beitragsgarantie bei Versicherungsprodukten ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Garantieniveaus (80 und 100 Prozent) zu ermöglichen. Dies sollte auch für den Bestand gelten. Auch eine flexiblere Auszahlungsphase sollte ermöglicht werden, da der Entwurf keine verpflichtende Leibrente vorsah und mit Vollendung des 65. Lebensjahrs auch flexible Auszahlungspläne bis zum 85. Lebensjahr ohne Restverrentungspflicht ermöglichte. Branchenvertreter begrüßten den Entwurf, übten aber auch Kritik.


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Und nun? Man bedauere, dass die Ampelkoalition keine Reform der privaten Altersvorsorge verabschiedet hat, erklärt Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Nach über zwei Jahrzehnten Stillstand in diesem „wichtigen Politikfeld“ und angesichts der nahenden Verrentung der Babyboomer-Generation sei eine Reform dringender denn je. „Von einer neuen Bundesregierung erwarten wir deshalb, dass sie hier zügig einen Gesetzentwurf vorlegt bzw. eine pAV-Reform durchsetzt. Da aber voraussichtlich nach der Bundestagswahl am 23. Februar erst Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen stattfinden werden, rechnen wir nicht mit einer beschlussfähigen Bundesregierung vor Mai nächstes Jahres“, betont Heinz. „Daher würden wir begrüßen, wenn sich der Bundestag noch vor der Bundestagswahl über Parteigrenzen hinweg schon zu einer pAV-Reform durchringen und beispielsweise den am 4. Dezember eingebrachten Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge und zur Einführung eines Altersvorsorgedepots beschließen könnte.“ Doch daraus wird wohl nichts.

Auch AfW-Vorstand Frank Rottenbacher findet das Aus der pAV-Reform mehr als bedauerlich. „Ein Einstieg in eine flexiblere, kapitalmarktorientierte und garantiefreie Altersvorsorge – unter Beibehaltung einer garantiebasierten Versicherungslösung – hätte neue, jüngere Kundengruppen erschlossen und Vertrauen enttäuschter Kunden zurückgewonnen. Auch die geplante Zulagenregelung von 20 Cent pro Euro bis zu 3.000 Euro hätte die Attraktivität der privaten Altersvorsorge gesteigert“, erklärt er. Dennoch zeigt sich laut Rottenbacher ein Umdenken in der Politik, das ihm Hoffnung macht: „Wir befinden uns bereits mitten in einem Rentenwahlkampf, bei dem das gescheiterte Reformgesetz von allen Parteien zwar instrumentalisiert wird. Andererseits signalisieren Parteien wie CDU, FDP, SPD und Grüne damit weiterhin Offenheit für eine kapitalmarktorientierte Altersvorsorge. Diese parteiübergreifende Bereitschaft könnte auch in der nächsten Legislaturperiode bestehen und sollte von der kommenden Bundesregierung genutzt werden.“

Doch zuvor wird noch das vorläufige Scheitern der Refom aufgearbeitet. Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Votum-Verbands, sieht die Hauptverantwortung bei den Sozialdemokraten: „Rückblickend muss sich insbesondere die SPD vorhalten lassen, dass es maßgeblich von ihr zu verantworten ist, dass in den letzten zwei Legislaturperioden die notwendige Neugestaltung ausgeblieben ist. Es ist zwar zu begrüßen, dass nun erneut alle Parteien die Reformbedürftigkeit bestätigen, aber diesen Worten müssen dann auch Taten folgen.“ Die Konsensbildung werde in jeder erwartbaren Koalition schwierig. „Für die Politik gilt es daher, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, d.h. eine Absenkung der Garantieanforderungen, attraktive Förderung für Geringverdiener und Familien sowie die Einbeziehung der Selbständigen“, fordert Klein. Jede Partei müsse sich von ihren unrealistischen Maximalforderungen verabschieden. Das gelte sowohl für die Einführung von Staatsfonds, ein Obligatorium oder Einzelaktien als Anlageoption. Und auch die Beratung bleibe ein entscheidender Faktor, betont Klein: „Ausreichende individuelle Altersvorsorge unter Beachtung aller drei Säulen und der persönlichen Vermögenssituation bedarf immer der Ansprache und Beratung. Wirre Utopien über vermeintlich kostenfreie Angebote im Internet vergrößern nur die Gefahr der Altersarmut.“

Wie die im Bundestag vertretenen Parteien die private Altersvorsorge in der kommenden Legislaturperiode tatsächlich reformieren wollen, lässt sich – bis auf wenige Ausnahmen – vorerst nur vermuten. Doch ihre Wahlprogramme werden schon bald für Klarheit sorgen.

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