„Die Versicherungswirtschaft muss über neue Verkaufsansätze nachdenken“

Oliver Brüß ist seit Mai 2016 Vertriebsvorstand der Gothaer. Der gelernte Versicherungskaufmann sprach mit Cash. über den steigenden Kostendruck im Versicherungsvertrieb, das neue Vorsorgekonzept des Kölner Versicherers, die Riester-Rente und die künftige Bedeutung des Maklerkanals für sein Unternehmen.

Oliver Bruess Gothaer
Oliver Brüß: „Die Versicherungswirtschaft muss sich mit einem Strategieschwenk beschäftigen.“

Cash.: Der Kostendruck im Versicherungsvertrieb nimmt zu: Wie geht es weiter mit der Abschlussprovision und den laufenden Kosten?

Brüß: Mit einem künftigen Höchstrechnungszins von 0,9 Prozent ist es fast nicht mehr möglich, Beitragsgarantien darzustellen – mal abgesehen von dem Fall, dass die Laufzeiten sehr lang gewählt werden. Nur wenn die Branche massiv an die Kosten rangeht, halte ich dies auch in Zukunft für leistbar. Die Versicherungswirtschaft muss sich mit einem Strategieschwenk beschäftigen. Dazu gehört auch, über neue Verkaufsansätze nachzudenken. Renditen und Steuervorteile sind Verkaufsansätze der Vergangenheit, das funktioniert so nicht mehr.

Was schlagen Sie also vor?

Wir sollten uns auf das besinnen, was wir sehr gut können: Die Abdeckung biometrischer Risiken. Langlebigkeit, Invalidität, Pflegebedürftigkeit abzusichern, das ist unsere Kernkompetenz – das kann kein Fonds und kein Sparplan. Diese Tatsache muss in den Vordergrund gerückt werden und das haben wir mit unserer neuen Produktpalette zum 1. Juli 2016 auch getan. Im Rahmen des neuen Vorsorgekonzepts haben wir uns von den klassischen Garantien verabschiedet und eine „neue Klassik“ an den Start gebracht: Die Gothaer Zukunftsvorsorge.

Es gibt sie in zwei Ausprägungen – eine sogenannte Gothaer Garantie-Rente sowie eine Garantie Rente Performance. Beiden Produktinnovationen ist gemein, dass sie auf die veränderten Kundenerwartungen aufsetzen. Früher stand die Rendite beim Kunden ganz oben, heute ist es Sicherheit. Wir bieten dem Kunden eine endfällige Garantie und zugleich ein hohes Maß Flexibilität: ein Kapitalwahlrecht, eine Verrentung oder eine Mischung aus beidem. Um es zusammenzufassen: In dem Produkt besinnen wir uns auf das Kernthema Absicherung des Langlebigkeitsrisikos.

Tatsächlich entscheidet sich aber gut jeder zweite Versicherte in Deutschland gar nicht für die Verrentung und damit die Absicherung eines langen Lebens, sondern für die einmalige Kapitalabfindung. Wie gehen Sie damit um?

Stand heute ist das so, da gebe ich Ihnen Recht. Das liegt aber auch daran, dass die gefühlte Rentensituation nie besser war als heute. Leider sendet die Politik mit der jüngsten Rentenerhöhung die falschen Signale, denn diese geht zu Lasten der zukünftigen Generation. Ich bin überzeugt davon, dass sich der Anteil der Menschen, die sich in den nächsten 20 bis 30 Jahren für die Verrentung entscheiden, massiv zunehmen wird – einfach, weil sie auf die private Zusatzrente angewiesen sein werden.

Seite zwei: „Riester ist aus meiner Sicht eine echte Erfolgsstory

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