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Gold: FOMO als neuer Treiber?

Foto: Bildagentur PantherMedia / scanrail
Der Goldpreis sollte auch in den kommenden Monaten hoch bleiben.

Gold befindet sich derzeit in einem Bullenmarkt, da sind sich die Experten einig. Die Frage, die sich mittlerweile viele Anleger stellen, wie lange noch? Schwingt sich der Preis für das Edelmetall weiterhin von Rekordhoch zu Rekordhoch? Viele Faktoren sprechen dafür

Donald Trump bewegt – politisch, aber auch wirtschaftlich. Ein Beleg dafür ist die Entwicklung der US-amerikanischen Börsenindizes. Sie alle traten am 5. November, nachdem sich immer klarer abzeichnete, dass der republikanische Präsidentschaftskandidat das Rennen um das Weiße Haus würde für sich entscheiden können, den Weg Richtung Norden an. Zwischen dem 5. und 8. November stieg der Dow Jones um 4,2 Prozent, während der breite S&P 500 5,14 Prozentpunkte zulegte. Der Technologieindex Nasdaq kletterte gar um 5,8 Prozent. Und Gold? Hier ging es im genannten Zeitraum abwärts, und zwar um 2,1 Prozent. Allerdings ist das vermutlich nur eine temporäre Delle – der Redaktionsschluss war der 11. November. „Trumps Sieg wird wahrscheinlich die Nachfrage nach US-Goldmünzen und -barren dämpfen, weil die amerikanischen Wähler dazu neigen, mehr Goldbarren zu kaufen, wenn ein Demokrat im Weißen Haus sitzt. Aber wie sich das auf die Goldpreise während seiner zweiten Amtszeit auswirken wird, ist noch nicht absehbar“, Adrian Ash, Director of Research bei BullionVault. Laut Ash ist es ein offenes Geheimnis in der Edelmetallindustrie, dass Amerikaner viel mehr Gold- und Silbermünzen kaufen, wenn ein Demokrat im Weißen Haus ist. Deshalb hält sich ein Großteil der Werbungen für Edelmetalle in den USA an konservative Botschaften und nutzt rechte Figuren, um Bullionmünzen zu fördern. „Das politische Muster in der Nachfrage nach US-Gold- und Silbermünzen zeigt, dass republikanische Wähler versuchen, ihr Vermögen und ihre Ersparnisse vor den wirtschaftlichen Politiken liberal-linker Verwaltungen zu schützen“, so Ash. In diesem Fall – mit einem voraussichtlich republikanischen Präsidenten ab dem kommenden Jahr – lief dieser Mechanismus genau umgekehrt ab. Während in den USA die Nachfrage nach Gold zurückging, sorgte der Wahlsieg von Donald Trump anderenorts für ein Nachfragehoch.


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„Wenn sich die US-Wahl auf die Nachfrage nach Gold als sicherem Hafen ausgewirkt hat, dann hat sie die Privatanleger in Europa viel mehr als die amerikanischen Wähler verängstigt.“, so Ash weiter. Der Goldpreis in Euro erreichte im Oktober zum achten Mal in Folge einen neuen Rekordpreis, stieg um 6,9 Prozent auf 2.517 Euro und erreichte am vergangenen Mittwoch mit 2.578 Euro pro Feinunze sein 44. neues Allzeithoch im Jahr 2024. Nachdem der Goldpreis zu Beginn des letzten Monats bereits den Rekord von 30 Euro für das gesamte Jahr 2010 erreicht hatte, verzeichnete das Edelmetall im Oktober weitere 14 neue Höchststände – ein neuer Monatsrekord. Und nicht nur das. Allein vom 1. Januar 2024 bis 11. November stieg der Preis für die Feinunze Gold in Euro um 34 Prozent.

