Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: Der Verlauf des Goldpreises glich im Jahr 2023 einer Achterbahnfahrt. Stieg die 31,1 Gramm schwere Feinunze allein im Januar um 150 auf 1950 Dollar, folgte ein ebenso schneller Absturz im Februar. Der März brachte eine erneute Wende mit sich, als der Finanzsektor eine massive Krise erlebte: Während in den USA mehrere Regionalbanken strauchelten oder gar pleitegingen, konnte die Schweizer Großbank Credit Suisse nur durch die Übernahme der UBS gerettet werden. Die Bilanz beim Goldpreis: plus neun Prozent binnen weniger Wochen.
Von ihrem Anfang Mai erreichten Jahreshoch bei rund 2050 Dollar bröckelte die Notierung bis Anfang Oktober auf knapp über 1800 Dollar ab. Erst der Überfall der Hamas auf Israel hauchte dem gelben Edelmetall wieder neues Leben ein und hievte es innerhalb von nur vier Wochen einmal mehr über die psychologisch wichtige Marke von 2000 Dollar – Gold wurde seinem Ruf als Krisenwährung gerecht. Seit den 1990er Jahren erreichte das edle Metall laut einer Untersuchung des Schweizer Bankhauses J. Safra Sarasin in unterschiedlichen Krisenzeiten und Rezessionen im Durchschnitt eine Rendite von sieben Prozent. US-Aktien hatten hingegen gemessen am Standardwerte-Index S&P 500 während dieser Krisenzeiten im Schnitt 17,2 Prozent ihres Wertes verloren.
Trotz etlicher Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank und die US-Notenbank Fed, die eigentlich schlecht für den Goldpreis sind, durften sich Anleger bis Ende November über ein Plus von rund acht Prozent freuen. Hohe Zinsen belasten die Nachfrage nach Gold, das keine laufenden Erträge abwirft und somit im Vergleich zu anderen als sicher geltenden Geldanlagen an Attraktivität verliert. Und die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen, die als Referenz für Opportunitätskosten der Goldhaltung gelten, überstieg Ende Oktober erstmals seit 2007 die Schwelle von fünf Prozent.
Zentralbanken decken sich mit Gold ein
Als größter Treiber der physischen Goldnachfrage erwies sich die Nachfrage der Zentralbanken, deren Nachfrage den Markt im schon im vergangenen Jahr prägte. Zu den Käufern zählten allen voran China, Russland, die arabischen Staaten, Singapur und die ehemaligen Ostblockstaaten wie Polen und Ungarn. „Obwohl der Rekord für das dritte Quartal 2022 nicht erreicht wurde, hat die Nachfrage im bisherigen Jahresverlauf 800 Tonnen erreicht, was einen neuen Rekord für unsere Datenreihe darstellt“, schrieben die Autoren des World Gold Council in ihrem vierteljährlichen Bericht über die Nachfragetrends im dritten Quartal. Die Analysten gehen davon aus, dass die starke Kaufwelle der Zentralbanken auch in den letzten drei Monaten des Jahres anhielt.
Die gesamte Nachfrage nach physischem Gold belief sich nach Angaben des World Gold Council von Juli bis September auf insgesamt 1.147 Tonnen. Dies entspricht zwar einem Rückgang von sechs Prozent gegenüber dem dritten Quartal 2022. Betrachtet man indes den langfristigen Trend, so ist die Nachfrage im Vergleich zum Fünfjahresdurchschnitt um acht Prozent gestiegen. Die Investitionsnachfrage summierte sich zwischen Juli und September auf 157 Tonnen. Dies war zwar 56 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, lag aber deutlich unter dem 5-Jahres-Durchschnitt von 315 Tonnen. Abflüsse von 139 Tonnen gab es angesichts des hohen Zinsniveaus bei Gold-ETFs. Auch die Nachfrage von Anlegern nach Barren und Münzen ging um rund 14 Prozent von 344,2 auf 296,2 Tonnen zurück.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, warum der Goldpreis überhaupt steigt. „Es gibt mehrere Faktoren, die den Anstieg des Goldpreises beeinflussen. Einer der wichtigsten Gründe ist die Unsicherheit auf den Finanzmärkten und die instabile politische Lage in vielen Teilen der Welt. In Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen suchen Investoren nach sicheren Häfen für ihr Kapital und Gold gilt als eine der stabilsten Optionen. Auch die niedrigen Zinsen spielen eine Rolle. Und schließlich trägt auch die steigende Nachfrage aus China und Indien zum Anstieg des Goldpreises bei“, sagt Herbert Behr, Vorstand der Golden Gates Edelmetalle AG aus Görlitz. All diese Faktoren zusammen hätten dazu geführt, dass der Preis für das Edelmetall stark gestiegen sei – ein Trend, der voraussichtlich noch einige Zeit anhalten werde.
