Der Gewerbeversicherungsmarkt ist im Umbruch: Digitale Transformation, Corona-Pandemie, Unwetterkatastrophen und Klimawandel lenken den Blick auf neue Risiken. Die Nachhaltigkeitsdebatte verändert die Anforderungen an Absicherung und Beratung langfristig. Ob Betriebshaftplicht-, Vermögenschadenshaftpflicht, Inhalts-, Cyber- oder D&O-Versicherung – viele Produktentwicklungen werden durch externe Faktoren angestoßen. Welches die größten, Trends, Treiber und Herausforderungen sind, zeigt der Gewerbeversicherungsreport des digitalen Gewerbeversicheres Finanzchef 24.
Dem Report zufolge haben die Prämien im Mittel für die wichtigsten Sparten Betriebshaftpflicht, Vermögensschadenhaftpflicht und Geschäftsinhalt in der Tendenz leicht nachgegeben. Bei den Sparten Rechtsschutz und D&O dagegen zeigt die Preisentwicklung eher nach oben.
In der Betriebshaftpflicht sind nach einer Musterberechnung von Finanzchef24 die jährlichen Prämien für exemplarische Kleinst- und Kleinunternehmer von 2018 bis 2021 von etwa 300 Euro auf rund 240 Euro gesunken – ein Minus von circa 20 Prozent. Die Prämien für Vermögensschadenhaftplicht-Versicherungen haben sich nach einem deutlichen Preisrutsch in 2014 und 2015 zuletzt bei knapp unter 500 Euro eingependelt. Inhaltsversicherungen haben im Schnitt um etwa fünf Prozent zugelegt.
Abgestimmt auf die Absicherungsbedürfnisse Deutschlands Kleinunternehmer bietet das Insurtech mit seiner Vergleichsplattform einen Überblick für mehr als 1.500 Betriebsarten, die auf Gewerbeversicherungslösungen von über 40 Versicherungspartnern basieren.
Berufe und Bedürfnisse werden vielfältiger
Ein Trend ist laut Finanzchef24 die Hybridisierung. Das Nebeneinander von Offline und Online stellt viele Berufsgruppen vor neue Herausforderungen. „Im Maschinenbau geht es bereits heute eher um Software denn um Maschinen. Auch für den Messebau bedeutet die Messe nicht mehr nur der analoge Stand, bei dessen Design, Produktion, Transport sowie Auf- und Abbau es Probleme geben kann, die versichert werden wollen. Der Messebauer verwirklicht heute Messestände immer öfter zugleich digital. Hier reichen die Risiken von falschen Inhalten, Softwarefehlern und fatalen Marketingentscheidungen bis hin zu Hackerangriffen“, erläutert Tobias Wenhart, Co-CEO bei Finanzchef24.
Die Hybridisierung erstreckt sich jedoch laut dem Report nicht nur auf das Nebeneinander von Analog und Digital, sondern ebenso auf das Nebeneinander von Tätigkeiten, die vor wenigen Jahren noch explizit einer Berufsgruppe zuzuordnen waren. So gibt es heute gerade bei den Selbstständigen und Kleinstunternehmen immer öfter Handwerker, die gleichzeitig als Maurer, Fliesenleger und Elektriker arbeiten.
Trend zur Hybridisierung
Diese Berufsgruppen benötigen Versicherungen, die den neuen Herausforderungen gewachsen sind. „Es lässt sich nicht mehr spontan sagen, dass im Handwerk die Betriebshaftpflicht ausreichend ist. Vielmehr wird immer öfter eine sinnvolle Ergänzung gebraucht. Die Produkte müssen individueller werden. Versicherern muss es gelingen, kleine Unternehmen, die viele Produkte und Dienstleistungen anbieten, gut abzubilden“, erklärt Wenhart. Die Frage lautet längst nicht mehr, welche Versicherungen Kunden verkauft werden können, sondern wie sie arbeiten und welche Gefahren abzusichern sind.
Einen weiteren Trend sieht die Studie in den Extremwetterereignissen. Sie treibe die Nachfrage nach Elementarversicherungen an. Dasselbe gelte für Hackerangriffe und IT-Probleme. Wenhart: „Dem Kleinst- und Kleinunternehmer sind die Gefahren durch Phishing und Ausfälle der IT-Infrastruktur zunehmend bewusst. Cyber-Risk-Versicherungen sind jedoch vielen Gewerbetreibenden als Stand-alone-Produkte noch zu teuer.“
Im Zuge verstärkter Diskussionen um den Klimawandel rücken zudem grüne Gewerbeversicherungen ins Blickfeld von Kunden und Anbietern. „Aktuell erleben wir eine Findungsphase, bei der die Parameter definiert werden. Klimaneutralität ist nur ein Faktor“, betont Wenhart.
Nachhaltigkeit: Der Markt in der Findungsphase
Die Aktivitäten der Versicherungsunternehmen reichen derzeit von der CO2-Vermeidung bis zum Pflanzen von Bäumen. Erste Versicherer zahlen bei grünen Produkten im Schadensfall bis zu 20 Prozent Mehrleistungen, wenn im Gegenzug ökologische, nachhaltigere oder sparsamere Materialien verbaut oder nachhaltigere Firmen beauftragt werden.
Andere Anbieter sichern KMUs speziell ab, die auf Photovoltaik oder Geothermie setzen und damit andere Risiken haben. Auch die sich ändernde Mobilität fließt in grüne Produkte ein, wie Absicherungslösungen für E-Ladestation oder Wallboxen zeigen.
Corona-Pandemie befeuert Onlinenachfrage
Mit dem Thema Gewerbeversicherungen selbst rücken die Vertriebsformen in den Fokus. Unternehmer suchen laut Finanzchef24 seltener analoge Vertreter vor Ort auf, sondern das Internet. Anbieter mit digitalen und hybriden Vertriebsformen sind die Gewinner und werden es in Zukunft sein. Wenhart: „Der Onlinevertrieb wächst jedoch überproportional. Wir verzeichnen in fast allen Sparten jährliche Zuwachsraten bei der Nachfrage im zweistelligen Bereich.“
Die Corona-Pandemie hat sich wie in vielen anderen Bereichen als Katalysator erwiesen. Die Kunden tun sich mit der digitalen Beratung und Suche leichter. Besonders Branchen, die von der Krise nicht unmittelbar betroffen waren oder sogar davon profitiert haben, haben Versicherungsprodukte in den vergangenen anderthalb Jahren online deutlich stärker nachgefragt – beispielsweise Handwerker oder E-Commerce-Händler.
Digital und maßgeschneidert
Die Digitalisierung erlaubt es nach Einschätzung von Finanzchef24, Versicherungsprodukte individueller auf das Kundenbedürfnis zuzuschneiden. Die richtigen Fragen können online helfen, den individuellen Bedarf zu erfassen. „Es geht um Preistransparenz, Individualität und um Geschwindigkeit. Der klassische Prozess in der analogen Welt dauert bis zu zwei Wochen, online sind Abschlüsse in wenigen Minuten möglich.“