Hitliste der Finanzvertriebe 2023: Ein anstrengendes Jahr

Jörg Kintzel
Foto: Valuniq
Jörg Kintzel, Valuniq

Der Ukraine-Krieg und seine wirtschaftlichen Folgen treffen auch die deutschen Finanzdienstleister: Für die Mehrzahl der von Cash. exklusiv befragten Vertriebe verlief 2022 negativ.

Nach der Bewältigung der Coronakrise steht die Finanzdienstleistungsbranche seit Februar 2022 vor ihrer nächsten großen Herausforderung: dem Ukraine-Krieg und seinen wirtschaftlichen Folgen. Wie wirken sich Inflation und hohe Energiekosten auf die Bereitschaft der Deutschen aus, fürs Alter vorzusorgen? Erste Finanzvertriebe meldeten zwar zu Jahresbeginn, dass sie ihre Erlöse im Geschäftsjahr 2022 trotz der Krisensituation steigern konnten, betonten aber auch, dass die Verunsicherung der Kundinnen und Kunden besonders im zweiten Halbjahr deutlich zu spüren gewesen sei. Wie hat sich das auf die Branche insgesamt ausgewirkt?

Ein wichtiger Gradmesser, um Stimmungen und Trends in der Branche zu erfassen, ist die Hitliste der Finanzvertriebe, die Cash. einmal jährlich veröffentlicht. Die wichtigste Erkenntnis der diesjährigen Erhebung: Für die Mehrzahl der von Cash. exklusiv befragten Unternehmen verlief das Jahr 2022 negativ. Insgesamt konnten nur 36 Prozent der Unternehmen ihre Provisionserlöse steigern (Vorjahr: 86 Prozent). 15 Allfinanzvertriebe und sechs Spezialvertriebe (64 Prozent) mussten im Vergleich zum Vorjahr Verluste hinnehmen – häufig zwar noch in einem moderaten Umfang, aufgrund der Häufigkeit aber doch gravierend. Der ausschlaggebende Grund für den Rückgang scheint denn auch tatsächlich der Krieg gewesen zu sein, das zeigen die Antworten der Vorstände und Geschäftsführer – ausdrücklich oder zwischen den Zeilen. Wenngleich sie natürlich auch betonen, trotzdem irgendwie auf Erfolgskurs geblieben zu sein.

Die „ewigen Drei“ an der Spitze konnten ihre Plätze auch in diesem Jahr verteidigen. Mit Provisionserlösen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro belegt die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) den ersten Platz bei den Allfinanzvertrieben. Im Vergleich zum Vorjahr sanken die Erlöse allerdings leicht um 1,62 Prozent (Wachstum im Vorjahr: 13,06 Prozent).„Allen Herausforderungen zum Trotz setzt die Deutsche Vermögensberatung ihren Erfolgsweg seit Jahren beständig fort. In wirtschaftlich unruhigen Zeiten hat unsere Finanzberatung auch im vergangenen Jahr erneut die Umsatzschwelle von zwei Milliarden Euro deutlich übertroffen“, kommentiert Vorstand Lars Knackstedt das Ergebnis. Dabei agiere die DVAG als inhabergeführtes Unternehmen aus einer Position der Stärke und setze auf eigenes Kapital. „Die hohe Eigenkapitalquote macht uns krisensicher und weitgehend unabhängig vom Kapitalmarkt. Mit unserem besonderen Geschäftsmodell sind wir exzellent für die Zukunft aufgestellt.“

Auch der Zweitplatzierte musste leichte Verluste hinnehmen: Beim Wieslocher Finanzdienstleister MLP sanken die Provisionserlöse um 3,91 Prozent auf 842,4 Millionen Euro (Wachstum im Vorjahr: 22,48 Prozent).„In 2022, einem Jahr mit außergewöhnlichen Krisen und Herausforderungen, haben wir als MLP Gruppe mehr denn je unter Beweis gestellt, dass wir auch in sehr unruhigem Fahrwasser unseren Kurs halten können und zugleich unseren Zielen weiter näherkommen“, bemüht Vertriebsvorstand Oliver Liebermann Metaphern aus der Schifffahrt. „Dass unsere Kundinnen und Kunden gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten die persönliche Beratung sehr schätzen, sehen wir auch am erfolgreichen Auftaktquartal im laufenden Jahr.“

Auf Platz drei läuft – um noch kurz im Bild zu bleiben – die Swiss Life Holding GmbH ins Ziel ein. Die Provisionserlöse stiegen minimal um 0,21 Prozent auf 680,7 Millionen Euro (Wachstum im Vorjahr: 23,34 Prozent). „Inflation und Zinswende haben die Menschen im vergangenen Jahr beschäftigt. Nach zwei Rekordjahren in Folge ist es erneut gelungen, unsere Erlöse aus dem Beratungsgeschäft in Deutschland zu steigern“, erklärt Dr. Matthias Wald, Leiter Vertrieb.Positiv entwickelte sich auch die Beraterzahl: „Wir sind stolz darauf, die Zahl unserer lizenzierten Finanzberaterinnen und Finanzberater trotz des allgemeinen Fachkräftemangels sogar um sieben Prozent gesteigert zu haben, was unseren Wachstumskurs unterstreicht. Mehr als 5.900 lizenzierte Finanzberaterinnen und Finanzberater bieten ihren Kundinnen und Kunden an über 770 Standorten eine individuelle Finanz- und Vorsorgeplanung für ein selbstbestimmtes Leben an. Die ersten Monate im Jahr 2023 zeigen mit einem deutlich zweitstelligen Wachstum, dass unsere Beratung mehr denn je gefragt ist.“

RangGesellschaftPE 2022 in Mio. EuroVeränderung zu 2021 in ProzentKap.-Bet. DritterBeraterzahlFußnoten
1DVAG2204,60-1,62jaÜber 18000
2MLP842,40 (1)-3,91ja2100(1) Erlöse aus Provisionen und Honoraren
3Swiss Life Holding GmbH680,700,21ja5943
4OVB331,90 (2)3,49ja5772(2) Inklusive 270,70 Millionen Euro Provisionen Ausland
5Telis Finanz174,201,46nein1906
6Dr. Klein135,00-3,57ja650
7Global Finanz66,74-3,76ja356
8Bonnfinanz47,80-18,15ja370
9Finum Gruppe34,69 (3)-5,14jaCirca 250(3) Inklusive 11,42 Millionen Euro Provisionen Ausland
10Formaxx/Mayflower32,44 (4)6,98neinÜber 250(4) Abweichendes Geschäftsjahr vom 1.10.2021 bis zum 30.09.2022
11Plansecur28,20 (5)-6,31nein176(5) inklusive Beratungshonorare in Höhe von 0,40 Millionen Euro
12Valuniq26,24104,23nein76
13Königswege22,10 (6)25,27ja320(6) inklusive Beratungshonorare in Höhe von 1,59 Millionen Euro, untestiert
14Compexx Finanz20,03 (7)9,86ja253(7) Inklusive 0,07 Millionen Euro Provisionen Ausland
15FP Finanzpartner16,47-4,07nein104
16EFC14,54 (8)-9,35nein44(8) Inklusive Beratungshonorare in Höhe von 0,47 Millionen Euro
17Accaris Financial Planning7,35 (9)12,39nein25(9) Inklusive Beratungshonorare in Höhe von 0,12 Millionen Euro
18RWS Vermögensplanung7,24-14,39nein280
19DBFP5,28-14,47nein67
20Deutuna4,92-1,10nein43
21BVF3,89 (10)-8,16nein174(10) untestiert
22Global Vermögensberatung1,75-11,52nein25
23Ecoplanfinanz1,5218,75nein15
24Finanz Service Bielefeld1,51 (11)2,84nein29(11) Inklusive Beratungshonorare in Höhe von 0,07 Millionen Euro, untestiert
25Profundo1,12 (12)7,69nein31(12) untestiert
26FBV0,62 (13)-6,06nein8(13) untestiert