Alexander Beffert, Geschäftsführer bei der Vermögensbutler GmbH im schwäbischen Ditzingen, sieht Gold als Versicherungsprämie gegen den Vertrauensverlust in Papierwährungen und sich hartnäckig haltende Inflation. „Gold hat alle Krisen der letzten 5.000 Jahre überlebt“, unterstreicht Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter bei der Mannheimer Independent Capital Management Vermögensberatung. Als Preistreiber sieht er vor allem die Knappheit von physischem Gold. „2022 wurden 3.618 Tonnen im Gegenwert von rund 0,21 Billionen Dollar gefördert“, rechnet er vor. Hingegen seien in Aktien rund um den Globus circa 96 Billionen Dollar investiert. „Sollte nur jeder hundertste Aktienbesitzer in Gold diversifizieren wollen, ergäbe sich eine Nachfrage, die dem Volumen der nächsten vier Jahresproduktionen entspricht“, so Ehlhardt. Grund genug für ihn, einen kräftigen Anstieg des Goldpreises auf bis zu 3.000 Dollar je Unze zu prognostizieren.
Zunehmende Verschuldung stützt den Goldpreis
Maik Bolsmann kann dem wenig abgewinnen. „Die anhaltende Inflation spricht gegen ein Investment, da Gold keine Zinsen abwirft und Geld immer dahin geht, wo es am meisten zu verdienen gibt“, meint der Geschäftsführer bei der Kölner B&K Vermögen – und schneidet damit ein heiß diskutiertes Thema an. In den USA und der Euro-Zone ist die Teuerung im November stärker zurückgegangen als erwartet und heizte die Phantasie mit Blick auf mögliche Zinssenkungen der Notenbanken an. Sollte aus dem Traum vieler Marktteilnehmer Realität werden, dürfte dies den Goldpreis nach oben hieven.
Unter Edelmetallexperten weniger umstritten ist die Wirkung der zunehmenden Staatsverschuldung. „Strukturell werden hohe Goldpreise von einem weiterhin sehr hohen Verschuldungsgrad der USA, aber auch des Westens unterstützt“, bringt es Leopold Zellwecker, Leiter Portfoliomanagement bei Steinbeis & Häcker in München, auf den Punkt. Im laufenden Haushaltsjahr stieg das Defizit in den USA um 1,7 Billionen Dollar, was die Außenstände auf nunmehr über 33 Billionen Dollar brachte. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren umfasste der Schuldenberg der Vereinigten Staaten noch 16,7 Billionen Dollar.
„Immer, wenn die Rendite zweijähriger US-Staatsanleihen, die eng mit dem US-Leitzins korreliert, zu sinken begann, wurde eine Aufwärtsbewegung beim Goldpreis eingeläutet“, sieht Finanzökonom Christian Hick einen weiteren Grund für steigende Notierungen. „Die US-Notenbank wird wohl im ersten Halbjahr 2024 den ersten Zinsschritt nach unten machen“, ist der zertifizierte Finanzplaner überzeugt.
Direktinvestment als Versicherung
Anleger, die von weiter steigenden Goldpreisen ausgehen, können sich auf unterschiedliche Weise im gelben Edelmetall engagieren. „Wer sich für ein Worst-Case-Szenario vorbereiten möchte, sollte Gold als monetäre Versicherung physisch und mit möglichst wenig Gegenparteirisiko halten. Wer Performance machen will, kann ETF, Derivate oder Minenaktien kaufen“, zeigt Edelmetallexperte Christian Hick die wichtigsten Herangehensweisen auf.
„Die effizienteste Form eines Goldinvestments ist der Kauf von physisch hinterlegten Gold ETCs wie Xetra Gold oder Euwax Gold“, ergänzt Matthias Braunwalder, Leiter Portfoliomanagement bei der Münchener Partners Vermögensmanagement AG. ETCs, das Kürzel steht für Exchange Traded Commodity sind für Rohstoffe und Edelmetalle das, was ETFs für Aktien sind. Als Beimischung eines Vermögensportfolios senke man damit die Schwankungsintensität des liquiden Anlagevermögens und hat dabei gleichzeitig die geringsten Handelskosten, erläutert Braunwalder. „Ein Direktinvestment in Gold erfüllt den Versicherungseffekt von Gold am besten, da jegliches Gegenparteirisiko ausgeschlossen werden kann. Einige Banken bieten bereits die Möglichkeit an, Gold in Schweizer Tresoren zu konkurrenzfähigen Konditionen zu lagern“, weiß Leopold Zellwecker, Leiter Portfoliomanagement bei Steinbeis & Häcker in München.
