Hamburg Commercial Bank: „Abschläge bis 30 Prozent bei Immobilienwerten“

Foto: Hamburg Commercial Bank / Sven Wied
Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden bei der Hamburg Commercial Bank: "Die meisten Akteure fahren zurzeit 'auf Sicht'."

Vertreter der Immobilienbranche blicken verhalten auf das zweite Halbjahr 2023. Die Marktkorrektur setzt sich fort und die Rückkehr zu stabileren Preisen ist noch nicht abgeschlossen. Eine Bodenbildung kann Ende 2023 oder auch erst 2024 erreicht werden. Ein besonders düsteres Bild malt der Experte der Hamburg Commercial Bank.

Dies sind die Kernergebnisse einer gemeinsamen Online-Pressekonferenz des Asset Managers HIH Invest Real Estate, des Wohnungsfondsanbieters Industria, der Hamburg Commercial Bank (ehemals HSH Nordbank) und CR Investment Management.

Demnach sehen CR Investment Management und Hamburg Commercial Bank (HCOB) die Marktbereinigung noch nicht abgeschlossen und erwarten eine Zunahme von Insolvenzen. Es fehlen weiterhin die großen Transaktionen, aktuell werden vor allem kleinere Transaktionen mit höheren Eigenkapitalquoten gehandelt. Viele Entwickler erreichen eine finanzielle Schmerzgrenze und müssen ihre Objekte zu reduzierten Preisen anbieten. Generell müssen alle Kreditnehmer heute deutlich mehr Eigenkapital mitbringen, vor allem Developer. Projektentwicklungen werden meist nur restriktiv finanziert. Dagegen nimmt der Wettbewerb um die Finanzierung von Core-Objekten zu.

„Chance für eigenkapitalstarke Investoren“

In Bezug auf die Investmentmärkte mit Fokus auf den gewerblichen Nutzungsarten sagte Felix Meyen, Geschäftsführer der HIH Invest Real Estate: “Das zweite Halbjahr wird vorerst weiter von Unsicherheiten geprägt sein, auch wenn die Akteure die Schockstarre allmählich überwinden und sich zunehmend mit dem neuen Marktumfeld arrangieren. Wir beobachten nach wie vor recht wenig Marktaktivität, auch und vor allem weil die Preisfindung noch nicht abgeschlossen ist.“

Großvolumige Deals und größere Portfoliotransaktionen blieben weiter die Ausnahme. „Stattdessen stützen kleinere Volumina ein Stück weit den Markt und sorgen sukzessive für Belebung. Dabei sind Investoren wesentlich wählerischer als während des Booms, was Lage-, Objekt- und Flächenqualitäten angeht, und ESG wirkt als zusätzlicher Katalysator. Eigenkapitalstarke Investoren haben nun die Chance, mit wenig Konkurrenz Opportunitäten am Investmentmarkt wahrzunehmen”, so Meyen weiter.

Industria will im zweiten Halbjahr verstärkt ankaufen

Der Wohnungsmarkt hat die größten Preisanpassungen laut Industria hingegen hinter sich, der Tiefpunkt ist aber noch nicht erreicht. Arnaud Ahlborn, Geschäftsführer der Industria: „Die größten Anpassungen bei den Wohnimmobilienpreisen haben wir im ersten Halbjahr 2023 gesehen. Die Preisreduktion verlangsamt sich im zweiten Halbjahr. Die Preise nähern sich aktuell asymptotisch einem Tiefpunkt. Wann dieser erreicht wird, ist nicht absehbar. Realistisch ist Ende 2023 oder im Lauf von 2024.“ Mit asymptotisch ist üblicherweise eine abflachende Kurve gemeint.

Industria will im zweiten Halbjahr wieder verstärkt ankaufen. Ahlborn: „Wir haben in den ersten sechs Monaten 2023 drei Objekte für 68,3 Millionen Euro akquiriert. Im zweiten Halbjahr planen wir, für 200 bis 250 Millionen Euro zu investieren. Wir sehen hierfür auch gute Gelegenheiten. Der Druck auf die Verkäuferseite steigt. Immer mehr Developer erreichen eine finanzielle Schmerzgrenze. Sie müssen ihre Objekte anbieten und sich auf Preisnachlässe einlassen. Teilweise kommen sie von sich aus auf uns zu mit angepassten Preisvorstellungen.“

„Stimmungsaufhellung frühestens 2024“

Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden bei der Hamburg Commercial Bank, sagte: „Die Aussichten für die Immobilienwirtschaft bleiben verhalten. Das aktuelle Zinsniveau, die erhöhte Inflation sowie die unsichere konjunkturelle Entwicklung bremsen den Transaktionsmarkt massiv. Wir gehen daher von einer Marktbereinigung, einem Anstieg der Insolvenzen und Abschlägen von bis zu 30 Prozent bei den Immobilienwerten aus. Nach zwölf Jahren Boom braucht die Branche noch Zeit, um in der neuen Realität anzukommen. Mit einer Stimmungsaufhellung rechnen wir frühestens 2024, sofern sich Inflation und Zinsniveau bis dahin konsolidieren und es wieder mehr Transaktionen als Referenz gibt.“ Die Angebotsseite werde zunächst durch den Verkaufsdruck von Fonds, Bauträgern und Immobilien AGs belebt werden.

„Projektentwicklungen sind nach wie vor schwer zu kalkulieren und die meisten Banken sind zurückhaltend bei der Finanzierung. Dagegen nimmt der Wettbewerb um die Finanzierung von Core-Objekten und ‚green buidlings‘ stetig zu. Generell erwarten die Banken heute einen höheren Eigenkapitaleinsatz von ihren Kundinnen und Kunden“, so Axmann weiter. „Deutschland bleibt mittelfristig ein attraktiver Immobilienmarkt, allerdings fahren die meisten Akteure zurzeit ‚auf Sicht‘.“

„Immobilienmarkt reagiert mit sechs bis zwölf Monaten Verzögerung“

Torsten Hollstein, Geschäftsführer der CR Investment Management, kommentiert: „Wir gehen erst im Jahresverlauf 2024 von einem Wiedererstarken des Transaktionsmarktes aus. Die europäische Zentralbank hat den Leitzins erst letzte Woche auf 4,0 Prozent angehoben und wird voraussichtlich noch ein bis zwei weitere kleine Zinsanhebungen im laufenden Jahr vornehmen. Dies erschwert die Preisfindung auf den Immobilienmärkten und treibt die Refinanzierungskosten weiter in die Höhe. Dazu kommt, dass der Immobilienmarkt immer mit rund sechs bis zwölf Monaten Verzögerung auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung reagiert.”

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