Grundfähigkeitsversicherungen: Schau genau!

Philipp Wedekind, Franke & Bornberg
Foto: Franke & Bornberg
Philipp Wedekind: "Die Grundprodukte ohne Baustein bieten oft nur einen sehr eingeschränkten Schutz."

EXKLUSIV Die Grundfähigkeitsversicherung (GFV) gilt inzwischen als interessante Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Bei der GFV gilt es jedoch, genau hinzuschauen. Von Silvia Fischer.

Die Vorsorge-Praxis des Lebensversicherers Canada Life (dem Erfinder der GFV), habe in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass eine BU nicht immer die richtige Lösung sei. Ein Beispiel seien Vorerkrankungen, die einen BU-Abschluss unmöglich machten. Außerdem seien die Beiträge manchmal recht hoch – vor allem in körperlich aktiven Berufen.

Beide Gründe nennen auch Swiss Life und Nürnberger. Laut Swiss Life hat die GFV eine hohe Akzeptanz. Für körperlich tätige Menschen sei das Risiko, eine Grundfähigkeit zu verlieren, greifbarer. Daneben könne es sein, dass eine längere Versicherungsdauer, beispielsweise bis 65 Jahren, nur in der GFV versicherbar sei. Eine weitere wichtige Zielgruppe seien kaufmännisch Tätige, Akademiker und Fachkräfte, die grundsätzlich eine BU wollten, jedoch aufgrund psychischer Vorerkrankungen kein Angebot bekämen. Lösung hier sei ein GF-Tarif ohne psychische Absicherungskomponenten. Auch für Schüler könne die GFV eine Alternative sein. Ebenso für Personen, die berufsbedingt grundsätzlich keine BU erhielten, wie einige Kultur- und Medienberufe, Profisportler oder Animateure.


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Die Nürnberger sieht als Zielgruppe bei der GFV alle Personen, die das Risiko einer Versorgungslücke oder eines finanziellen Mehraufwands infolge starker Beeinträchtigung oder Verlust von Grundfähigkeiten absichern wollten. Darüber hinaus könne die GFV auch eine Versorgungslücke bei einer BU schließen. Zum Beispiel wenn ein Kunde die BU bei Endalter oder Rentenhöhe zu niedrig gewählt habe, um die Prämie zu reduzieren. Solche Fälle gebe es viele, da früher alternative Absicherungsformen gefehlt hätten, um Kunden, die wegen ihrer Tätigkeit hohe BU-Prämien zahlen mussten, bedarfsgerecht abzusichern.

„Gute Tarife bieten darüber hinaus die Option, die Grundfähigkeitsversicherung in eine Berufsunfähigkeitsversicherung umzutauschen.“

Thorsten Saal, Morgen und Morgen

Bei der BU ist es gerade Trend, diese schon in sehr jungen Jahren abzuschließen. Auch bei der GFV? Ja, denn die GFV ist dann günstiger, außerdem sind junge Menschen in der Regel gesund, und dieser Zustand gelte dann für die gesamte Vertragslaufzeit. Canada Life und Nürnberger weisen darauf hin, dass auch bei Kindern oder Jugendlichen durch Krankheit oder Unfall eine wichtige Fähigkeit wie Hören, Gehen oder Sehen stark beeinträchtigt oder gar eingebüßt werden könne und sich dadurch ihre Zukunft nachhaltig verändere.

Natascha Brandenburg, Business Consultant Protection Solutions Canada Life, ergänzt: „Hier ist es aber wichtig, genau auf die Details zu schauen, da die meisten Versicherungen je nach Schulform den Beitrag erheben. Das ist aber nicht immer von Vorteil für die Versicherten.” Zudem böten manche Versicherer eine Option, später auf eine BU zu wechseln.

Natascha Brandenburg, Canada Life: „Es ist wichtig, auf die Details zu schauen.“

Der Nürnberger ist es besonders wichtig, dass sich der Versicherungsschutz während der Vertragslaufzeit flexibel anpassen lässt. So ermöglicht man zum Beispiel ohne erneute Risikoprüfung die Erhöhung der versicherten Rente in der GFV bei Ereignissen wie Volljährigkeit, Heirat oder Geburt eines Kindes – unter bestimmten Voraussetzungen sogar einen späteren Wechsel von der GFV in die BU. Die GFV ist oft modular aufgebaut. Wie kann vermieden werden, dass genau die Grundfähigkeit, die der Kunde bräuchte, nicht abgesichert ist?

Canada Life und Swiss Life haben kein Baukastensystem, denn das Risiko sei, dass Kunden Wesentliches übersehen würden. Canada Life definiere die versicherten Grundfähigkeiten genau und einfach und versichere dann alle definierten Grundfähigkeiten. Dies werde erweitert, wenn sich die Anforderungen änderten. So habe man kürzlich neben der Smartphone- und Tastatur-Nutzung die Fähigkeiten, den Öffentlichen Personenverkehr (ÖPV) zu nutzen und das Fahrradfahren eingeführt, so Brandenburg. Abgesichert seien jetzt auch infektionsbedingte Ausfallzeiten und Beeinträchtigungen von Herz, Lunge, Leber oder Niere. Swiss Life setze auf transparente Grundtarife, mit umfassendem Versicherungsschutz für die Hauptzielgruppen. Die Tarife könnten dann um wenige geeignete zielgruppenspezifische Zusatzoptionen ergänzt werden.

