Damit die Sozialbeiträge nicht weiter aus dem Ruder laufen, müssten in den laufenden Haushaltsberatungen dringend die notwendigen Steuermittel eingeplant werden, fordern der AOK Bundesverband, der Verband der Ersatzkassen, der IKK, der Knappschaft und der Sozialversicherung Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, kurz SVLFG, in einem gemeinsamen Schreiben.
Sie zeigen sich alarmiert, dass selbst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach inzwischen erwarte, dass trotz der geplanten Krankenhausstrukturreform die Beitragssätze der gesetzlichen Krankenkassen weiter unter Druck geraten werden. Auch die Aufweichung der AMNOG-Leitplanken, die Geheimpreise für Arzneimittel und die Entbudgetierung der Hausärzte dürften zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe für die GKV verursachen, so die Erwartung.
Die Pläne der Bundesregierung würden die Finanzierungslücke zwischen Einnahmen und Ausgaben der GKV weiter vergrößern und den Druck auf die Zusatzbeitragssätze der Krankenkassen zusätzlich erhöhen, befürchten die Verbände. Bereits ohne diese drohenden Mehrausgaben durch die aktuellen Gesetzesvorhaben rechnen die gesetzlichen Krankenkassen allein für das Jahr 2025 mit einem zusätzlichen Finanzbedarf von 0,5 bis 0,7 Beitragssatzpunkten.
Für Arbeitgeber und gesetzlich versicherte Arbeitnehmer erwarten sie eine Mehrbelastung der Mitglieder und der Arbeitgeber von jeweils bis zu 217 Euro jährlich. Rechnet man die Kosten für die neuen Gesetze hinzu, ergibt sich daraus ein zusätzlicher Finanzbedarf von mindestens 0,1 Beitragssatzpunkten, betonen die Verbände.
Versprochene Entlastungen umsetzen
Vor dem Hintergrund der dramatischen Finanzsituation erneuern die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen ihre Forderung, die im Koalitionsvertrag gemachten Zusagen zur Entlastung der GKV endlich umzusetzen. Dringender denn je seien die Dynamisierung des Bundeszuschusses für versicherungsfremde Leistungen und vor allem die Einführung einer angemessenen Finanzierung des Krankenkassenbeitrages für Bürgergeldbezieherinnen und -Bezieher.
Ein weiterer Vorschlag zur Entlastung der GKV ist die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf sieben Prozent. Gleichzeitig fordern die Kassenverbände die Rückkehr zu einer Ausgabenpolitik, die der Einnahmesituation gerecht wird. Notwendig seien – vor allem im Krankenhausbereich – wirksame Strukturreformen. Notwendig sei, Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu fördern.
Finanzkrise der Pflegeversicherung: substanzielle Lösungen
Gleichzeit zeigen sich die Verbände arlamiert ob der kritischen Finanzlage der Sozialen Pflegeversicherung. Die letzten Reformen hätten keine nachhaltige finanzielle Stabilisierung bewirkt, so der Vorwurf in Richtung Bundesregierung und Bundesgesundheitsminister Karl Laubterbach. Obwohl das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) erst ein Jahr alt sei und obwohl der Beitragssatz bereits zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte angehoben wurde, sind nach Angaben der Verbände die verfügbaren Mittel aufgebraucht.
2025: Defizit von 3,4 Milliarden Euro in der Pflege
Um den Finanzausgleich in der SPV im zweiten Halbjahr 2024 überhaupt noch durchführen zu können, sei die Ausgabendeckungsquote der Pflegekassen auf eine halbe Monatsausgabe der verfügbaren Betriebsmittel reduziert worden. Gleichzeitig setze sich der Ausgabenanstieg ungebremst fort. Für das laufende Jahr rechnen die Pflegekassen mit einem Defizit von rund 1,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2025 wird es nach den jüngsten Prognosen noch einmal drastisch auf mindestens 3,4 Milliarden Euro ansteigen. Auch hier befürchten die Verbände der gesetzlichen Kranken und Pflegekassen eine Beitragssatzerhöhung von mindestens 0,2 Punkten ab, wenn der Gesetzgeber nicht handelt.
Pflegeversicherungsreform:
Bislang hatte die Bundesregierung nicht die Kraft, die prekäre Finanzsituation der Pflegeversicherung substanziell zu lösen. Die Politik fährt hier nur auf Sicht und rettet sich von Monat zu Monat. Alle bisherigen Maßnahmen wie die Absenkung der Ausgabendeckungsquote hätten lediglich vorübergehend die Liquidität gesichert, die Probleme aber nicht bei der Wurzel gepackt. So wird unter anderem eine Refinanzierung der pandemiebedingten Kosten in Höhe von 5,5 Milliarden Euro gefordert. Auf diesen Kosten „seien die Pflegekassen sitzen geblieben“, so die Verbände.
Außerdem habe die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag selbst die steuerliche Gegenfinanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige als Ziel formuliert, da es sich hierbei um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht um eine Versicherungsleistung handelt. Die Verbände der Pflegekassen drängen darauf, beide Maßnahmen jetzt umzusetzen, um die Leistungsfähigkeit der Sozialen Pflegeversicherung nachhaltig abzusichern.
„Tragende Säulen des Sozialstaates drohen nachhaltig Schadne zu nehmen“
Die Verbände der Kranken- und Pflegekassen fordern die Politik auf, ihrer Verantwortung für die sozialen Sicherungssysteme gerecht zu werden und in den laufenden Haushaltsberatungen die notwendigen Steuermittel zur Stabilisierung von Kranken- und Pflegeversicherung einzuplanen. Anderenfalls drohen tragende Säulen des deutschen Sozialstaates, die einen zentralen Beitrag zur Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts leisten, nachhaltig Schaden zu nehmen, befürchten die Verbände der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen.