Hinzu kommen individuelle Beitragserhöhungen aufgrund der Schadenentwicklung bei den Versicherern. Mit detaillierten Angaben zur Höhe der Beitragsanpassungen tun sich viele Versicherer schwer. Deutlicher wird dagegen Vema-Vorstand Dr. Johannes Neder: „Da nun auch kleinere Schadensfälle zu immer höheren Schadenszahlungen führen, mussten bei den meisten Versicherern natürlich die Kalkulationen in den gewerblichen Sachsparten angepasst werden. Während dies im Gebäudebereich meist recht einheitlich über den Index stattfand, waren es im Inhaltsbereich von Anbieter zu Anbieter etwas unterschiedlich. Unterm Strich darf man aber wohl von Prämienanpassungen zwischen zehn und 15 Prozent ausgehen, wobei vereinzelte Akteure Anpassungen von mehr als 25 Prozent umgesetzt haben“, sagt Neder.
Und auch für 2024 erwarten die Vertriebsexperten, dass die Versicherer weiter ansteigende Schadenaufwendungen werden stemmen müssen. „Gerade in der Sachversicherung schlagen die Wetterereignisse der vergangenen Monate zu Buche“, ergänzt Michael Schwarz, Leiter Sachversicherungen bei MLP. Der Finanzvertrieb rechnet in diesem Jahr mit weiteren Preisanpassungen. „Sowohl in den Sachsparten als auch im Flottengeschäft, in dem die Versicherer ebenfalls höhere Aufwendungen verzeichnen“, sagt Schwarz.
Das heißt aber nicht, dass grundsätzlich alles für alle teuer geworden ist oder wird. Denn die Auswirkungen von Kostensteigerungen und Marktveränderungen sind komplex. Das Gewerbeversicherungsportal Finanzchef24 versichert rund 1.500 Berufsgruppen aus dutzenden Sparten im Einzel- und Kleingewerbesegment. Und hat dementsprechend einen guten Marktüberblick. „Die Entwicklung hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel vom individuellen Risikoprofil eines Unternehmens, seiner Versicherungshistorie, der ausgeübten Betriebsart und den spezifischen Marktentwicklungen“, sagt Rezvanian.
Bekannt ist, dass sich die Policenhöhen an dem Risiko der Betriebsart und die Prämie an Kennzahlen wie Umsatz, Mitarbeiteranzahl oder Lohnsumme orientieren. Wie groß die Prämienunterschiede am Markt sind, zeigt eine aktuelle Auswertung von Finanzchef24 unter Tausenden von Abschlussdaten. Beispiel Betriebshaftpflicht: Abbruchunternehmen zahlen derzeit im Schnitt rund 5.094 Euro im Jahr, Tragwerksplaner 3.561 Euro, Verkehrstechnikingenieure 3.164 Euro und Tiefbauer sowie Vermessungsbüros rund 2.900 Euro. Gynäkologische Praxen müssen im Schnitt mit Kosten von rund 2.500 Euro rechnen. Deutlich weniger müssen Selbstständige und Unternehmer aus anderen Branchen für ihre Policen ausgeben. Pilatestrainer, Musiktrainer oder Umweltberater zahlen im Schnitt nur zwischen 72 und 79 Euro.
Deutliche Preisunterschiede gibt es auch bei der Vermögensschadenhaftpflicht. Aktuell müssen Selbstständige im Schnitt 420 Euro pro Jahr für den Schutz aufbringen – und damit mehr als im Vorjahr, als es nur 380 Euro waren. Am meisten zahlen im Schnitt Wirtschaftsprüfer mit rund 1.750 Euro, Notare mit 1.150 Euro oder Softwarearchitekten mit rund 1.000 Euro. Deutlich weniger müssen Karriereberater, Insolvenzverwalter oder Baufinanzierungsvermittler für den Gewerbeschutz kalkulieren; sie zahlen im Schnitt zwischen rund 190 Euro und 220 Euro pro Jahr. Vermittler von Finanzdienstleistungen zahlen durchschnittlich 480 Euro und Beiräte 221 Euro. Aber auch hier gilt, dass nicht nur die Branche und die Unternehmensgröße, sondern auch der Anbieter einen Einfluss auf die Höhe der Police haben.
„Laut unseren Berechnungen beträgt die Schwankungsbreite je nach Anbieter bis zu 190 Prozent. Ein Referenzkunde aus dem Bereich Softwarearchitektur muss je nach Versicherer zwischen 289 Euro und 692 Euro hinlegen, ein Wirtschaftsprüfer zwischen 1.315 Euro und 5.705 Euro. Man sieht: Die Preise sind so unterschiedlich wie die Unternehmen, machen aber nur einen Teil neben der ebenso wichtigen Beratung aus. Weil noch teurer als ein zu hoher Preis, ist eine falsche oder nicht passende Versicherung“, sagt Rezvanian.