Einer der Treiber dieses Anstiegs waren bis vor kurzem die Notenbanken, allen voran die chinesische. „Die sich verschärfenden geopolitischen Verwerfungen im Zusammenhang mit der Rivalität zwischen den USA und China sowie die Sanktionen gegen Russland nach dem Einmarsch in die Ukraine haben die Zentralbanken zu Rekordkäufen von Gold als Währungsreserve veranlasst. Allerdings haben diese Rekordkäufe bisher nur dazu geführt, dass der Anteil der Goldreserven an den gesamten Währungsreserven von 12,9 Prozent Ende 2021 auf 15,3 Prozent Ende 2023 gestiegen ist“, sagt James Luke, Fondsmanager des Schroder ISF Global Gold. Speziell bei Chinas Zentralbank passierte der massive Ankauf von Gold vor dem Hintergrund einer hausgemachten Krise. „China hat in den letzten Jahren sehr viel Gold gekauft, was ein Schutz vor möglichen Finanzsanktionen sein könnte. Falls es zu einer Auseinandersetzung zwischen Taiwan und China kommen sollte, könnte China dann immer noch international agieren“, sagt Andreas Kroll, Geschäftsführender Gesellschafter des Rohstoffhändlers Noble Elements, und führt weiter aus: „Gold hat genauso wie Cash im Sinne von Bargeld seine Berechtigung. Letztlich ist es die ultimative Währung, in die es manchmal notwendig ist zu investieren. Es gibt Marktphasen, vielleicht befinden wir uns derzeit auch in einer solchen, in der es vielen Menschen sinnvoll erscheint, möglichst viel Cash zu halten. Gerade dann aber ist Gold sicherlich die bessere Variante als Bargeld.“ Für die meisten Anleger ist das Edelmetall aber wohl weniger Renditeinstrument als vielmehr Wertspeicher und erfüllt zudem eine wichtige andere Funktion. „Gold bietet sich als nützliches Instrument zur Portfoliodiversifizierung an. Dies ist insbesondere in einer Phase interessant, in der die Aktienbewertungen vor allem in den USA im Vergleich zu den historischen Niveaus überzogen erscheinen und das Risiko von Gewinnenttäuschungen steigt“, sagt Vincent Denoiseux, Head of Investment Strategy – Amundi ETF, Indexing & Smart Beta. Zudem sorge auch die steigende US-Verschuldung für Nervosität unter Anlegern. In den USA sei die Verschuldung im Verhältnis zum BIP auf über 120 Prozent gestiegen, und man sehe keine unmittelbaren Anzeichen, dies in den Griff zu bekommen. „Diese Faktoren sollten in den kommenden Quartalen den Goldpreis beeinflussen“, so Denoiseux.

Aber macht es angesichts eines Goldpreises von über 2.500 Euro je Feinunze Mitte November überhaupt Sinn, jetzt noch einzusteigen und wenn ja, in welcher Form? „Es ist nie zu spät, in Gold zu investieren. Gold korreliert wenig mit anderen Anlageklassen und gilt als sicherer Hafen. Und schließlich wird Gold als Vermögenswert, der keine Zinsen bietet, dann attraktiver, wenn die Renditen anderer Vermögenswerte sinken. In dem Maß, in dem die Zentralbanken ihre Zinsen senken, wird Gold attraktiver. Historisch gesehen hat ein Rückgang der Zinssätze um ein Prozent den Goldpreis um durchschnittlich 22 Prozent steigen lassen“, sagt Benjamin Louvet, Head of Commodities bei Ofi Invest Asset Management. Und Schroders-Fondsmanager James Luke ergänzt: „Die Theorie, dass Gold eine gute Absicherung gegen langfristige Insolvenzrisiken (direkt oder über Inflation) und die Entwertung von Fiat-Währungen bietet, ist solide. Die geopolitischen Gegebenheiten werden jedoch wieder zu einem Marktproblem.“ Die Beschlagnahmung der russischen Devisenreserven und die Verschärfung der Dynamik des Kalten Krieges zwischen Ost und West haben ein erhebliches mittelfristiges Kaufinteresse von Zentralbanken und quasi-staatlichen Institutionen ausgelöst. Ein Trend, der noch viel Spielraum für weitere Entwicklungen hat, so Luke.

