In meiner Rolle als Investor werde ich immer wieder gefragt, ob sich Investitionen in Deutschland noch lohnen. Hierzulande betrug das Volumen der Venture-Capital-Investitionen von 2015 bis 2022 laut Statista rund 3,36 Milliarden Euro. Zum Vergleich wurden im gleichen Zeitraum in den USA Investitionen im Wert von rund 240,9 Milliarden Dollar vorgenommen – ein gewaltiger Unterschied. Oder um es positiv zu formulieren: Viele Investitionen in Deutschland warten noch darauf, getätigt zu werden.
Jetzt ist ein guter Zeitpunkt zu investieren
In Deutschland leben wir zurzeit noch in einem stabilen Land. Auch wenn unsere Regierung zu wünschen übriglässt, genießen wir einen sicheren Rechtsstaat und eine gute Infrastruktur. Diese fängt jedoch an zu bröckeln, durch Faktoren wie Rezession, Inflation oder Fachkräftemangel. Vermeintlich nimmt die Standortattraktivität also ab – es entsteht ein Investitionsvakuum.
Dieses wird zusätzlich befeuert durch die zahlreichen mittelständischen Unternehmen, die derzeit vor der Nachfolgeproblematik stehen. Dieses Überangebot eröffnet neue Chancen, Unternehmen günstig zu erwerben und damit deren Kunden und Mitarbeiter zu gewinnen. Wer jetzt eine Holding hat, kann intelligent und zukunftsgerichtet investieren und beispielsweise von vorteilhaften Steuerregelungen profitieren.
Deutschland muss endlich aufwachen
Auch wenn die Lage gerade akzeptabel ist – Deutschland hat grundlegende Probleme und muss seine eingestaubte Mentalität ändern. Unser Land ist in der Arbeitswelt geprägt von Dauer-Diskussionen über Themen wie Mindestlohn und 4-Tage-Woche. Diese stehen allerdings in keinem Verhältnis zu den eigentlichen Problemen. Es gibt eine riesen Schere zwischen dem Willen etwas zu bekommen und dem Willen etwas dafür zu tun. Wir betreiben Symptom- anstatt Ursachenbekämpfung. Der Fokus sollte sich lieber auf das Erwirtschaften, die herrschende Missgunst und mangelnde Fehlerkultur richten, statt eine immer größere Anspruchshaltung gegenüber Unternehmen und Staat zu entwickeln.
Und nicht zu vergessen, die größte Katastrophe: Der Bürokratie-Wahnsinn. Egal was man anfängt – erst einmal wartet immer eine im internationalen Vergleich nicht nachvollziehbare und vor allem fiskalische Herausforderung. Ein gutes Beispiel ist hier aus meiner Sicht das in Deutschland bestehende Thema der Betriebsaufspaltung. Es ist kompliziert, einem ausländischen Investor zu vermitteln, dass beispielsweise eine im Privatvermögen des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH erworbene und an seine GmbH vermietete Immobilie im steuerlichen Sinne ein „neues“ gewerblich geprägtes Einzelunternehmen konstruiert wird, dass aus Privatvermögen steuerliches Betriebsvermögen macht.
Das geschieht durch die zwei für das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung notwendigen Voraussetzungen der sachlichen Verflechtung und personellen Verflechtung aus einer im Privatvermögen gehaltenen Immobilie.
Fällt die Verflechtung also weg, zerbricht die Betriebsaufspaltung und man stehet vor steuerlichen Herausforderungen, von denen man oftmals erst vom Finanzamt erfährt. Ohne eigene fachliche Expertise oder entsprechende Beratung ist man also faktisch aufgeschmissen. Im Großen und Ganzen müssen Prozesse vereinfacht, transparent und zugänglicher gemacht werden.
Valuniq wäre in Amerika ein Milliarden-Unternehmen
Die USA sind ein Paradebeispiel dafür, wie die Businesswelt besser laufen kann. Ich bin mir sicher, dass wir bereits ein Milliarden-Unternehmen wären, hätten wir in Amerika gegründet. Oder eine meiner anderen Investitionen: Die Social-Media-App duso würde in Amerika viel schneller steil gehen. Mir ist es jedoch persönlich wichtig, den Standort Deutschland voranzubringen. Ich bin hier geboren, aufgewachsen und bezahle hier meine Steuern!
Die USA gilt nicht umsonst als das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ – dort ist die Aufgeschlossenheit gegenüber Fortschritt deutlich größer. Hedgefonds werden beispielsweise richtig gehyped. In Deutschland hingegen werden die wenigen Hedgefonds wie Rocket Internet äußert negativ betrachtet. Dabei haben sie großes Potenzial, die Gründerszene schneller voranzutreiben. Auch Multiinvestoren können Gründer mit finanziellen Mitteln und Know-How gezielt fördern – davon gibt es allerdings viel zu wenige in Deutschland.
Kurz gesagt: Deutschland muss seine Scheuklappen absetzen! Wir müssen und können uns mehr zutrauen. Hier reicht schon ein Blick in unser kleines Nachbarland Niederlande: Hier wird bei einer überwältigenden Mehrheit an Unternehmensgründungen direkt eine Holding einbezogen. Bei uns hingegen hat die Holding immer noch Seltenheitswert. Ich hoffe, Unternehmer hören auf sich zu verstecken und treten in Zukunft stärker auch als Vorbilder auf.
Infobox:
Eine Betriebsaufspaltung entsteht durch die zwei notwendigen Voraussetzungen der sachlichen Verflechtung (Überlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage – „Steine“ sind im Deutschen Steuerrecht immer wesentlich) und personellen Verflechtung (Beherrschung der operativen GmbH und der wesentlichen Betriebsgrundlage) aus einer im Privatvermögen gehaltenen Immobilie (dies ist nur ein Beispiel und kann sich auch auf Patente etc. und anderer Betriebsgrundlagen erstrecken). Dies geht einher mit allen negativen steuerlichen Folgen bei einem, gewollten oder ungewollten, Beenden einer der beiden Voraussetzungen der sachlichen oder personellen Verflechtung, zum Beispiel bei Veräußerung der betrieblich genutzten Immobilie in der Zukunft.
Jörg Kintzel ist Vertriebsvorstand der Valuniq AG.