Modularer Aufbau birgt Risiken

Philipp Wedekind, Leiter Ratings Vorsorge und Nachhaltigkeit bei Franke und Bornberg, sagt: „Der modulare Aufbau von Grundfähigkeitsversicherungen kann für Kunden und Vermittler ein erhebliches Risiko mit sich bringen. Die Grundprodukte ohne Baustein bieten oft nur einen sehr eingeschränkten Schutz, der häufig nur wenige Grundfähigkeiten absichert”. Alle weiteren Absicherungen müssten bei stark modularen Tarifen als Zusatzbausteine gegen Mehrbeitrag hinzugewählt werden. Die Gefahr sei, dass wichtige Grundfähigkeiten aus Kostengründen nicht abgesichert würden. Trete der Krankheitsfall ein und die betroffene Grundfähigkeit sei nicht abgesichert, obwohl eine Absicherung möglich gewesen wäre, hätten Vermittler ein Haftungsrisiko. Besonders dann, wenn sie den Verzicht auf diese Komponente nicht ausreichend dokumentiert hätten.

„Der modulare Aufbau der Grundfähigkeitsversicherung kann für Kunden und Vermittler ein erhebliches Risikio mit sich bringen“

Philipp Wedekind, Franke und Bornberg

Man empfehle daher, bei Abschluss einer GFV darauf zu achten, dass die wichtigsten Grundfähigkeiten versichert seien. Für eine Spitzenbewertung von F&B müssten die 15 wichtigsten Grundfähigkeiten im Schutz enthalten sein, so Wedekind. Das Rating biete also eine wichtige Orientierung für Vermittler und Kunden.Die Nürnberger hat eine modular gestaltete GFV. Um sicherzustellen, dass die Kundenbedürfnisse optimal abgedeckt seien, sei der Vermittler gefordert. Zunächst mit einer exakten Bedarfsanalyse, danach müsse er im Beratungsgespräch detailliert die abgedeckten Grundfähigkeiten, Bedingungen und Ausschlüsse darstellen sowie prüfen, ob die Versicherung mit Zusatzbausteinen flexibel und individuell an die Bedürfnisse angepasst werden könne. Idealerweise sollte der Schutz mindestens einmal im Jahr überprüft werden sowie alle Punkte und Entscheidungen sorgfältig dokumentiert. „Herzstück” sei der Kompakt-Tarif, der die wichtigsten alltagsrelevanten Fähigkeiten, wie Sehen, Hören, Sprechen, Sitzen, Stehen oder Sitzen absichere. Zusätzlich biete man noch die Bausteine „Körperliche Arbeit“, „Büro“, „Mobilität“, „Psyche“, „Pflege“, „Berufsfahrer“ und den „Arbeitsunfähigkeitsschutz“ an. Auch der Einschluss einer Dread Disease sei möglich.

Besonderer Service der Nürnberger ist BetterDoc, der für Kunden die bestmögliche Behandlung und Spezialisten ermittle. Bei Canada Life sichere der Premium GF-Schutz auch schwere Krankheiten oder Langzeit-Erkrankungen ab, wie Krebs oder Herzinfarkt. Auch ein optionaler AU-Schutz werde geboten.
Laut Morgen&Morgen (M&M) ist das Niveau der GFV-Bedingungen grundsätzlich hoch. Unterschiedlich seien vor allem Art, Anzahl und Definition der versicherten Grundfähigkeiten. Der Kunde müsse also darauf achten, welche versicherbar und welche davon für ihn wichtig seien. Hier empfehle sich fachkundige Beratung. „In einem körperlich tätigen Beruf hat beispielweise Knien oder Bücken eine deutlich höhere Bedeutung als für jemanden, der ausschließlich vor dem Computer sitzt. Für diesen sind dann Grundfähigkeiten wie Bildschirmarbeit oder Sitzen wichtiger”, nennt Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik und Rating bei M&M ein Beispiel.

Viele Grundfähigkeiten könnten als Zusatzbausteine gegen Mehrbeitrag eingeschlossen werden. Der Kunde müsse entscheiden, ob er bei einem Verlust dieser Fähigkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben könne oder ob es ihm der Mehrbeitrag wert sei. Wenn die versicherten Grundfähigkeiten klar seien, sei zu prüfen, wie der Versicherer den jeweiligen Leistungsfall definiere. Dies könne stark voneinander abweichen. Der Verlust „Gebrauch einer Hand“ könne sich entweder auf nur eine oder auf beide Hände beziehen. Weiterhin unterschieden sich Tarife nach den weiteren Bausteinen, wie der Integration einer dauerhaften Pflegeabsicherung, einer AU-Klausel, einer Schwere-Krankheiten-Versicherung oder Einmalleistungen.

Wichtig seien auch die Nachversicherungsmöglichkeiten um bei bestimmten planbaren und nicht planbaren Ereignissen die Summe zumindest ohne erneute Gesundheitsprüfung bis zu einem festgelegten Betrag zu erhöhen. Zu vergleichen seien zudem die Ereignisse und die Nachversicherungssummen der Anbieter. Gute Tarife böten darüber hinaus die Option, die GFV zu bestimmten Zeitpunkten ohne erneute Gesundheitsprüfung in eine BU umzutauschen. Da für Verbraucher der Vergleich der Bedingungen und Definitionen nur schwer möglich sei, habe M&M diese für die wichtigsten Grundfähigkeiten mit 36 Ratingfragen bewertet, so Saal.

Autorin Silvia Fischer ist Diplom-Betriebswirtin und Journalistin (FJS)

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