Die Fluchttüren werden geschlossen

Die Halver-Kolumne: Kapitalanlage im April 2013: Die alten – liebgewonnenen – finanzwirtschaftlichen Muster, auf denen ich früher die Prognose von Aktien und Renten gründen konnte, haben heutzutage als Leitplankensystem ausgedient.

Robert Halver, Baader Bank

Es beginnt schon mit der Politik, die eigentlich einen stabilen Rahmen für Wirtschaft und Finanzen setzen soll. Voraussetzung dafür sind zunächst funktionierende Regierungen, was für Italien nicht unbedingt unterstellt werden kann. Doch selbst wenn Politik gestalten kann, scheint sie wie in Frankreich gerne entweder Investoren zu vergraulen, mindestens aber wie Kühe zu melken. Der biologische Grundsatz, dass Kühe erst dann Milch geben können, wenn sie vorher als Kälber gefüttert wurden, wird dabei oft vergessen.

Vergessen Sie einfach alles, was Sie jemals über Stabilität gehört haben

Grundsätzlich genießt eine schuldenbasierte „Verständnis-Ökonomie“ in Euroland offensichtlich Vorrang vor reformistischen Wirtschaftsansätzen, selbst wenn erst diese zu nachhaltigem, selbsttragendem Wirtschaftswachstum führen. Im Euroraum findet man Reformpolitik so wenig wie das Bernsteinzimmer. Auf Wachstum über langatmige und schmerzliche Anpassungsprozesse wollen Politiker einfach nicht warten. Wer will schon das gleiche politische Schicksal wie Altkanzler Schröder nach seiner Agenda 2010-Politik erleiden?

Wenn der Konsum lahmt und Investitionen hinken, muss die Fahrdynamik der Volkswirtschaft eben von neuen Schulden kommen. Wir wollen doch keine sozialen Unruhen riskieren? Und sparen können wir später noch, dann wenn die Volkswirtschaften nach Schuldenanschub wieder laufen. Zumindest müssten diese stabilitätspolitischen Alpträume doch wie schon in den 70er Jahren zu deutlich steigenden Zinsen führen. Also rein in hochrentierliche Staatspapiere.

Geldpolitik als verlängerter Arm der Finanzpolitik

So einfach wie zur damaligen Disco-Ära ist es heute nicht mehr. Denn in unserer schönen, neuen Welt können die schuldensündigen Finanzpolitiker auf großzügigste Absolution durch die Geldpolitik vertrauen. EZB & Co. sind verlässliche Waffenbrüder in punkto Systemerhalt und sorgen für günstige Zinsen für die darbenden Finanzminister. Für vernünftige Anlagerenditen ist da kein Platz mehr. Dann Sparkonten und Festgelder?

Die Geldpolitik dringt in ihrer Dynamik wie das Raumschiff Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Kapitalanleger zuvor gesehen hat. Ich persönlich halte weitere Zinssenkungen der EZB nicht nur für möglich, sondern für wahrscheinlich, um im Währungsabwertungswettlauf mit dem japanischen Yen die Attraktivität des Euros zu brechen. Schließlich wollen wir doch den Exportlöffel nicht abgeben. Auf Inflationsbekämpfung kann man dabei keine Rücksicht nehmen. Ein bisschen Verlust ist halt immer, aus Renditesicht leider auch bei Bankkonten und Termingeldern.

Apropos Sparkonten, wir sollten keinen Gedanken daran verschwenden, dass Vater Staat noch einmal Banken retten wird? Da ist politisch zu viel Porzellan zerschlagen worden. Und wer kann dann noch retten, wer sind die größten Gläubiger der Banken? Sparerauge sei wachsam.

Dann halten wir nach Stabilität Ausschau. Gold und Silber lieb ich sehr?

Du sollst keine anderen Götter neben Geld haben

Aufgrund des nachlassenden Bonitätsumfelds von Papierwährungen müssten die Finanzmarktteilnehmer nach Gold und Silber ähnlich schreien wie der Säugling nach der Muttermilch. Doch würde bei ungehindert fortgesetzter Hausse von Gold und Silber früher oder später die Gefahr einer Parallelwährung in Form von Gold und Silber bestehen. Man stelle sich einmal einen Handwerksmeister vor, der dann auf die Idee käme, für die Renovierung eines Hauses statt der Mischung aus Zellstoff und Wasser (gleich Papiergeld) Silberlinge oder Goldmünzen zu verlangen.

Diese Gefahr müssen Zentralbanken im Keim ersticken, ihre auf Geld gegründete Macht könnte ansonsten Schaden nehmen. Casanova würde sich sicher nie selbst kastrieren, oder? Insofern waren sie gezwungen, die geldpolitischen Geister, die sie riefen, mit noch mehr Liquidität zur derivaten Gold- und Silberdrückung zu vertreiben. Das hat bekanntlich zumindest vorübergehend funktioniert. Dann bleibt als große Anlageklasse nur der noch der Aktienmarkt.

Na ja, so manch ein Vermögensverwalter hat mit Entsetzen festgestellt, dass selbst die eigentlich stabilste aller Wertanlagen – Gold – in Windeseile in Ungnade fallen kann. Die Angst, dass, wenn dies auch bei Aktien passieren würde, die zweite Anlageklasse für Renditeverluste im Portfolio sorgen würde, hat viele Investoren veranlasst, vorbeugend die Aktienengagements zu stutzen. Als Argument muss dann eben die chinesische Wirtschaft herhalten, die mit plus 7,7 Prozent Wirtschaftswachstum ja kurz vor der Depression zu stehen scheint. Bald kommt auch noch der Mai mit der Börsenweisheit „Sell in May and go away“. Also auch keine Aktien.

Mit Aktien-Sparplänen gut gerüstet

Das geldpolitische Experiment gerät mehr und mehr zum Fluch der guten Tat. Für Anleger werden die Fluchttüren nach und nach geschlossen. Also bleiben doch nur Staatspapiere? Immerhin wird Vater Staat diese Anlageklasse vorerst sicherlich nicht heimsuchen, will er doch den Absatz von Bundeswertpapieren nicht gefährden.

Fallen wir darauf bitte nicht herein. Entkommen Sie dem DAF, dem Deutschen Anlage-Fatalismus von Zins- und Staatspapieren, den wir doch so verfolgen. Mit schuldenfinanzierter Konjunkturstützung bei gleichzeitig geldpolitischem Feuerschutz waren, sind und bleiben sachkapitalistische Anlageklassen wie Aktien eine hervorragende Anlagealternative.

Statt sich dabei an saisonalen Mustern zu orientieren oder aber zu versuchen, den Markt zu timen – das gelingt selbst vielen Profis nicht – empfiehlt sich in einem schwankenden Aktienmarkt ein einfaches Rezept: Per Sparplan kontinuierlich investieren, am besten breit gestreut. Geht es nach oben, ist man reicher, geht es bergab, bekommt man mehr für sein Anlagegeld.

Liebe Anlegerinnen und Anleger, wählen Sie die Anlagealternative für Deutschland.

 

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.

Foto: Baader Bank

 

 

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