„Im Grunde brauchen wir Ausgaben senkende Strukturreformen in allen Zweigen der Sozialversicherungen“, sagte Markus Jerger, Vorsitzender des Bundesverbandes Der Mittelstand (BVMW). „Eine weitere Erhöhung der Krankenkassenbeiträge kann sich Deutschland nicht mehr leisten.“ Schon jetzt habe man die größte Abgaben- und Steuerlast in Europa.
Der Vorstandschef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, sagte der „Bild“: „Der Minister hat eine strukturelle Unterfinanzierung der (gesetzlichen Krankenversicherung) GKV selbst angesprochen, will die Hälfte des Defizits aber mit Einmal-Maßnahmen lösen.“ Dadurch drohe den Versicherten 2024 die nächste Erhöhung. In die gleiche Kerbe schlug der CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger in der „Augsburger Allgemeinen“: „Die teils konfusen Einzelmaßnahmen werden nicht dazu führen, den absehbaren Beitrags-Tsunami aufzuhalten“, meinte er.
Auch bei der AOK stoßen die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz auf Kritik. Diese hätten „mit nachhaltiger Finanzierung nichts zu tun“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann. Vielmehr laufe das Maßnahmenpaket „auf eine enorme Zusatzlast für Beitragszahlerinnen und Beitragszahler hinaus“
Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen brachte eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze ins Spiel. „Wir müssen mehr Solidarität im System schaffen“, sagte Dahmen der Deutschen Presse-Agentur. In diesem Jahr liegt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem Verdienst von 58 050 Euro (4837,50 Euro pro Monat). Bis zur Beitragsbemessungsgrenze ist das Einkommen eines Beschäftigten beitragspflichtig, alles darüber ist beitragsfrei. „Der Staat muss die Einnahmeseiten der gesetzlichen Krankenversicherung verbessern, damit am Ende nicht die Beitragszahlenden die Löcher stopfen.“
Ermäßigter Mehrwertsteuersatz auf Medikamente?
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, schlug die Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel vor, um die Kassen deutlich zu entlasten. Dies sehe Lauterbachs Entwurf aber nicht vor.
Der Gesundheitsminister hatte am Dienstag angekündigt, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag in der Krankenversicherung 2023 wohl um 0,3 Prozentpunkte steigen werde. Dies bringe voraussichtlich zwischen 4,8 und 5 Milliarden Euro ein. Die Beitragserhöhung solle Teil eines Maßnahmenpakets zur Deckung eines Defizits von 17 Milliarden Euro in der GKV sein. Leistungskürzungen werde es nicht geben.
Derzeit liegt der durchschnittliche Zusatzbeitrag bei 1,3 Prozent – die konkrete Höhe legen die Kassen selbst fest. Der gesamte Beitrag der Versicherten umfasst daneben den allgemeinen Satz von 14,6 Prozent des Bruttolohns.
Bis zu 87 Euro mehr
Das Vergleichsportal Check24 hat die für 2023 geplanten Beitragserhöhungen in der gesetzlichen Krankenversicherung durchgerechnet. Danach liegen die maximalen Mehrkosten bei einem Einkommen von 58.050 Euro für einen Arbeitnehmer, eine Arbeitnehmerin bei 87 Euro jährlich. Die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung liegt bei 58.050 Euro. Das Einkommen darüber ist beitragsfrei.
Dieselben Kosten von 87 Euro per annum fallen dann auch auf für den Arbeitgeber an. Bei einem Jahresgehalt von 40.000 Euro liegen die Kosten immerhin noch bei 60 Euro. Selbstständige, die freiwillig gesetzlich krankenversichert sind, zahlen maximal 174 Euro p. a. Grund: Selbständige tragen den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil. Daher sind ihre Kosten doppelt so hoch.
„Die Beitragssätze für gesetzlich Versicherte erreichen trotz des Steuerzuschusses ein neues Rekordniveau“, sagt Dr. Daniel Güssow, Managing Director Krankenversicherung bei Check24. „Der Zusatzbeitrag steigt auf durchschnittlich 1,6 Prozent, der Gesamtbeitrag auf 16,2 Prozent (dpa-AFX & rc)