Der Inflationsdruck bleibt hoch. Gleichzeitig steigen die Risiken, dass wir Mitte nächsten Jahres eine Rezession erleben werden. Nach einem Jahrzehnt „big bull market“ müssen Investoren nun wieder vorsichtiger sein und folgende Regeln beachten. Erstens: das wichtigste sind die Unternehmensbewertungen. Zweitens: die Preismacht wird im Vergleich zu „so viel Skalierung wie möglich“ in der Plattformökonomie wichtiger. Drittens: Seit dem Kriegsbeginn in Europa beobachten wir die Risiken für die Märkte differenzierter.
Kein Ende in Sicht: Inflationsdruck bleibt hoch
Der Markt wies im vergangenen Jahr bereits starke Anzeichen einer Blase auf, alles war zu teuer: Aktien, Anleihen, Immobilien. Der Inflationsdruck war also vorhersehbar. Bereits vor Ausbruch von Corona setzte ein weltweiter De-Globalisierungsprozess ein, um die Produktion wieder in heimische Regionen zurückzuholen – was in der Konsequenz für Unternehmen steigende Kosten aufgrund teurerer Arbeitskräfte bedeutet. Hinzu kamen die geldpolitischen Stimulierungsmaßnahmen der Zentralbanken weltweit, um die Folgen der Pandemie abzufedern. Der Angriffskrieg auf die Ukraine verursachte einen Anstieg der Rohstoffpreise und die daraus resultierenden Kostensteigerungen bilden nun zusätzlichen Inflationsdruck. So sind die weltweiten Aktien-, Unternehmens- und Staatsanleihenmärkte seit Anfang des Jahres auch deutlich gefallen, aber der Großteil dieser Verluste wurde bereits vor der Ukraine-Krise verzeichnet.
Schwachstellen im System: wo lauern Ausfallrisiken?
Investoren werden in diesem Umfeld mittlerweile wieder vorsichtiger, dennoch ist der Markt nach wie vor nicht in der Realität angekommen. Die internationalen Aktienmärkte bleiben unbeständig, auch wenn der Krieg bislang keine starken Auswirkungen auf die meisten Märkte hatte. Die Zentralbanken besitzen weitaus mehr Wirkung. Daher passen wir unsere bereits im vergangenen Jahr ans Inflationsumfeld ausgerichtete Strategie nicht an. Aber wir reduzieren unsere Wachstumsaussichten für Europa und beobachten Risiken differenzierter. Die Sekundäreffekte bzw. -risiken sind unseres Erachtens gerade sehr besorgniserregend. Ähnlich wie zu Beginn der Finanzkrise kann im Moment niemand exakt vorhersehen, wo sich die nachgelagerten Gefahren befinden – bis sie dann tatsächlich eintreten. Unsere Priorität liegt deshalb darin, die Risiken im System frühzeitig zu identifizieren und zu analysieren.
China als Risikofaktor
Die Entkoppelung der USA von China schreitet voran. Denn Chinas technologischer Aufstieg wird als Bedrohung für die Wirtschaft und nationale Sicherheit der USA gesehen. Daher wurden bereits unter der Regierung Trump verschiedene restriktive Maßnahmen eingeführt. Diese betreffen vor allem chinesische Investitionen in den USA sowie die Kontrolle der Exporte und des Technologietransfers. Die neue Regierung unter Joe Biden setzt den eingeschlagenen Kurs fort. Eine weitere Restriktion trat nun mit dem im Jahr 2020 verabschiedeten „Holding Foreign Companies Accountable Act“ in Kraft. Demnach müssen chinesische Unternehmen, die in den USA gelistet sind, der Aufsichtsbehörde SEC binnen drei Jahren Einblick in ihre Prüfberichte geben. Nach chinesischem Recht ist dies jedoch nicht gestattet. Es droht ein Delisting an den amerikanischen Börsen. Investoren reagierten im März mit Verkäufen, weil sie realisiert haben, dass China derzeit nicht investierbar ist. Hinzu kommen unterschiedliche Positionen beider Länder im Krieg in der Ukraine sowie bislang schwer abschätzbare wirtschaftliche Folgen im weiteren Verlauf der Pandemie. Zwar hielt China seine Wirtschaft trotz der Pandemie offen, aber das Land hat noch keine immune Bevölkerung. China kann daher unseres Erachtens einige Ausfallrisiken bergen, auch weil echte Probleme für eine Weile versteckt gehalten könnten.
Lateinamerika mit attraktiven Bewertungen
In einem anhaltend inflationären Umfeld konzentrieren wir uns auf attraktiv bewertete Unternehmen, die in der Lage sind, ihre Marge zu wahren und somit die nachgelagerte Inflation über ihre Verkaufspreise weiterzugeben. Regional gesehen sind wir mit circa 60 Prozent am stärksten in US-Unternehmen investiert, Japan und Europa machen jeweils circa 10 Prozent aus und Lateinamerika ist mit ca. 15% ebenfalls stark vertreten. Tatsächlich bieten Unternehmen in Lateinamerika derzeit attraktive Bewertungen, zudem sind hier auch viele Rohstoffexporteure zu finden. Ansonsten haben bspw. Unternehmen aus dem Hotel- und Tourismussektor eine starke Preismacht – die „old economy“ wird also wieder interessant.