Der Krieg in Osteuropa hat nicht nur Zehntausende Menschenleben gefordert und enorme Schäden verursacht – er hat auch den Übergang in eine neue Weltordnung vollendet. „Auf die Globalisierung folgt der Großmachtwettbewerb um die weltweite Vormachtstellung zwischen den USA und China“, analysierte Engels. Waren bislang die tonangebenden Staaten an einem internationalen System regelgebundener Kooperation interessiert, so überwiegt nun der Argwohn. In diesem Umfeld steigen die Sicherheitsbedürfnisse. Aus Sicht nationaler Regierungen erscheint es daher rational, strategische Abhängigkeiten zu reduzieren und sicherheitspolitische Risiken zu minimieren – auch um den Preis von Wohlstandsverlusten. „Wirtschaftspolitik wird zu einem Teil der Sicherheitspolitik“, erläuterte Engels.
Der Globalisierungsschub der vergangenen 40 Jahre dürfte damit auslaufen. „Wir werden weiter grenzüberschreitenden Handel und globale Produktionsketten haben“, ist der Kapitalmarktstratege überzeugt. „Aber Politiker und Unternehmenslenker werden künftig die Möglichkeit internationaler Krisen und weiterer Pandemien verstärkt ins Kalkül ziehen. Unter Partnern sind strategische Abhängigkeiten in den Lieferketten und speziell bei Rohstoffen kein Problem – aber diese Zeiten sind vorbei“, sagte Engels. Denn wenn Handelspartner sich zu geopolitischen Rivalen entwickeln, werden Abhängigkeiten zum existenziellen Risiko. „Die Resilienz wichtiger Lieferketten und eine größere Diversifizierung bei der Energieversorgung werden zum strategischen Imperativ. Daher gewinnen Near- und Friendshoring an Bedeutung“, folgerte er. Mit anderen Worten: Lieferketten und Produktionsstandorte werden teilweise zurückverlagert ins eigene Staatsgebiet oder zu befreundeten Ländern.