Greenwashing: Auch schmutzige Fonds müssen Farbe bekennen

Schild, das vor Greenwashing warnt
Foto: Shutterstock
Künftig müssen alle Fonds sagen, auf welcher nachhaltigen Basis sie investieren.

Die Diskussion ist in vollem Gange: Während „schmutzige“ Investmentfonds der Offenlegung entkommen, müssen „nachhaltige“ Fonds explizit angeben, worauf ihre Behauptung basiert. Warum eigentlich? Jede Investition hat einen Impact auf Umwelt und Klima – und leider ist dieser bei vielen Investmentfonds negativ.

Mit der nächsten Stufe der EU-Offenlegungsverordnung fiel zum Jahreswechsel der Startschuss für noch mehr Transparenz, oder etwa doch nicht? Das Ziel der EU-Offenlegungsverordnung ist, dass private und institutionelle Investoren künftig leichter erkennen können, wie nachhaltig die einem Finanzprodukt zugrundeliegenden Investitionen sind[1]. Während jedoch „schmutzige“ Investmentfonds die Offenlegung umgehen, müssen „nachhaltige“ Fonds explizit angeben, worauf ihre Behauptung basiert. Bedenkt man dabei, dass jede Investition einen Impact – positiv wie auch negativ – hat, ist diese Entwicklung nicht besonders zufriedenstellend.

Die Investmentbranche steht Kopf

Rund die Hälfte der Fonds in Europa, die nach Artikel 9 der Offenlegungsverordnung berichten und zu strengen Reporting-Vorgaben verpflichtet sind, investieren immer noch in Kohle, Gas oder Luftfahrt, so das Ergebnis der aktuellen Studie The Great Green Investment Investigation[2], die von den Plattformen Investico und Follow the Money durchgeführt wurde Dadurch fließen über 8 Milliarden Euro der als nachhaltig gekennzeichneten Investitionen in umweltbelastende Industrien. Das bedeutet, dass die überwiegende Mehrheit der Anleger zumindest teilweise weiterhin in „schmutzige Fonds“ investiert.

Karim Chatti, Triodos (Foto: Triodos)

Irreführende Nachhaltigkeit?

Die EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) ist so konzipiert, dass die Beweislast bei den nachhaltigen Anlageprodukten liegt. Während nachhaltige Anlageprodukte über Prozesse, Daten und Berichte verfügen müssen, um ihren „grünen“ Anspruch zu untermauern, ist bei nicht nachhaltigen Anlageprodukten keine Berichterstattung erforderlich. Interessanterweise  richten aber genau diese Produkte über ihre Investments den größten Schaden an. Vor allem bei ihnen sollte denn auch der dringend benötigte Wandel stattfinden. Damit bietet die derzeitige Gestaltung der SFDR keine Anreize für Fondsgesellschaften, ihre „schmutzigen“ Anlageprodukte nachhaltiger zu gestalten, da dies zu höherem Aufwand und damit  Kosten führen würde. Nur wenn nachhaltige Anlagen billiger und schädliche Anlagen teurer werden, kann eine Verlagerung von schädlichen Investitionen zu nachhaltigen angeregt werden.

Ein häufig gehörtes Argument ist auch, dass die Regeln und Vorschriften der SFDR nicht eindeutig genug sind und Raum für Interpretationen lassen. Für uns sind die Gesetze jedoch glasklar: Investitionen in Unternehmen deren Geschäft auf fossilen Brennstoffen basiert, haben in einem Artikel 9-Fonds nichts zu suchen. Und selbst wenn die Vorschriften nicht ganz eindeutig wären, sollte der Finanzsektor seine Auslegung nicht nur auf den Buchstaben des Gesetzes, sondern vor allem auf den Geist des Gesetzes stützen. Es ist also durchaus gerechtfertigt und richtig, dass diese Studie die Gemüter erregt hat. Wenn neue Gesetze und Vorschriften eingeführt werden, um Transparenz über die Nachhaltigkeit von Fonds zu schaffen, müssen sich die Anleger darauf verlassen können, dass die Informationen, die sie erhalten, korrekt sind. Damit sie auf der Grundlage dieser Informationen wohlüberlegte Anlageentscheidungen treffen können. Nur dann hat die SFDR eine Chance, das zu tun, wofür sie konzipiert wurde, nämlich mehr Kapital in nachhaltige Initiativen zu lenken und Greenwashing zu verhindern.

