Cash.: Im nächsten Jahr soll bereits eine Exit-Strategie umgesetzt werden. Wie wird diese aussehen?
Halver: Exit-Strategien sind zunächst Märchen, keine Tatsachenberichte. Bevor die Konjunktur nicht eindeutig einen Boden gefunden hat, wird es kein Ende der Stützungen geben. Nach den Krisen 1937 und 1982 haben zu frühe restriktive Maßnahmen der US-Notenbank die V-Formation der Konjunktur und des Aktienmarkt zerstört. Konjunktur- und Geldpolitik haben genau einen Schuss frei – und der muss sitzen. Bundesbankpräsident Axel Weber ist ohne jeden Zweifel Glauben zu schenken, dass er bei Inflationsgefahren einen Exit anstrebt. Doch wird er sich etwa gegen südeuropäische Interessen durchsetzen müssen, die Stabilität weniger stark verfolgen und geneigt sein könnten, Probleme auch mit Inflation lösen.
Cash.: Angeblich haben wir zurzeit Deflation. Wie ist das angesichts der Geldmengen, die den Kapitalmarkt fluten, möglich?
Halver: In Deutschland handelt es sich eher um eine Desinflation, also eine vorübergehende Preissenkung. Dank statistischer Kosmetik haben wir in Amerika tatsächlich wesentlich höhere Inflationsraten, als offiziell ausgewiesen werden. Ein gewisses Maß an nicht veröffentlichter Geldentwertung ist willkommen, um die Staatsverschuldung aufzufressen.
Cash.: Was macht eine Deflation so gefährlich?
Halver: Sie ist das Grundübel der Volkswirtschaft. Amerika und die westliche Welt haben im Gegensatz zu Japan während der Asienkrise umgehend reagiert, um diesen Sündenfall zu verhindern. Deflation darf sich niemals in den Köpfen der Marktteilnehmer festsetzen. Eine Abwärtsspirale käme in Gang und die extreme Verschuldung der Nationen würde sich noch weiter dramatisieren. Das Schlimmste ist, dass eine Deflation den Mittelstand zersetzt, das viel beschworene Rückrat unserer Gesellschaft. Internationale Konzerne können dagegen Einkauf und Risiko über mehrere Märkte viel stärker streuen. Sollte sich wirklich eine Deflation abzeichnen, muss Inflation trotz aller Probleme als Heilsbringer angesehen werden. Immerhin verleitet sie ja zum Konsum, da morgen alles teurer wird. Der andere Fall lähmt die Marktteilnehmer und das Ende ist nah.
Cash.: Die EZB beklagt sich über einen schwachen Dollar. Ist ein niedriger Kurs für die USA nützlich, um Exporte und Bilanz zu schönen?
Halver: An einem deutlich schwachen Dollar ist niemand interessiert. Grundsätzlich haben die USA nichts gegen eine moderate Abwertung. Auf Dauer schadet sie aber dem Nimbus amerikanischer Stärke. Wir brauchen die Vereinigten Staaten immer noch als ruhenden Pol der Weltwirtschaft. Neben den Rohstofflieferanten sind auch China, Europa und Japan auf diesen Absatzmarkt angewiesen. China etwa ist weder willens noch aktuell in der Lage, mit dem Renminbi eine neue Leitwährung darzustellen. Stattdessen legen sie immer noch ihre Überschüsse in Dollar an – ein Gleichgewicht des Schreckens. Wenn in Asien eine selbst tragende Binnenkonjunktur entstanden ist, wird der Renminbi subtil in einen Korb von Leitwährungen integriert. Die Chinesen sind kluge Kaufleute, die das feine System der Währungen nicht ad hoc mit einem Schock gefährden wollen.
Interview: Marc Radke
Foto: Baader Bank