Das macht Gregor Gysi so schnell keiner nach: In gewohnt rhetorischer Gewandtheit schafft er es in einer Stunde als Starredner auf der MMM-Messe von Fonds Finanz in München Gegenentwürfe zu den brennenden Themen dieser Zeit zu skizzieren – und erntet dafür viel Zustimmung im Publikum. Eins steht für Gysi fest: Es muss sich vieles in der deutschen Politik verändern.
Den Angriff von Russland auf die Ukraine verurteilt er, hält aber Wirtschaftssanktionen und weitere Waffenlieferungen nicht für das probate Mittel, diesen Krieg zu beenden. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland träfen uns zum Teil härter und ließen in Russland lediglich die Bevölkerung verarmen. „Weder die Russen noch die Ukrainer können diesen Krieg gewinnen“, so Gysi. Die Sanktionen gegen China aufgrund der Situation der Uiguren in China habe gezeigt, dass es der unterdrückten Bevölkerung nicht besser ginge als zuvor. Es wäre viel wichtiger, jetzt die richtigen Angebote zu machen, die es schaffen, wieder in Friedensverhandlungen einzusteigen.
Mit der Letzten Generation sprechen und zuhören
Zu wenig gesprochen werde aus seiner Sicht auch mit den Klimaaktivisten der Letzten Generation. Das sei ein fataler Fehler, der damals schon bei der 68er-Generation gemacht wurde. Damals habe sich dann ein kleiner radikaler Kern, die RAF, gebildet und das gelte es bei der Letzten Generation zu vermeiden. Dafür sei es aber von großer Bedeutung, den Klimaaktivisten zuzuhören. Sie hätten ja erst zu ihren Aktionen gegriffen, weil ihre Petitionen und Forderungen niemanden erreichten. Dabei stichelt Gysi auch gegen Christian Lindner: Ein Tempolimit müsse auf jeden Fall sein – nur Nordkorea, Afghanistan und eben Deutschland hätten noch kein Tempolimit.
Kapitalismuskritik fällt moderat aus
Passend zur Messe widmet sich Gysi auch dem Thema Altersvorsorge, beispielsweise wenn es um die diskutierte Aktienrente geht: „Dabei interessiert mich vor allem: Wer trägt das Risiko?“ Der Staat und damit der Steuerzahler oder gar der Rentner selbst. Das könne nicht die Antwort sein.
Der Kapitalismus könne vieles: Eine hervorragende Wirtschaft und Wissenschaft und auch Kultur hervorbringen. Doch Frieden bringe er nicht, dafür werde zu viel an Kriegen und Krisen verdient. Für Gleichberechtigung, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit könne der Kapitalismus ebenfalls nicht sorgen. „Große Konzerne und Banken sind mir zu mächtig.“ Für Bereiche der Daseinsvorsorge und im Gesundheitswesen hält er die Privatisierung für einen großen Fehler.