Offenlegung 2.0

Acht Milliarden Euro Investments in umweltbelastende Industrien durch Artikel-9-Fonds klingen nach viel Geld. Aber es ist dennoch nur ein Bruchteil des Gesamtmarktes. Die meisten Investitionen fließen nach wie vor in Fonds, die nicht oder kaum den Anspruch erheben, über Nachhaltigkeitsmerkmale zu verfügen. Nennen wir sie der Einfachheit halber ’schmutzige Fonds‘. Und genau hier liegt unserer Meinung nach, ein Fehler im System, der viel zu wenig beachtet wird. Natürlich dürfen grüne Produkte nicht unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verkauft werden, aber vielleicht ist es sogar noch wichtiger zu zeigen, dass „gewöhnliche“ Investmentfonds im Allgemeinen recht effektiv dazu beitragen, die Zukunft der Menschheit zu zerstören. Hintergrund ist, dass es zwar Gesetze gibt, die von nachhaltigen Fonds mehr Transparenz verlangen, doch kaum Vorschriften, die vor Produkten warnen, die der Umwelt Schaden zufügen: So wie Warnaufkleber auf Zigarettenpackungen, sollten auch bei der Geldanlage beide Seiten der Medaille gezeigt werden. Laut Triodos Investment Management (IM) wäre die Umsetzung denkbar einfach: alle Fonds sollten aufgefordert werden, ihre Wirkung offenzulegen, um mehr Klarheit – positiv wie auch negativ – zu schaffen. Diese Maßnahme würde den Kapitalfluss verändern, so dass der Übergang zu einer nachhaltigen Welt beschleunigt wird: Denn wie wir heute investieren, bestimmt, wie unsere Zukunft aussehen wird. Wenn sowohl die positiven als auch die negativen Auswirkungen auf einen Blick ersichtlich sind, wird es viel einfacher, die richtigen Investitionsentscheidungen zu treffen.

Warum wir mit Artikel 8 nicht die Welt retten

Ein Rückblick: Als im Jahr 2021 die erste Stufe der europäischen Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte (SFDR) in Kraft trat, gaben viele Vermögensverwalter an, dass ihre nachhaltigen Investmentfonds als Artikel 9 (dunkelgrün) eingestuft werden würden, was bedeutet, dass sie nachhaltige Investitionen zum Ziel haben. Da die Aufsichtsbehörden lange Zeit nicht klargestellt haben, wie die Umsetzung der SFDR im Detail vorgenommen werden soll, beschlossen viele Vermögensverwalter, dass ihre Fonds, die bisher nach den Vorgaben von Artikel 9 über das Portfolio berichtet hatten, künftig nur noch die weniger strengen Vorgaben von Artikel 8 befolgen sollten. Dies bedeutet, dass sie neben anderen Merkmalen nur ökologische oder soziale Merkmale fördern, anstatt ein spezifisches Ziel zu haben. Dieses Phänomen war in der gesamten Investmentbranche zu beobachten, wobei die zugrunde liegende Motivation von Vermögensverwalter zu Vermögensverwalter unterschiedlich war. Im Laufe der Zeit kam mehr Klarheit auf, insbesondere gegen Ende 2022, als festgelegt wurde, dass das gesamte Portfolio eines Fonds nachhaltig sein sollte, um als Artikel 9 eingestuft zu werden.

Bei Triodos IM entspricht die gesamte Fondspalette Artikel 9 der SFDR, was sich auch mit dem Inkrafttreten der SFDR-Stufe 2 nicht geändert hat. Wir würden uns allerdings um ein wenig mehr Konkurrenz freuen. Wir können den notwendigen Wandel hin zu einer besseren Gesellschaft nur erzielen, indem das Kapital von schädlichen Aktivitäten in Aktivitäten umgeschichtet wird, die zu diesem Wandel beitragen. Die Änderung der Reporting-Vorschriften für Fonds von Artikel 9 auf Artikel 8 ist ein „einfacher Ausweg“ für Vermögensverwalter trägt aber nicht zu dem notwendigen Wandel bei. Artikel 8-Fonds tragen nicht wirklich dazu bei, unsere Gesellschaft zum Besseren zu verändern. Sie berücksichtigen zwar klimabezogene Risiken, stellen sich aber nicht der Herausforderung, die Ursachen für diese Risiken zu beseitigen, d. h. gezielt zu Lösungen beizutragen.

Die Art und Weise des Investierens muss sich ändern Wir fordern den Finanzsektor auf, sein Engagement zu verstärken und die Art und Weise des Investierens zu ändern, anstatt nur die Kategorisierung der Fonds zu ändern. Darüber hinaus fordern wir die Regulierungsbehörden auf, die derzeitige Gesetzgebung zu erweitern und von ALLEN Investmentfonds zu verlangen, dass sie über ihre Auswirkungen berichten, seien sie nun positiv oder negativ, sodass die Anleger eine vollständige Transparenz haben, auf die sie ihre Investitionsentscheidung stützen können. Wir sind der Meinung, dass eine größere Transparenz schädlicher Aktivitäten die oben genannten Bedenken ausräumen wird, und wir begrüßen den Plan der EU, Optionen zur Erweiterung der Taxonomie zu entwickeln. Wir raten jedoch dringend dazu, einen einfachen Ansatz zu wählen und sich ausschließlich auf schädliche Aktivitäten zu konzentrieren. Je mehr Kategorien, desto mehr Verwirrung und desto mehr Möglichkeiten, sich zu verstecken. Eine Erhöhung des Meldeaufwands für die mittleren und neutralen Kategorien sollte ebenfalls vermieden werden, da diese Kategorien darauf abzielen, die Umweltleistung zu verbessern und Gutes zu tun.

Autor Karim Chatti ist Senior Relationship Manager Institutional Clients DACH bei Triodos Investment Management (IM).


[1] bafin.de

[2] https://www.ftm.eu/green-investments

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