Neben dem klassischen Kauf von Barren und Münzen rät auch er zu entsprechende ETFs und ETC´s zu erwerben. „Sie bieten Anlegern die Möglichkeit, in die Entwicklung des Goldpreises zu investieren, ohne selbst physisches Gold zu besitzen“, so Zellwecker. Rechtlich unterscheiden sich diese jedoch dahingehend, dass ETF´s sogenanntes Sondervermögen darstellen, während ETCs börsengehandelte Schuldverschreibungen sind, die bei einer Pleite der Insolvenzmasse zugeschlagen werden.
Minenaktien mit Preishebel
Trotz des deutlichen Anstiegs des Goldpreises in 2023 kamen Goldproduzenten gemessen am MSCI Global Gold Miners-Index während dieser Zeit nur 1,5 Prozent voran. „Obwohl die weltweite Goldförderung in diesem Jahr höher ausfiel als je zuvor, befinden sich auch die Produktionskosten je Unze Gold auf absolutem Rekordniveau“, erklärt Georg Hochwimmer, Gründer des Münchner Rohstoffanalyse-Hauses General Research. Geschäftlich laufe es bei den Goldproduzenten gleichwohl sehr gut, so der Szenekenner, der regelmäßig Produktionsstätten besucht, um vor Ort ein besseres Gefühl für die aktuelle Lage zu bekommen. „Sie erwirtschaften einen hohen freien Cashflow, steigern ihre operativen Margen haben ihre Schulden deutlich reduziert.“ Im Vergleich zu Gold hält er Goldminen vor diesem Hintergrund derzeit für historisch niedrig bewertet.
Minenunternehmen profitieren überproportional von einem steigenden Goldpreis, fallen aber auch stärker, wenn das Edelmetall an Wert verliert. Mit einem ETF wie dem UBS Solactive Global Pure Gold Miners (ISIN IE00B7KMNP07) investieren Anleger kostengünstig in die Top-Unternehmen der Goldbergbau Branche, die mindestens 90 Prozent ihrer Einnahmen mit dem Goldabbau erwirtschaften. Der VanEck Junior Gold Miners (IE00BQQP9G91) wiederum bietet Zugang zu Junior-Unternehmen der Gold- und Silberbergbau Branche weltweit, die mindestens die Hälfte ihrer Einnahmen in diesem Bereich erzielen. Ein aktiv gemanagter Fonds, der mit einem Plus von 57 Prozent auf Sicht der vergangenen fünf Jahre überzeugen konnte, ist der Schroder ISF Global Gold. Neben Gold mischt Portfoliomanager James Luke auch Silber und die Platinmetalle bei. Die am höchsten gewichteten Einzelwerte waren zuletzt der weltgrößte Goldproduzent Newmont Gold die kanadische Agnico Eagle und die südafrikanische Gold Fields.
„Gold bleibt der sachkapitalistische Klassiker mit Perspektive. Mit der Zinsentspannung in Amerika und insofern Dollar-Beruhigung ist die Bühne für einen Goldpreis deutlich über 2.000 Dollar je Unze im nächsten Jahr bereitet. Stützend wirkt zudem, dass die internationalen Notenbanken weiter Goldbestände anhäufen“, so Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Insbesondere China treibe seine „Unabhängigkeitsbewegung“ von US-Anleihen voran und kaufe so viel Gold wie kein anderes Land.
Trotz der positiven Perspektiven sollten Anleger auf dem Boden bleiben, rät Stephan Witt von der Finanzberatung Finum Private Finance in Berlin: „Man muss in der Gesamtstruktur berücksichtigen, dass Gold eben keine Zinsen und Dividenden bezahlt. Zusätzlich sehen wir in anderen Anlageformen deutlich bessere Wachstumschancen. Gerade als Krisenwährung kann Gold im Depot stabilisierend wirken, sollte aber zugunsten der langfristigen Wertentwicklung nicht zu stark gewichtet werden.“ Der Anlagestratege rät zu einer Portfoliobeimischung von fünf bis zehn Prozent.“
Autor Christian Euler ist Buchautor und Wirtschaftsjournalist.