Im Rahmen einer Videopressekonferenz unter dem Motto „Zwischen Wahlausgang, Reformen und Regulierungsdruck – Die Stuttgarter und die Lebensversicherung in 2025“ hat Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lebensversicherung, die aktuellen Herausforderungen und Chancen für die Lebensversicherungsbranche im Kontext des politischen Umfelds ausführlich beleuchtet.
Bader begrüßte den bevorstehenden Regierungswechsel und zeigte sich optimistisch hinsichtlich der neuen Zwei-Parteien-Koalition: „Ich sehe sehr positiv, dass Deutschland mit einer Regierung aus zwei Parteien startet. Das macht das Umsetzen von Dingen sehr viel leichter als mit einer Dreierkoalition.“ Er äußerte jedoch Sorge, dass das Thema Altersvorsorge politisch vernachlässigt werden könnte: „Meine große Befürchtung ist, dass sie im Bereich der Altersvorsorge wenig liefern, weil sie andere Schwerpunkte setzen.“
Wird das Thema Altervorsorge wieder politisch vernachlässigt?
Sehr deutlich wurde der Bader mit Blick auf den Zustand der gesetzlichen Rentenversicherung und forderte eine ehrliche Debatte zur gesetzlichen Rente: Der Vorstandsvorsitzende der Stuttgarter Lebensversicherung, fordert die Politik auf, das Thema Altersvorsorge endlich entschlossen anzugehen. „Die Politik in Berlin muss endlich liefern“, appellierte Bader und kritisierte gleichzeitig mangelnde Ehrlichkeit in der Rentendebatte.
Besonders die demografische Entwicklung werde aus seiner Sicht unterschätzt. „Die Babyboomer gehen in Rente, und das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern wird sich massiv verschieben“, so Bader. Angesichts dieser Entwicklung seien die oft zitierten Haltelinien – etwa ein Rentenniveau von 48 Prozent – ohne massive Eingriffe nicht haltbar.
Bader warnte davor, die Schuldenbremse lediglich zur Finanzierung steigender Sozialausgaben zu lockern: „Wenn es um Investitionen in Bildung, Forschung und Industrie geht, bin ich dabei. Aber wenn wir die Schuldenbremse lockern, um Sozialleistungen hochzufahren, machen wir etwas falsch.“ Stattdessen müsse das Ziel sein, den Beitragssatz und den Steuerzuschuss stabil zu halten, um langfristig finanzielle Spielräume für Wachstum und Innovation zu sichern.
Auch eine kapitalgedeckte Altersvorsorge sieht Bader als Teil der Lösung – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. „Ja, wir können einen Kapitalstock aufbauen, aber das hilft uns erst in 30 oder 40 Jahren. Und bitte nicht auf Pump! Die Vorstellung, dass der Staat Schulden macht und das Geld am Kapitalmarkt anlegt, ist reine Schönfärberei.“
Zudem verwies Bader auf die steigenden Kosten der Staatsverschuldung: „Deutschland zahlt für langfristige Anleihen bereits mehr als der Euroswap-Satz. Der Glaube, dass wir uns dauerhaft günstig verschulden können, ist eine Illusion.“
Zudem hielt der Vorstand ein Pladoyer für qualifizierte Zuwanderung. Sie sei unerlässlich, um den demografischen Wandel zu bewältigen: „Wir brauchen qualifizierte Zuwanderung, um die Beitragsbasis zu stärken.“ Zugleich forderte er von der Politik, den Menschen klarzumachen, dass private und betriebliche Altersvorsorge unverzichtbar seien.
Qualifizierte Zuwanderung ist unerlässlich
Zur betrieblichen Altersvorsorge (bAV) lobte er den aktuellen Gesetzesentwurf (Betriebsrentenstärkungsgesetz 2.0), forderte aber eine weitere Vereinfachung und Digitalisierung: „Das ganze Thema der betrieblichen Altersvorsorge muss vereinfacht werden“, sagte Bader. Insbesondere kritisierte er die noch immer bestehende Doppelverbeitragung und forderte eine Reduzierung der Durchführungswege: „Aktuell existierten fünf etablierte Wege sowie die zusätzliche Beitragszusage über die Sozialpartnermodelle, insgesamt also sechs Varianten. Diese Vielzahl ist kaum noch verständlich, schwierig zu verwalten und beratungsintensiv“, monierte Bader. Er schlug vor, die Anzahl der Durchführungswege deutlich zu reduzieren, möglicherweise auf drei, um das System spürbar zu vereinfachen.
Riester reformieren, nicht ersetzen
Mit Blick auf die private Altersvorsorge mahnte Bader eine Reform der bestehenden Riester-Rente an, statt ständig neue Produkte zu schaffen: „Riester gehört reformiert, nicht ersetzt“, so Bader. Er appellierte an die Politik, das Produkt deutlich zu vereinfachen und es attraktiver zu gestalten. Bader schlug konkret vor, die Zulagen und Höchstbeiträge dynamisch an Inflation oder Beitragsbemessungsgrenzen anzupassen, um die Attraktivität langfristig zu sichern.
Die bestehenden Fördermechanismen hält Bader grundsätzlich für gut: „Die Zulagen stärken gezielt einkommensschwache und kinderreiche Familien, während die Steuerentlastung für andere Zielgruppen greift.“ Allerdings müsse die Zulagensystematik vereinfacht und die Anzahl der zulässigen Durchführungsformen erheblich reduziert werden. „Statt gefühlt 25 verschiedenen Möglichkeiten sollten wir wieder zu zwei oder drei klaren Wegen zurückkehren“, so seine Forderung.
Zudem regte Bader an, die Garantien bei der Riester-Rente auf 80 Prozent der gezahlten Beiträge zu reduzieren, um chancenorientierte Kapitalanlagen zu ermöglichen. Eine vollständige Abschaffung der Garantien lehnte er hingegen ab. „Eine gewisse Garantie bleibt wertvoll und notwendig“, erklärte er. Er schlug außerdem vor, Fondsinvestments auch während der Rentenphase zu ermöglichen, um weiterhin Renditechancen zu nutzen. Dabei müsse jedoch stets eine lebenslange Rentenzahlung garantiert bleiben: „Ein Entnahmeplan, der nur bis zum Alter von 80 oder 85 reicht, wäre völlig unzureichend und nicht gerechtfertigt.“
DORA neu Auflegen
Bader kritisierte zudem vehement die EU-Regulatorik im Bereich Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD/CSDDD) und IT-Sicherheit (DORA). Die derzeitigen Vorschriften seien größtenteils „wertlos und kontraproduktiv“. Er appellierte: „Wir erzeugen Unmengen Papier und Vorschriften und Regularien, aber am eigentlichen Kern geht alles vorbei.“ Statt bürokratischer Berichterstattung solle der Fokus auf tatsächliche Maßnahmen zur Erreichung von Nachhaltigkeit und Sicherheit liegen. Konkret forderte er eine drastische Verschlankung der regulatorischen Anforderungen und die Rückkehr zu praxisnahen Lösungen. Sein abschließender Appell lautete: „Seid doch endlich mal ehrlich, was die gesetzliche Rente angeht.“
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