Die Halver-Kolumne: Eine unlösbare Aufgabe – Euroland versucht sich wieder einmal an der politischen Quadratur des Kreises, nämlich der großen, der nachhaltigen Sanierung Griechenlands.
Wie üblich kümmert man sich aber nur um die Symptome und ignoriert die Ursachen mit penibler Konsequenz. Das Ganze kommt mir vor wie beim Heizen im Winter. Die Bude kann nicht warm werden, wenn die Fenster sperrangelweit aufstehen.
Realitäten werden unter den Teppich gekehrt
Dabei pfeifen es die Spatzen doch längst vom Finanz-Dach: Die Griechen werden aus eigener Kraft ihre Schulden so wenig erfolgreich bedienen können, wie Argentinien zu Zeiten seiner Pampakrise 2001. Und wenn man sich jetzt im politischen Klein-Klein darüber in die Haare kriegt, ob Griechenland dieses unrealistische Ziel 2020 oder 2022 erreichen soll, hat dies etwas von schildbürgerischer Absurdität. Denn bis dahin wird noch viel Wasser den Aliakmonas – längster Fluss in Griechenland – hinunter geflossen sein. Wer will in heutzutage schwierigen Zeiten auch nur Prognosen bis 2014 wagen.
Wenn man aber schon die Griechen entgegen ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen in der Eurozone halten will (A), muss man auch sagen wie (B). Da lobe ich mir die Ehrlichkeit der Chefin des IWF, Madame Lagarde, die ihren gesunden Menschenverstand nie an der Garderobe der Brüsseler Euro-Zentrale abgibt: Ohne einen massiven Schuldenschnitt wird Griechenland seine finanzielle Atemnot niemals in den Griff bekommen.
Können die verblüffend vernünftigen Worte von Frau Lagarde die euroländische Polit-Jonglage aus der Ruhe bringen? Nein, denn dann müsste Euroland seine ohne Zweifel hochprofessionelle Gesundbetung beenden, wonach man mit den Krediten an Griechenland sogar noch Geld verdient. Glauben Sie, dass sich Berlin vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 outen wird, dass ihre bisherige Griechenland-Politik gescheitert ist und daher vor allem der deutsche Steuer-Michel die Zeche des Schuldenschnitts zahlt? So viel Wahrheit kann man dem deutschen Wahl-Michel nun wirklich nicht zumuten.
Das ist Wahnsinn
Erst nach der Bundestagswahl endet der politische Schonwaschgang und kommt die Kernseife – im Rheinland „Grüne Tante“ genannt – zur Anwendung. Aber bis dahin wird Hellas mit mittlerweile perfektioniertem Geschachere – mit viel bunter Farbe aufgehübschten Troika-Berichten, charmanten Instrumenten wie Nullzinsen oder Rückkauf mit fremdem Geld – bei der Euro-Stange gehalten. Das bedeutet auch, dass die Versuchsreihe fortgesetzt wird, das Land ausgerechnet mit den Instrumenten kurieren zu wollen, die schon Deutschland nach 1929 erst in die wirtschaftliche, dann in die soziale und schließlich in die politische Katastrophe geführt haben: Mit systematischem Kaputtsparen. Wahnsinn ist laut Albert Einstein, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Und die Euro-Politik beschreibt dies auch noch lässig-smart als „Politik der kleinen Schritte“.
Wie will man eigentlich mit den großen Brocken Spanien, Italien oder im Extremfall mit dem neuen euroländischen enfant terrible Frankreich fertig werden, wenn man für das von der Wirtschaftskraft kleinste Land seit März 2010 das Lösungsprinzip „Es kreiste der Berg und gebar eine Maus“ praktiziert.
Das kann doch einen Draghi nicht erschüttern
Aber, aber, aber: Das kann doch einen Draghi nicht erschüttern, keine Angst, keine Angst, Euroland. Ich bin so froh, dass die EZB die Darbietungen der Euro-Politik nicht mehr akzeptiert, einschreitet und Ruhe in die Finanzmärkte bringt. Bei EZB denke ich immer an Klosterfrau Melissengeist: Nie war sie so wertvoll wie heute.
Die Quadratur des Kreises bekommt auch die Euro-Politik nicht hin, aber die EZB sorgt zumindest für ein bisschen mehr Ovalität. Heutzutage muss man dem Herrgott auch für die kleinen Kartoffeln sehr dankbar sein.
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.
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