Kolumne Robert Halver, Baader Bank
Staatsanleihen der Euro-Peripherie – das gibt`s nur einmal, das kommt nicht wieder, das ist zu schön, um wahr zu sein…
Anlässlich seines Rettungsversprechens, zur Not unbegrenzt Staatsanleihen der Euro-Länder aufzukaufen, hat EZB-Notenbankpräsident Mario I. am 26. Juli 2012 eine der erfolgreichsten Anlagestrategien der letzten Jahre in Gang gesetzt. An jenem Tag wurde der oberste Grundsatz der modernen Portfoliotheorie, wonach Staaten nicht Pleite gehen können, mit heiligem geldpolitischem Schwur bekräftigt. Mit Marios geldpolitischer Gnade war die Euro-Staatsschuldenkrise vom Tisch.
Und dann ging sie los, die Euro-Staatsanleihen-Mania. Große internationale Rentenanleger, die die üblich verdächtigen Rentenmärkte der USA oder Deutschland abgeerntet hatten und – ähnlich wie Durstige in der Wüste nach der Oase – nach renditestarken Alternativen suchten, hatten in Euro-peripheren Staatsanleihen endlich das Objekt ihrer Begierde gefunden. Denn wenn Mario der Große Euro-Staatsanleihen mit geldpolitischer Absolution vom Ausfallrisiko erlöst, gibt es keinen Grund, sich die prächtigen Anleihenrenditen entgehen zu lassen. Im Sommer 2012 gab es für zehnjährige Staatspapiere in Portugal elf Prozent, in Spanien und Italien immerhin noch satte sieben und sechs Prozent. Höhere Renditen ließen sich ansonsten eigentlich nur noch in Bananenrepubliken finden. Da brauchte sich niemand mehr nur mit deutschen Renditen von unter zwei Prozent abzufinden. Die Euro-Peripherie rief und wie alle Vögel im Mai waren auch alle Rentenanleger da.
Bei Euro-Staatsanleihen zahlt die EZB den freien Mittagstisch
Banken wurden diese Anlagestrategie mit lukrativen Einkaufspreisen noch schmackhafter gemacht. Das nötige Anlagegeld erhielten sie damals unbegrenzt zu 0,75 Prozent – heute würde man von einem Hochzinsland sprechen – von der geldpolitischen Mutter Natur, der EZB. Angelegt in besagten Staatstiteln konnten Banken nicht nur eine gigantisch positive Zinsdifferenz – im Einkauf liegt der Gewinn – zwischen gut fünf und 10 Prozent einstreichen. Mit entsprechendem Volumen dahinter klingelten ihre Kassen wie beim Kaufhof im Weihnachtsgeschäft. Über bis heute auf 0,15 Prozent gesunkene Notenbankzinsen – sie gehen noch einmal runter – wurden die Einkaufspreise noch einmal reduziert. Als Sahnehäubchen oben drauf brauchten Banken noch nicht einmal Eigenkapital für diese Staatspapiere zu unterlegen, die ja per Definition „risikolos“ sind. Lassen wir das einfach mal so stehen. Wie auch immer, welche Bank und auch welche Versicherung und welcher Vermögensverwalter hätten sich bei diesem risikolosen renditestarken großen Fressen nicht so richtig satt gegessen?
Nicht zuletzt machte der Euro die Sache so richtig schmackhaft: Während es für Euro-Anleger ohnehin kein Währungsrisiko bei Staatstiteln aus Portugal & Co. gab, bekamen ausländische Investoren als Dessert auch noch markante Währungsgewinne geschenkt. Denn stand der Euro zum US-Dollar im Juli 2012 noch bei 1,20, wertete er bis März 2014 bis 1,40 auf. Das waren in der Spitze 16 Prozent Euro-Gewinn. Allerdings war das waisenkindhaft gegenüber den Investoren, die sich in japanischen Yen verschuldeten, um in der Euro-Anleihen-Peripherie beherzt zuzugreifen. Seit Mitte Juli 2012 bis März 2014 hatte der Euro über 50 Prozent! gegenüber dem Yen gewonnen. Anleger-Herz was willst Du mehr?
So schön es auch sei, irgendwann ist alles vorbei
An den Finanzmärkten gibt es keine Einbahnstraßen. Diese Anlagestrategie ist endlich, ja macht sich selbst kaputt. Denn irgendwann sind die Kursgewinne von Staatsanleihen der Euro-Südzone durch die Anleihe-Hausse, die die Anleihe-Hausse nährt, so ausgelutscht wie eine Leckmuschel kurz bevor die Zunge auf Plastik trifft. Auf ein deutsches Renditeniveau werden Staatstitel aus Italien, Spanien oder Portugal selbst in Marios Euro-Wunderland nicht sinken.
Beschleuniger dieser Entwicklung – sozusagen die Backhefe – ist der Euro. Über die im internationalen Notenbankvergleich schwindende Zinsattraktivität der EZB hat der Euro gegenüber US-Dollar und japanischem Yen bereits seit Anfang Mai an Stärke verloren.
Und damit geht es ans Eingemachte: Vor allem für Euro-Extraterrestrische Anleger droht bei weiterer Euro-Schwäche die Schubumkehr bei den Anleihenrenditen. Kein Investor will zuschauen, wie seine dicken und dicksten Buchgewinne bei Staatsanleihen – in Fußballsprache – der Seleção, der Azzurri oder von La Furia Roja schmelzen wie Capri-Eis in der Sommerhitze. Wer zu spät kommt, den bestraft das Finanz-Leben. Und hat erst einmal die Anleihen-Flucht eingesetzt, ist es wie beim Dominoeffekt.
Um die Happy Hour der zinsgünstig schuldenfinanzierten Euro-Staatswirtschaft nicht zu gefährden, wird unser Mario nicht zögern, tatsächlich den Auslöser seiner schon prall geladenen Bazooka zu ziehen. Dann wird Draghi tatsächlich Staatsanleihen wie beim Sommerschlussverkauf aufkaufen, um die Renditen unten zu halten. Eine Euro-Staatsschuldenkrise 2.0 wird es nicht geben. Die schöne heile Euro-Schulden-Welt bleibt uns erhalten. Wenn es nicht passt, wird es eben passend gemacht.
Die Anlage-Herde zieht weiter und grast auf anderen Anlage-Weiden
Und was machen die Euro-Staatsanleihen-Flüchtigen? Sie werden sich anderen Vermögensklassen widmen, die auch schöne Töchter oder Söhne haben. Und was könnte das für welche sein? Nun, sie müssen den Anlageraum gar nicht verlassen. Denn wenn der Euro geldpolitisch abwertet, ist das der fruchtbare Nährboden für exportsensitive Aktien der Eurozone. Daher erwarte ich weiter eine gute Aktien-Performance in Spanien, Italien oder Portugal. Allerdings werden Dax und M-Dax im zweiten Halbjahr 2014 ihre im bisherigen Jahresverlauf relative Aktienschwäche in Euroland ablegen. Denn als im Vergleich noch zyklischere, noch exportorientiertere Aktienindices profitieren sie von der konjunkturstützenden Geldpolitik der EZB am meisten. Ihre fundamentalstarke Kost wird vielen Anlegern dann wieder besonders gut schmecken. Zwischenzeitliche Rücksetzer im Sommer ändern an dieser Einschätzung nichts.
Ende des Jahres steht der Dax bei mindestens 10.500 und der M-Dax bei 18.500 Punkten.
Also, auch wenn Euroland in punkto seiner Staatsanleihen an Geschmack verliert, bietet es bei seinen Aktien eine wohlschmeckende Alternative.
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.
Foto: Baader Bank