EXKLUSIV

Greentech-Expertin Elke Freimuth: Worauf es beim grünen Gründen ankommt

Elke Freimuth
Foto: Florian Sonntag
Elke Freimuth am Ostesee in Belum (Niedersachsen)

Cash. sprach mit Elke Freimuth, Gründerin der Naturschutzorganisation wilde-natur.org, über die Projekte der Organisation, grünes Gründen und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim Umweltschutz.

Frau Freimuth, wilde-natur.org ist eine junge Naturschutzorganisation. Was machen Sie genau, welche Ziele und Projekte haben Sie?

Freimuth: Unsere Vision ist, jungen Menschen dabei zu helfen, grüne Unternehmen zu gründen und die Welt dadurch besser zu machen. Ich komme aus der Wirtschaft und dem E-Commerce und will mein Know-how jetzt für die Natur einsetzen. Wir entwickeln Apps, programmieren Algorithmen – und das alles für die Natur. Als 2020 die Corona-Pandemie ausbrach, habe ich die Start-up AG gegründet, an der Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland teilnehmen können. Wir treffen uns einmal pro Woche und entwickeln grüne Projekte. Das erste Projekt war der Onlineshop wildvogel-futter.de. Dafür haben wir ein klassisches Shopsystem aufgesetzt und einen heimischen Landwirt gefunden, der auf 34 Hektar Wildvogelfutter anbaut. Beim zweiten Projekt haben die Schüler einen Algorithmus zur Pflanzenauswahl entwickelt, um mehr Grün in den urbanen Raum zu bringen. Das dritte Projekt ist eine Bienenschutz-App. Es ist also immer ein digitaler Bezug dabei. Alle Projekte sind in unsere Naturschutzorganisation eingebettet.

Wie ist die Idee zur Gründung entstanden?

Freimuth: Ich bin vor einigen Jahren aus Berlin zurück in meine Heimat nach Belum (Niedersachsen) gezogen und wohne hier direkt an einem Naturschutzgebiet. Vielleicht hat mich dieses Naturschutzgebiet, mit den vielen wilden Tieren um mich herum, für den Umweltschutz sensibilisiert. Als ich noch in Berlin lebte, hatte ich das nicht so auf dem Schirm. Ich weiß noch, dass ich einmal hier im Garten gesessen und mich gefragt habe, ob ich mein Know-how für die Natur einsetzen will. Und meine Antwort war: Ja, das will ich. Es macht Sinn und muss sein. Ich wollte einfach etwas Gutes tun. Vielleicht hat das mit diesem Ort zu tun.

Wie engagiert sind Schülerinnen und Schüler beim Thema Naturschutz?

Freimuth: Einige Schulen wollten, dass die Start-up AG verpflichtend ist. Aber das wollte ich nicht, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass die Schüler erst dann richtig dafür brennen, wenn sie aus eigenem Antrieb teilnehmen. Als ehemalige Lehrerin, dann Unternehmerin und grüne Seriengründerin, habe ich gesehen, dass Unternehmertum und Umweltschutz an den Schulen überhaupt nicht vermittelt werden. Dabei ist grünes Unternehmertum die Zukunft. Und die Schüler haben wirklich tolle Ideen, sie sind clever. Man muss ihnen nur ein bisschen helfen.

Bei einem Ihrer Projekte spielt auch Künstliche Intelligenz (KI) eine Rolle. Wie wird sie von Ihnen eingesetzt?

Freimuth: Das Projekt heißt „FlunaKI“ (Flussnaturierung per KI) und hat es als KI-Pilotprojekt in die Endrunde eines renommierten Förderprogramms des Bundesumweltministeriums geschafft. Wir wollen das, was wir Menschen bereits können – Vernetzung und KI – für die Natur einsetzen, um besseren Lebensraum zu schaffen. Über 90 Prozent der Flüsse in Europa befinden sich in einem dramatisch schlechten Zustand – eine Krise, die weitgehend unbemerkt bleibt. Die Oberflächen sehen schön aus, aber wenn man sich die Messwerte anschaut, erkennt man, dass es ihnen richtig schlecht geht. Wenn die Flüsse eine Stimme hätten, würden sie schreien. Diese Umweltbelastung stellt letztlich auch eine direkte Gefährdung unserer menschlichen Gesundheit dar. Als Pilotprojekt setzen wir in der Aue, einem Nebenfluss der Oste, die KI „Nala“ zusammen mit modernsten Sensoren für die ökologische Aufwertung des Flusses ein. „Nala“ funktioniert wie ein Frühwarnsystem: Unsere KI nutzt maschinelles Lernen, um Muster in Umweltdaten zu erkennen, die für menschliche Beobachter nicht sichtbar wären. Die Sensoren senden Temperatur-, Sauerstoff- und Schadstoffwerte an die KI, die die Daten auswertet, Prognosestatistiken erstellt und Handlungsempfehlungen gibt, wie wir dem Fluss helfen können. Bisher wurden diese Werte nur einmal im Monat gemessen – die KI kann das mehrmals am Tag leisten. Künftig könnte „Nala“ auch berechnen, wie hoch eine Deicherhöhung sein muss, damit die Häuser am Ufer bei Hochwasser keinen Schaden nehmen. Deshalb ist die KI auch ein perfektes Produkt für die Rückversicherer.


