„Der Preis des Risikos steigt“, sagte Jean-Jacques Henchoz, der Chef des weltweit drittgrößten Rückversicherers, am Montag beim Branchentreffen in Monte Carlo. Im Blick hat der Manager vor allem immer häufiger werdenden mittelgroßen Naturkatastrophen. Zudem verteuert die hohe Inflation die Schäden. Auch Autofahrer in Deutschland müssten mit einer weiteren Erhöhung der Prämien rechnen, hieß es bei der Hannover Rück.
An der Börse kamen die Nachrichten gut an. Schließlich sagten auch der weltgrößte Rückversicherer Munich Re und der Branchenzweite Swiss Re in Monte Carlo höhere Prämien und zugleich eine steigende Nachfrage nach Rückversicherungsschutz voraus. Die Aktien von Hannover Rück und Munich Re legten am Montag bis zur Mittagszeit um anderthalb und zwei Prozent zu und gehörten damit zu den stärksten Titeln im Dax . Die Aktie der Swiss Re war mit einem Plus von anderthalb Prozent der zweitstärkste Gewinner im Schweizer Leitindex SMI .
Beim „Rendez-Vous de Septembre“ im Fürstentum Monaco loten Rückversicherer wie Munich Re und Hannover Rück traditionell mit Erstversicherern wie Allianz und Axa die Konditionen für die Vertragserneuerung im Schaden- und Unfallgeschäft zum nächsten Jahreswechsel aus.
„Die Logik des Marktes hat sich gedreht“, sagte Hannover-Rück-Chef Henchoz. Nachdem Erstversicherer wie Allianz und Axa mehrere Jahre lang die Verhandlungen bestimmt und wesentliche Preiserhöhungen verhindert hatten, können Rückversicherer wie Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück seit 2022 ihre Vorstellungen deutlich besser durchsetzen. In der Branche nennt man dies einen „harten Markt“ – weil die Preise nicht nachgeben, sondern unnachgiebig steigen.
Aus Sicht der Rückversicherer soll dieser Trend bei der Neuverhandlung der Verträge zum 1. Januar 2024 noch kein Ende finden. „Wir haben in den Erneuerungsrunden des laufenden Jahres deutlich adäquatere Preise und Konditionen erzielt. Allerdings reichen diese Verbesserungen in Anbetracht der nach wie vor anspruchsvollen Risikolage nicht aus“, sagte Henchoz.
Ob die Rückversicherer mit ihrer Preispolitik den Bogen bereits überspannt haben, darüber gehen die Ansichten auseinander. So hat die Ratingagentur Moody’s auf Basis einer Umfrage berichtet, dass neun von zehn Erstversicherern 2024 keine zusätzlichen Risiken mehr bei Rückversicherern abladen wollten. Die meisten von ihnen hätten als Grund die gestiegenen Preise genannt.
Daran glaubt die Führung der Hannover Rück ebenso wenig wie ihre Kollegen von Munich Re und Swiss Re. Allein die hohen Schäden durch Naturkatastrophen im ersten Halbjahr dürfte dazu führen, dass die Nachfrage nach Rückversicherungskapazität in diesem Segment weiter wächst. Hannover-Rück-Vorstand Sven Althoff erinnerte an die Überschwemmungen und die Waldbrände in Kanada und die Serien von schweren Gewittern mit Tornados und Hagel in den USA. „Die Hurrikansaison hat gerade erst begonnen“, sagte er.
Aus Sicht der Hannover Rück dürfte der sich beschleunigende Klimawandel dazu beitragen, dass tropische Wirbelstürme, Hitzewellen und Winterfrost, extreme Regenfälle, Waldbrände und schwere konvektive Stürme in vielen Regionen der Welt zunehmen. Der Vorstand verwies dabei auf die jüngsten Waldbrände auf Hawaii sowie die Überflutungen in Slowenien und Österreich. Die hohe Inflation verteuert die Versicherungsschäden zusätzlich – was auch für klimaunabhängige Katastrophen wie Erdbeben gilt.
Auch bei den deutschen Kfz-Versicherern schlagen die steigenden Preise für Ersatzteile und Reparaturen teuer zu Buche. Um 2024 nachhaltig in die schwarzen Zahlen zu kommen, müssten die deutschen Kfz-Versicherer die Prämien ihrer Kunden um etwa 20 Prozent anheben, sagte Hannover-Rück-Deutschlandchef Michael Pickel. Dies sei aber unrealistisch.
Schon für 2023 hätten die Kfz-Versicherer die Prämien laut Pickel um zehn Prozent anheben müssen, um nicht in die roten Zahlen zu rutschen. Allerdings seien die Prämien im Schnitt nur um drei Prozent gestiegen. Als größter Kfz-Rückversicherer in Deutschland hat die Hannover Rück einen besonders guten Einblick in die Tarifgestaltung von Erstversicherern wie Huk Coburg und Allianz.
Unterdessen plädierte die Hannover-Rück-Führung dafür, in Zusammenarbeit mit Regierungen auch Risiken versicherbar zu machen, für die es bisher keine oder keine ausreichenden Deckungen gibt. Dazu zählten Risiken wie die Corona-Pandemie, die zu flächendeckenden Lockdowns führte. „Solch ein Risiko können wir nicht versichern“, sagte Henchoz.
Das Gleiche gilt dem Manager zufolge für Risiken rund um Computersysteme, Internet und Daten, die bisher nur zu geringen Teilen durch sogenannte Cyberversicherungen abgedeckt werden. Hier brauche es eine Kooperation mit Regierungen, bei denen der Staat ab einer gewissen Schadensumme einspringe. Ohne eine solche „Backstop“-Lösung werde die angebotene Versicherungskapazität im Cyber-Markt begrenzt bleiben, sagte der Manager. Der weltgrößte Rückversicherer Munich Re prognostiziert, dass sich die volkswirtschaftlichen Schäden durch Cyber-Attacken bis 2027 im Vergleich zu 2022 auf etwa 24 Billionen US-Dollar (22,4 Billionen Euro) verdreifachen werden.(dpa-AFX)