Gothaer Anlegerstudie: 61 Prozent der Deutschen halten Niedrigzinspolitik der EZB für falsch

Die Zahl der Kritiker an der Niedrigzinspolitik erreicht ein neues Rekordniveau. 2019 hielten 53 Prozent der Bundesbürger diese Politik für falsch, 2020 sind es sogar 61 Prozent. Klima- und Umweltschutz bei der Geldanlage sind für 44 Prozent der Deutschen die wichtigste Facette von Nachhaltigkeit. Bisher investieren jedoch nur sechs Prozent der Anleger in nachhaltige Fonds. Die Sicherheit der Geldanlage ist der wichtigste Faktor bei der Auswahl der Anlageform, dicht gefolgt von dem Wunsch nach Flexibilität.

Christof Kessler: „Die Zinspolitik der EZB verliert immer stärker an Rückhalt.“

 

Das sind einige Ergebnisse einer repräsentativen Studie zum Anlageverhalten der Deutschen, die die Gothaer Asset Management AG (GoAM) von der forsa Politik- und Sozialforschung im Januar 2020 bereits zum elften Mal durchführen ließ.

Das aktuelle Meinungsbild zur anhaltenden Niedrig- beziehungsweise Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank ist somit deutlich negativer als im Vorjahr: Gerade einmal 29 Prozent der Befragten halten die Leitzinspolitik der EZB für richtig.

Eine deutliche Mehrheit mit 61 Prozent, der höchste bisher gemessene Wert seit 2016, hält sie dagegen für nicht richtig. Die schärfsten Kritiker befinden sich in der Altersgruppe der über 60-Jährigen. Dort halten 66 Prozent die Niedrigzinspolitik für falsch.

Eine starke Meinungsänderung ist zudem in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen zu verzeichnen. Waren 2019 noch 47 Prozent von der Niedrigzinspolitik überzeugt, sank die Zustimmung 2020 um 17 Prozentpunkte auf 30 Prozent.

„In Zeiten von Negativzinsen ist es nicht verwunderlich, dass die Zinspolitik der EZB immer stärker an Rückhalt in der Bevölkerung verliert. Schließlich treffen die Folgen vor allem auch die Kleinanleger, die um ihre Altersvorsorge bangen,“ erklärt Christof Kessler, Vorstandssprecher der Gothaer Asset Management AG.

Umwelt- und Klimaschutz als wichtigste Facetten von Nachhaltigkeit

Das Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz ist bei den Bundesbürgern ausgeprägt. Auf die Frage, welche Facette von Nachhaltigkeit – Umwelt- und Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit oder verantwortungsvolle Unternehmensführung – ihnen am wichtigsten sei, nannten 44 Prozent der Befragten den Umwelt- und Klimaschutz an. Bei den 18- bis 29-Jährigen sind es sogar 68 Prozent, gefolgt von den 45- bis 59-Jährigen, wo 42 Prozent dieser Aspekt am wichtigsten ist.

53 Prozent der Befragten sind sogar bereit, in eine nachhaltige Geldanlage zu investieren, auch wenn sie gleichzeitig eine geringere Rendite erhalten würden. Besonders ausgeprägt ist diese Einstellung bei den 18- bis 29-Jährigen (60 Prozent). Derzeit investieren jedoch erst 6 Prozent der deutschen Bürger in nachhaltige Fonds.

Sichere Anlage im Fokus

Das wichtigste Anliegen der Befragten bei der Geldanlage ist weiterhin die Sicherheit mit 52 Prozent. Dennoch ist dieser Wert im Vergleich zum Vorjahr um 5 Prozentpunkte (2019: 57 Prozent) gesunken. Flexibilität in der Anlage spielt für 31 Prozent die wichtigste Rolle (2019: 29 Prozent). Eine hohe Rendite hat nach wie vor nur für eine kleine Minderheit von 10 Prozent die größte Bedeutung (2019: 9 Prozent).

Wie legen die Deutschen ihr Geld an? An erster Stelle liegt nach wie vor das Sparbuch mit aktuell 48 Prozent. Aber auch Lebensversicherungen erfreuen sich mit 30 Prozent (2019: 29 Prozent) großer Beliebtheit, Fonds bleiben mit 24 Prozent (2019: 26 Prozent) relativ konstant. Ein deutlicher Rückgang ist bei der Anlage in Immobilien zu verzeichnen: 2019 betrachteten 36 Prozent der Befragten Immobilien als bevorzugte Anlageform, 2020 sind es nur noch 32 Prozent.

Interesse an Immobilienfonds sinkt deutlich

Die Bundesbürger, die in Fonds investieren, setzen weiterhin vor allem auf Aktien- und Mischfonds mit 42 Prozent und 40 Prozent. Einen starken Rückgang verzeichnen hingegen offene Immobilienfonds: Waren es 2019 noch 15 Prozent, sank die Nachfrage der Anleger 2020 um fünf Prozentpunkte auf zehn Prozent. In Nachhaltigkeitsfonds investieren bisher sechs Prozent der Deutschen, diese Fondskategorie steht damit noch am Anfang.

Auffällig ist dabei, dass die 18- bis 29-Jährigen am ehesten in nachhaltige Fonds investieren würden (60 Prozent), sie ihre Ersparnisse aber größtenteils noch in Sparbüchern angelegt haben (60 Prozent).

Dazu Christof Kessler: „Diese Ergebnisse zeigen die Auswirkungen der politischen Diskussion zum Thema Klimaschutz und Klimawandel. Die große Bedeutung dieses Themas für die jüngere Generation spiegelt sich auch in der hohen Bereitschaft wider, in nachhaltige Fonds zu investieren. Allerdings haben Jüngere, wie die 18- bis 29-Jährigen, in ihrer Lebensphase häufig noch nicht die Mittel, um dies auch zu realisieren. Dennoch lässt sich anhand dieser Ergebnisse ein Zukunfts-Trend erkennen.“

Fonds und Aktien lassen höhere Renditen erwarten

Nach Anlageformen mit höherer Renditeerwartung gefragt, nennen 29 Prozent der Befragten an erster Stelle die Aktien. Das sind drei Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr. Immobilien werden deutlich weniger oft genannt als im Vorjahr mit einem Minus von vier Prozentpunkten gesunken auf 27 Prozent. Fonds sehen konstant 16 Prozent der Befragten als lukrativ an (2019: 15 Prozent). 33 Prozent der Befragten konnten keine Alternative benennen (2019: 34 Prozent).

Mehr Sorgen und Ängste

Lag die Angst vor einer Inflation 2019 noch bei 58 Prozent, ist diese 2020 um 4 Prozentpunkte auf 62 Prozent gestiegen. 47 Prozent der Befragten befürchten nach wie vor, dass die getätigten Geldanlagen nicht ausreichen werden, um den aktuellen Lebensstandard zu halten. Die Angst vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone ist – vermutlich durch den Brexit – von 24 Prozent im Jahr 2019 auf 27 Prozent deutlich gestiegen. (dr)

Foto: Gothaer

 

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