Das könnte Sie auch interessieren:

Im Herbst letzten Jahres haben Sie ein Start-up-Camp veranstaltet. Worum ging es dabei?

Freimuth: Auch dahinter steckt die Idee, Jugendlichen grünes Gründen beizubringen. In der Start-up AG treffen wir uns einmal in der Woche digital für 15 bis 30 Minuten. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollten sich aber gerne auch mal offline treffen. Deshalb haben wir das Start-up-Camp angeboten und es sind direkt zwei Unternehmensideen dabei herausgekommen. Es ging darum, Unternehmensflair zu schnuppern und in Workshops etwas auf die Beine zu stellen – nicht nur in der Theorie, sondern in der Praxis. Ich wollte Hürden abbauen und zeigen, dass es nicht schwer ist, zu gründen. Man muss einfach nur ein paar Schritte beachten und sie dann gehen.

Welchen Eindruck haben Sie dabei gewonnen? Wie ist es um das grüne Gründen in Deutschland bestellt?

Freimuth: Auch wenn grünes Gründen bisher einen sehr kleinen Teil in der Start-up-Branche ausmacht, ist das Potenzial immens. Inhaltlich hat KI für einen unglaublichen Hype gesorgt und ist schon jetzt in vielen Bereichen ein kompletter Gamechanger. Unser Ziel ist es, KI gezielt als Werkzeug zu nutzen, um Lösungen zu entwickeln, die sowohl unsere Gesellschaft als auch unsere Ökosysteme nachhaltig verbessern. Die Verbindung von KI und Naturschutz wird der Schlüssel sein, um die großen ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.

Wie unterstützen Sie die Gründer?

Freimuth: Das ist vielfältig. Wir stellen den Start-ups die komplette digitale Infrastruktur zur Verfügung. Wir schreiben Förderanträge und sorgen für rechtlichen Beistand, zum Beispiel bei der App-Entwicklung. Und wir unterstützen mit Marketingbudget, sodass die Start-ups beispielsweise Anzeigen schalten können. So versuchen wir, alle Aspekte des Gründens zu vermitteln. Manche Gründer machen den Fehler, sich nur auf das Produkt zu konzentrieren. Sie unterschätzen, dass die eigentliche Arbeit erst beginnt, wenn das Produkt fertig ist, weil man sich dann um das Marketing kümmern muss.

Gibt es in Deutschland zu viele behördliche Auflagen und Genehmigungsverfahren, die das Gründen erschweren?

Freimuth: Ja, in Deutschland ist das echt viel Papierkram. Manche Förderanträge sind sehr kompliziert, da wundert es mich nicht, dass die Fördertöpfe so voll sind. Mittlerweile braucht man eine ganze Mannschaft, um die Anträge zu schreiben, und das schaffen nur die großen Start-ups. Da muss noch vieles erleichtert werden. Manche Gründer hauen uns ab, die gehen lieber nach England oder Finnland. Dort ist das Gründen sehr viel einfacher.

Elke Freimuth im Gespräch (Foto: Florian Sonntag)

Unterstützen Sie eigentlich auch bestehende Firmen dabei, grün bzw. grüner zu werden?

Freimuth: Bisher noch nicht, ich würde das für die Zukunft aber nicht ausschließen. Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht mehr zu Lasten der Natur wirtschaften dürfen, sondern dass wir nachhaltig agieren und trotzdem profitabel sein können. Wir Menschen sind eigentlich weise genug, aber das kurzfristige Gewinnstreben und die Gier kommen uns immer wieder in die Quere.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Menschen in Bezug auf den Klimaschutz müde geworden sind – und das zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt.

Freimuth: Klar ist es manchmal schwer, die Menschen für den Klimaschutz zu motivieren. Mir fällt aber positiv auf, dass der Klimaschutz mittlerweile fester Bestandteil in den Medien ist. Es gibt immer irgendwo einen Bericht über das Klima. Das gab es früher nicht, jetzt ist das Thema einfach da.

Der neue US-Präsident Donald Trump gilt als Gegner der Klimapolitik, Förderungen für grüne Energien könnten unter ihm zurückgefahren werden. Wie besorgt sind Sie, dass die weltweiten politischen Anstrengungen zum Klimaschutz deutlich nachlassen könnten?

Freimuth: Es besorgt mich, dass sich so viele Menschen „Leader“ wie Donald Trump wünschen. Gleichzeitig versuche ich meinen Fokus bewusst auf das Entwickeln von Lösungen zu lenken. Ich bin eine Macherin. Projekte wie „FlunaKI“ sehe ich unabhängig von politischen Zyklen als aktiven Beitrag zum Umweltschutz: Es spielt ja nicht nur der Biodiversität und der Klimapolitik in die Karten, sondern auch der Wirtschaft und der Katastrophenprävention.

Das Gespräch führte Kim Brodtmann, Cash.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments