„Wenn einer eine US-Reise tut, dann kann er was erzählen“ heißt es frei nach einem deutschen Sprichwort. Das kann ich jetzt auch, nachdem ich Amerika unter den Rock geschaut habe.
In meinem Sommerurlaub habe Freunde in Amerika besucht. Da sie als Immobilienmakler ebenso wie ich der Finanzwelt nahe stehen, sind sie für meine US-Kapitalmarktanalyse wie braune Brause eine erquickende Quelle für das, was in diesem Land tatsächlich passiert, was man dort denkt und fühlt. Daneben trägt das Research auf der Straße, zum Beispiel beim Betreiber des Steakhouses oder des Elektronikladens zur besseren Einschätzung der amerikanischen Konsumstimmung bei. Wenn ich es so bedenke, sollte ich die Kosten meiner Urlaubsreise – eigentlich ist es ja mehr eine Bildungsreise – als Spesenabrechnung beim Arbeitgeber einreichen, oder?
Amerika unter den Rock geschaut
Wie ein Spion der NSA wollte ich also erfahren, was in Amerika los ist. Die US-Wirtschaft hat sicherlich nicht mehr jene unbändige Urgewalt, die wir aus den guten alten Zeiten von Ronald Reagan oder Bill Clinton kennen. Aber die bei uns immer wieder gerne einseitig benutzten Bilder von massenhaft verarmten Menschen, die durch die Pleite der Stadt Detroit noch einmal an Dramatik gewonnen haben, greifen auch zu kurz. Tatsächlich scheint Amerika die wirtschaftliche Kurve allmählich zu kriegen.
Es werden mehr Jobs geschaffen, auch wenn es ehrlich betrachtet viele Teilzeitstellen, viele Tellerwäscherjobs sind. Aber immerhin, so wird mir mitgeteilt, müsse man dem Herrgott ja auch für die kleinen Kartoffeln dankbar sein. Vom amerikanischen Wirtschafts-Waterloo der Immobilienkrise spricht man nicht mehr. Schilder mit der Aufschrift „For Sale“ muss man regelrecht suchen. Und schließlich sind auch die Preise für Onkel Toms Hütten gestiegen. Das läge nicht zuletzt an den vielen Euroländern, die – Amerikaner sind immer offen – sich aus Angst vor euro-sozialistischer Entreicherung ein kapitalistisches Standbein gerade im sonnigen Süden der USA sichern wollten.
USA immer noch die Nr. 1, naturally
Geradezu verzückt sind meine amerikanischen Freunde von einer neuen Wirtschaftsvision, die sie wie Hefekuchen aufgehen sehen. Sie sprechen euphorisch von den reichlichen Öl- und Gasvorkommen in den USA, die über Fracking ausgebeutet werden. Ähnlich wie man mit Marshmallows Kinder anlockt, werde man die in Asien verloren gegangenen Industrie-Söhne und -Töchter back home holen. Werden die in China – so fragte man mich scheinheilig – nicht sowieso von den Hürden der Bürokratie und der Plagiaterie heimgesucht? Ebenso wolle man aber der europäischen Industrie eine neue Heimat geben, die dann in God’s Own Country wieder das wertschätzen könne, was sie in Europa vermisse: Kapitalismus statt Staatswirtschaft. Da war es wieder, dieses unerschütterliche amerikanische Sendungsbewusstsein.
Die Fed bleibt grundsätzlich taubisch
Jeder finanzaffine US-Amerikaner weiß selbstverständlich sehr genau, wem und welcher Institution mit drei Buchstaben der wirtschaftliche Muskelwiederaufbau zu verdanken ist.
Daher wollte ich natürlich wissen, wie man das Ansinnen der Fed beurteilt, der Konjunktur zukünftig weniger leistungssteigernde Wachstumshormone zu verabreichen. Ein bisschen länger, ein bisschen mehr, dagegen hätte man zwar grundsätzlich nichts einzuwenden. Schließlich würde es ja dem Business helfen, das es erlaube, schicke, neue Autos der deutschen Premiumklasse – wo sie Recht haben, haben sie Recht – zu fahren. Aber die hungry years der US-Immobilienmakler nach dem Platzen der Häuserblase – so mancher meiner Freunde musste zwischenzeitlich Hausmeisterdienste verrichten, Zeitschriften verteilen und ein gebrauchtes Auto der Economyklasse fahren – will man nicht noch einmal erleben. Ja, den Anfängen eines erneuten geldpolitischen Aufblasens des Häusermarkts zu begegnen, findet sogar leise Zustimmung. Die frühere Stabilität der deutschen Einwanderer scheint doch noch irgendwo in der amerikanischen Seele zu schlummern.
Angst vor dem Ende der geldpolitischen Happy Hour habe man allerdings nicht, da der Einstieg in den Ausstieg aus der hemmungslosen Gelddruckerei nur in homöopathischen Dosen erfolgen werde. Außerdem – da sei man sich ganz sicher – werde der US-Präsident keinen geldpolitischen Falken als neuen Notenbankchef nominieren. Eher träte Obama den Republikanern bei. Selbstverständlich werde der oder die neue Notenbankchef(in) eine waschechte Taube sein, mit Frau Janet Yellen vielleicht eine besonders liebliche. Wer wolle sich in seiner zweiten und letzten Amtszeit nicht als ein Präsident des Aufschwungs verewigen? Das mache sich nicht nur in den Geschichtsbüchern, sondern später auch als Honorarreferent gut. Geld hat in Amerika wohl noch nie gestunken.
Ben als geldpolitischer „Häuptling Gespaltene Zunge”
Dennoch treibt die ansonsten sehr relaxten Amerikaner eine Sache zur Weißglut: Das ewige verbale Hin und Her der Fed, ob, wann und wenn, wie sie sich zukünftig in Liquiditätszurückhaltung übt.
Noch-Notenbankchef Ben Bernanke möge endlich aufhören, „Häuptling Gespaltene Zunge“ zu spielen, damit man geldpolitisch weiß, woran man ist. Sein Wechselspiel der Notenbank sei unamerikanisch, würde die Wirtschaftstimmung wie Billig-Steaks vermiesen und sei der Grund für die aktuell teureren Hypothekenzinsen, worunter der – ansonsten natürlich völlig uneigennützige – Immobilienmakler leide. Komme es tatsächlich zum Tapering, ließe man die Katze also aus dem Sack, dann beruhigten sich auch die Zinsmärkte wieder.
Und hier kommt von amerikanischer Seite – bezogen auf die wechselhafte Verbalerotik der Notenbank – dann schließlich noch ein Vergleich, den ich ansonsten nur aus Deutschland kenne: Die langatmige Diskussion, ob die Schwiegermutter am Wochenende zu Besuch komme oder nicht, müsse jeden Schwiegersohn verunsichern. Aber dann, wenn klar ist, dass sie komme, könne man sich darauf einstellen. Und wer weiß, vielleicht werde es ja schön, vielleicht bringe sie sogar noch Kuchen mit.
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.
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