Bewegen sich Washington und Peking auf einen ernsthaften Handelskrieg zu oder treten sie bei einer gewaltfreien Kraftprobe gegeneinander an? Wir denken, dass Letzteres der Fall ist, und raten vorerst dazu, Ruhe zu bewahren. Zwar schwächeln chinesische Aktien; ihre derzeitigen Bewertungen sind jedoch nicht unattraktiv. Der Zeitpunkt ist deshalb günstig, einen genaueren Blick auf die aktuelle Situation zu werfen. Ein Marktkommentar von Roger Merz, Head of mtx Portfolio Management bei Vontobel Asset Management.
Als Bottom-up-Anleger betrachten wir das Geschehen gerne aus nächster Nähe. Auch wenn es Turbulenzen gibt: Solange diese keine spürbaren Auswirkungen auf die Unternehmen haben, die wir im Blick haben, sind wir nicht allzu besorgt. Trotz der Eskalation des Handelsstreits zwischen den USA und China bleibt unser Portfolio asiatischer Aktien vorerst unverändert, und dies gilt auch für chinesische Titel.
Gewichtung von Schwellenländern verringern
Wir glauben, dass es derzeit keinen Grund gibt, Risiken abzubauen oder die Gewichtung von Schwellenländerunternehmen zu verringern. Obwohl die beiden Großmächte ihre Position im Ring bereits eingenommen haben, ist unserer Auffassung nach eine handelspolitische Lösung immer noch möglich. Wann sich diese eröffnen wird, ist allerdings ungewiss.
Die Handelsspannungen sind auch weiterhin der größte Risikofaktor für Schwellenländeraktien. Wahrscheinlich waren die Anleger mit Blick auf die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen den USA und China zu Beginn des Jahres etwas zu optimistisch. Dieser Optimismus beflügelte die Finanzmärkte trotz kontinuierlicher Abwärtskorrekturen der Gewinne je Aktie – Analysten haben jedoch ihre Ergebnisprognosen seit Jahresbeginn um zehn Prozent gesenkt.
Verliert Peking zuerst die Nerven?
Bei jeder Kraftprobe geht es darum, die Nerven zu bewahren. Auf den ersten Blick befindet sich Washington in einer guten Position, um maximalen Druck auf seinen chinesichen Rivalen auszuüben. Als weltweit führende Verbrauchernation sitzen die USA am längeren Hebel und können Strafsteuern auf chinesische Importe im Wert von Hunderten Milliarden US-Dollar erheben, die sie bislang nicht ins Visier genommen haben.
Es bleibt abzuwarten, ob Peking bei diesem Spiel die Nerven behalten wird. China könnte einen direkten Treffer vermeiden, indem das Land beispielsweise zusätzliche und effektivere Schritte zur Ankurbelung seiner Wirtschaft einleitet. So hat erst kürzlich die chinesische Zentralbank ihre Geldpolitik gelockert. Jetzt könnten die Behörden zudem damit beginnen, Liquidität für das Bankensystem bereitzustellen, die Infrastrukturausgaben zu erhöhen und den privaten Konsum anzukurbeln.
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