Die höchste Wachstumsrate erzielte die Valuniq AG aus dem bayrischen Hilpoltstein, die ihre Provisionserlöse im Vergleich zum Vorjahr um 104,23 Prozent auf 26,24 Millionen Euro steigern konnte (Wachstum im Vorjahr: 7,31 Prozent). „Wir haben im vergangenen Geschäftsjahr unseren Jahresumsatz zum Vorjahresvergleich verdoppelt. Das zeigt vor allem eines: Unsere Mandanten erkennen den Wert unserer unabhängigen und strategischen Finanzberatung. Es zeigt aber auch, dass Wachstum in der Branche nicht nur durch ausufernde Berater-Struktur erzielbar ist. Vielmehr ist die konsequente und disziplinierte Aus- und Weiterbildung der aktiven Berater sowie ein stringenter Ausbau der Angebote wichtig. Gemeinsam haben wir uns rund um unseren Vorstandsvorsitzenden Andreas Holub mit Erfolg – und anders als viele Marktteilnehmer – für den zweiten Weg entschieden. Als Konsequenz ernten wir seit Jahren die Früchte für diese Entscheidung“, sagt Vertriebsvorstand Jörg Kintzel zu diesem Ergebnis.

Nur drei Allfinanzvertrieben gelang es 2022, zweistellige Wachstumsraten bei den Provisionserlösen zu erzielen – 2021 waren es noch 16. Deutlich fiel die Steigerung bei der Königswege GmbH aus Heidelberg aus (plus 25,27 Prozent auf 22,1 Millionen Euro, nach plus 85,90 Prozent im Vorjahr). Trotz des Wachstums bezeichnet Geschäftsführer Stefan Gierschke das Geschäftsjahr 2022 als „in vielerlei Hinsicht anstrengend.“ Das Jahr nach der Rechnungszinsänderung sei historisch an sich schon schwer. „Dazu kam Ukraine-Krieg, Inflation und Energiekrise. Die Verunsicherung der Kunden ist sehr spürbar. Wir haben das Thema Inflation und die damit verbundenen Chancen im Bereich der Immobilien vertrieblich genutzt und konnten unser Ergebnis klar steigern. Darauf sind wir extrem stolz. Wir blicken auf ein extrem anstrengendes Jahr 2022, haben dennoch viel Energie und Motivation gesammelt, damit 2023 nochmal besser sein wird.“

Leicht zugelegt hat die Telis Finanz aus Regensburg. Die Provisionserlöse kletterten um 1,46 Prozent auf 174,2 Millionen Euro(Vorjahr: Wachstum um 19,74 Prozent). „2022 war für die gesamte Finanz- und Versicherungsbranche ein herausforderndes Jahr. Wir sind stolz, dass wir unseren Wachstumstrend fortsetzen und somit das neunte Rekordjahr in Folge verbuchen konnten“, so Vertriebsvorstand Sven Schöntag. „Nicht nur die Fortschritte in der Digitalisierung und die strategischen Weiterentwicklungen waren es, die uns das vergangene Jahr begleitet haben. Kombiniert mit unserer bewährten Vorgehensweise beginnend mit einer umfassenden Datenaufnahme und der individuellen Prüfung gelingt es uns, für unsere Mandanten Einsparpotenziale und Fördermöglichkeiten zu realisieren.“ Der alleinige Fokus liege auf den Wünschen und Zielen der Mandanten. „Zusammen mit unserer Eigenständigkeit in Kapital und Prozess wird es uns auch in Zukunft gelingen, unsere Beratungssysteme selbst zu gestalten und unseren Marktvorsprung weiter auszubauen. Für das Jahr 2023, und insbesondere die Folgejahre, gehen wir von einer Fortführung unserer positiven Geschäftsentwicklung aus.“

Seite zwei: Die Ergebnisse der Spezialvertriebe

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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