Bleibt die Frage, in welcher Form Anleger an der Gold-Rallye partizipieren könnenc . Neben dem physischen Kauf von Goldbarren oder -münzen, gibt es auch die Möglichkeit, über Fonds von der Entwicklung zu profitieren. Dabei verfolgen die Fondsmanager durchaus unterschiedliche Ansätze. Der Der Schroder ISF Global Gold beispielsweise enthält hauptsächlich Aktien aus dem Gold- und Edelmetallsektor. „Unsere Philosophie ist die einer aktiven Strategie und Aktienauswahl. Die besten Anlageideen werden mit Hilfe einer langfristigen Perspektive und einer eigenen Fundamentalanalyse ermittelt, um den intrinsischen Wert jedes Unternehmens im Anlageuniversum zu bestimmen. Während unserer Analyse klassifizieren wir die Chancen anhand der Ergebnisse unseres Investmentprozesses und positionieren das Portfolio entsprechend dem Makro- und Goldpreisumfeld. Je positiver die Aussichten für Gold sind, desto stärker konzentriert sich das Portfolio auf Unternehmen, die in der Goldproduktion, -förderung und -erschließung tätig sind. Sind die Aussichten weniger optimistisch, liegt der Schwerpunkt auf größeren Produzenten, Lizenzunternehmen und Goldbarren selbst. Die Kombination unserer fundierten Kenntnisse des Sektors mit einem aktiven Management zielt darauf ab, langfristig Mehrwert zu schaffen, erläutert Luke die Philosophie des Fonds. Im Mittelpunkt des globalen Goldinvestitionsprozesses stünden Recherchen auf Aktienebene und eine „Fokusliste“ von rund 90 Unternehmen, für die das Investmentteam detaillierte, langfristige Produktionsprofile und Finanzmodelle auf Einzeltitelebene erarbeite. „Unser breites Anlageuniversum bietet reichlich Spielraum, um das Portfolio je nach Makro- und Goldpreisumfeld defensiv oder offensiv auszurichten“, führt Luke weiter aus.

Der Amundi NYSE Arca Gold Bugs Ucits ETF verfolgt dagegen das Ziel, die Wertentwicklung des NYSE Arca Gold Bugs TR durch direkte Replikation nachzubilden. Der NYSE Arca Gold Bugs Index bildet Goldminenunternehmen ab, die ihre Produktion nicht langfristig absichern und somit ihr Aktienkurs stärker auf kurzfristige Schwankungen des Goldpreises reagiert. „Der NYSE Arca Gold Bugs Index ist ein Aktienindex, für im Goldbergbau tätige Unternehmen. Bugs steht dabei für „Basket of Unhedged Gold Stocks“. Mit anderen Worten bildet der Index die Wertentwicklung von Goldminenunternehmen ab, die eine relativ begrenzte Absicherung ihrer Goldproduktion auf Termin vornehmen (nicht mehr als 18 Monate im Voraus). Daher reagieren die Aktienkurse dieser Unternehmen sehr empfindlich auf kurzfristige Schwankungen des Goldpreises. Die Titel sind modifiziert gleichgewichtet. Das heißt, die Gewichtung der Titel wird durch eine absteigende Reihenfolge der in Frage kommenden Unternehmen auf Grundlage der bereinigten Marktkapitalisierung bestimmt“, erläutert Vincent Denoiseux von Amundi.
Und wie geht es beim Goldpreis weiter? Hier zeigen sich alle Marktexperten bullish, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. „Unter der Annahme, dass die Goldnachfrage aus dem asiatischen Raum, insbesondere aus China und dem Nahen Osten, im Großen und Ganzen stabil bleibt, dürfte der Wechsel der Anlegerinnen und Anleger aus den westlichen Ländern von Nettoverkäuferinnen und -käufern zu Käuferinnen und Käufern die nächste Phase des unserer Ansicht nach langfristigen Bullenmarkts für Gold einleiten. Da die Opportunitätskosten für das Halten von Gold aufgrund sinkender Front-End-Zinsen sinken und starke makroökonomische Stressfaktoren (fiskalisch, geopolitisch) weiterhin auftreten, erwarten wir, dass die Nachfrage nach Gold in den westlichen Ländern anhalten wird, so Luke. Der am besten beobachtete Indikator hierfür seien die Unzen in börsengehandelten Produkten, die eine entscheidende Wende vollzogen zu haben scheinen. Dies sei nicht überraschend, wenn man die steigenden Zinssenkungserwartungen, die höhere Rezessionswahrscheinlichkeit und, was aus struktureller Sicht am wichtigsten sei, die katastrophale Haushaltslage, die über den Köpfen (fast) aller Regierungen der Industrieländer schwebt, in Betracht ziehe.

