Zeit für den Puddingtest!

Die Halver-Kolumne: Kennen Sie den Puddingtest? Den hat die Finanzwelt im zweiten Halbjahr 2013 zu bestehen.

Er stammt aus einer Zeit, als man Pudding nicht fertig wie heute im nächsten Supermarkt kaufte, sondern noch selbst machte. Meine Oma kochte für mich als Kind regelmäßig Vanillepudding einer bestimmten Marke aus Bielefeld. Spannend wurde es immer, wenn nach der Erkaltung die Puddingform abgenommen wurde. Wenn der Pudding glatt, ohne Blessuren und formvollendet stand, war der Puddingtest bestanden.

Börsen-Ungemach voraus?

Auch die Finanzwelt hat im 2. Halbjahr einen Puddingtest zu bestehen. Eine neue Sachlichkeit der US-Geldpolitik spürten Staats- und Unternehmensanleihen genauso wie die US-Aktienmärkte, deren Anstieg zuletzt zu etwa 85 Prozent von der Liquiditätspolitik der Fed abhängig war. Das wahrscheinliche Ende der Ära von Fed-Chef Ben Bernanke im Januar 2014 werten ohnehin viele als Zäsur, als Ende der geldpolitischen Happy Hour. Dann würden auch die ach so stabilen Schwellenländer an konjunkturellem und finanzwirtschaftlichem Glanz verlieren. Sie werden nämlich von der Kapitalflucht internationaler Investoren immer noch am stärksten heimgesucht. Damit käme auf uns ein unangenehmer Umkehrschub zu: Denn Deutschland geht es gerade deshalb vergleichsweise gut, weil Fernost und Südamerika die Aorta der deutschen Exportindustrie sind.

Ungemach droht auch wieder aus Euroland: Die Regierung im Euro-systemrelevanten Italien ist wie an der Riviera auf Sand gebaut, Zypern ist so klamm wie ein Jugendlicher, der auf das nächste Taschengeld wartet und die Verhinderung eines zweiten griechischen Schuldenschnitts käme eigentlich dem achten Weltwunder gleich. Und dem deutsch-französischen Motor, der die Eurozone aus der Krise ziehen soll, scheint man Zucker in den Tank gestreut zu haben. Die Ruhe an der Euro-Krisenfront bis zur Bundestagswahl am 22. September betrachten viele als Ruhe vor dem Sturm. Danach könnte die politische Zwangsharmonisierung der Eurozone wieder brüchig werden. Der Spielraum für politische Fehler ist verdammt klein geworden.

Das war’s dann also?

Frevelhafte Anlagegedanken lassen da nicht lange auf sich warten. Ein Scheitern des Puddingtests scheint für viele ausgemachte Sache zu sein.

Dennoch sitzen die apokalyptischen Reiter alles andere als sicher in ihren Sätteln. Nach einem 30 Jahre andauernden Bullenmarkt für Anleihen hätte ich als Geldpolitiker mächtig Angst, mit einer klaren geldpolitischen Wende die Zinswende zu riskieren. Ohne Not wird man wohl kaum die dicke hässliche Fliege auf der Ming-Vase – die größte und längste Anleihenblase aller Zeiten – geldpolitisch erschlagen, wenn damit auch die Ming-Vase selbst – das Wirtschafts- und Finanzsystem – in Mitleidenschaft gezogen würde. Aus den früheren Systemrettern werden nicht plötzlich Desperados, die russisches Roulette mit ihrem eigenen Finanzwelthilfswerk spielen.

Die geldpolitischen Hintertürchen bleiben auf

So muss man selbst bei den zuletzt renitenten geldpolitischen Bemerkungen von Ben Bernanke zwischen den Zeilen lesen. Im Rheinland sagt man respektvoll „Einem alten Affen, braucht man das Fratzeschneiden nicht mehr beizubringen“. Seine Absichten sind klar. Zunächst kann ihm niemand vorwerfen, er hätte eine Liquiditätszurückhaltung nicht angekündigt. Späteren Schocks an den Finanzmärkten hat er damit vorgebeugt. Daneben sollte man seine geld-physikalische Konditionalität beachten: Nur bei nachhaltiger Konjunkturerholung wird die Fed liquiditätspolitisch – von Zinserhöhungen ist eh nicht auszugehen – zurückhaltender. Und selbst dann wird aus weiß nicht im Handumdrehen schwarz, sondern erst einmal hellgrau.

Apropos, wenn Janet Yellen auf Herrn Bernanke folgen sollte, ist das alter Wein in neuen Schläuchen. Sie ist eine überzeugte „Taube“. Und sie kennt ebenso wie Bernanke die Auswirkungen übertreibender Finanzmärkte nach oben, aber auch nach unten – wie aktuell – auf volkswirtschaftliche Prozesse. Denn sie war 2008 mittendrin, statt nur dabei, als einbrechende Finanzmärkte gleichzeitig auch der Konjunktur den Garaus machten. Da capo wird sie bestimmt nicht rufen.

Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts

Die EZB hält ihre Munition zur Stabilisierung der euroländischen Wirtschaft ohnehin bereit und denkt dabei sogar über neue Instrumente nach. Übrigens, ich habe mehr Angst vor einem Knöllchen wegen zu schnellem Fahren, als vor einem EZB-renitenten Urteil des obersten deutschen Gerichts. Insgesamt wird EZB-Chef Draghi die Eurozone nicht zurück in die freie Finanz-Wildbahn entlassen. Steigende Staatsanleiherenditen fräßen sie ruck zuck auf. Die Eurozone würde konjunkturell verhungern.

Auch die Bundestagswahl 2013 scheidet als Störenfried aus. Die offensichtlich von vielen Bundesbürgern gewünschte Große Koalition wird als großes politisches Kraftfeld für die Überlebensfähigkeit der Eurozone eingeschätzt.

Und der Pudding … wird stehen

Für eine klare Zinswende und damit ein panisches Finanzmarktende spricht insgesamt wenig. Die Herausforderungen für die Anleihe- und Aktienmärkte werden zwar größer. Ja, auch ich glaube zwar, dass es zu ordentlichen Kursrücksetzern und -schwankungen in der zweiten Jahreshälfte kommen kann. Aber den Puddingtest werden die Finanzmärkte dennoch bestehen. Vielleicht gibt es zum Jahresende ja auch noch Sahne oben drauf.

 

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.

Foto: Baader Bank

 

 

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