„Wir befinden uns eindeutig in einem Bullenmarkt für Gold, wegen der geopolitischen Spannungen, aber vor allem wegen der Verschuldung der großen Volkswirtschaften. Da die Schulden in den USA, in China und in Europa immer größer werden, würde die Schuldenlast untragbar, wenn die Zinssätze steigen. Daher sollten die Realzinsen noch lange Zeit niedrig bleiben. Hinzu kommt, dass die Energiewende massive Investitionen erfordert, so dass niedrige Zinssätze wahrscheinlich die einzige Option sind. Vor diesem Hintergrund ist es schwer zu sagen, wann die Gold-Rallye enden wird“, so Benjamin Louvet von Ofi Invest Asset Management.

„Entscheidend für die weitere Entwicklung des Goldpreises werden die Finanzinvestoren sein“, so Ulrich Urbahn, Leiter Multi Asset Strategy & Research bei Berenberg. „Die Zinswende der US-Notenbank spielt eine zentrale Rolle. Bei sinkenden Realzinsen hat Gold historisch fast immer eine positive Performance gezeigt.“ Die erste Zinssenkung erfolgte im September. Damit hatten die Marktteilnehmer bereits im Vorfeld gerechnet, weshalb sich die Kapitalflüsse bei Gold-ETFs schon zuvor gedreht hatten. „Seit Juli verzeichneten Gold-ETFs Zuflüsse von über zwei Millionen Unzen, was den Goldpreis auf neue Allzeithochs getrieben hat“, ergänzt Urbahn. „Trotz der hohen Preise sieht er Potenzial für eine Fortsetzung der Rallye. Die Treiber hätten sich verändert, aber die positiven Rahmenbedingungen sprächen weiterhin für Gold. Last but not least sorgt ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor vermutlich für eine fortgesetzte Goldpreis-Rallye. Im Markt macht sich zunehmend eine „Fomo“-Stimmung breit. Dahinter verbirgt sich der Ausdruck„Fear of missing out“, also die Angst, etwas zu verpassen. Genau diese Sorge der Anleger, den Goldpreisanstieg zu verpassen, hat eine Rekordnachfrage nach dem Edelmetall ausgelöst. Zudem hat „Fomo“ dazu geführt, dass Rückgänge des Goldpreises kürzer als üblich ausgefallen waren, da Anleger die niedrigeren Notierungen zum Einstieg nutzten. 

Investmentfrage im dritten Quartal mehr als verdoppelt 

„Professionelle und institutionelle Anleger schienen unter Fomo zu leiden, als die Goldperformance wieder und wieder in die Schlagzeilen geriet“, bringt es der Branchenverband World Gold Council (WGC) in seinem jüngsten Quartalsbericht auf den Punkt. Die Tatsache, dass viele Fomo-Investoren noch nicht im Goldmarkt positioniert sind, könnte den Goldpreis weiter nach oben treiben.

Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass im dritten Quartal dieses Jahres so viel Gold gekauft wurde wie noch nie. Konkret bedeutet dies: Laut WGC wurde erstmals die Marke von 100 Milliarden Dollar überschritten. Das Volumen der weltweiten Goldnachfrage stieg in diesem Zeitraum ebenfalls auf einen Rekordwert – und zwar um fünf Prozent auf 1.313 Tonnen. „Es gibt viele Leute, die Gold kaufen wollen, wenn der Preis sinkt“, konstatiert der WGC, „sie wollten in Gold investieren, aber sie hatten es in der ersten Jahreshälfte nicht in ihrem Portfolio, aus welchen Gründen auch immer“. Vor allem westliche Investoren sind auf den Goldmarkt zurückgekehrt. Die Nachfrage nach Anlagen wie Barren, Münzen oder börsengehandelten Fonds hat sich dem Bericht zufolge im dritten Quartal mehr als verdoppelt und erreichte 364 Millionen Tonnen. Die Zuflüsse in mit physischem Gold unterlegte börsengehandelte Fondsbeliefen sich auf 94 Tonnen, eine Trendwende nach neun aufeinanderfolgenden Quartalen mit Abflüssen.

Autor: Frank O. Milewski, Cash.

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