Infrastruktur: „Hoher Investitionsbedarf treibt die Kurse“

Inwieweit verhalten sich Infrastrukturunternehmen anders verglichen mit dem breiten Aktienmarkt?

Linhardt: Aktien aus dem Bereich Basis-Infrastruktur leiden deutlich weniger unter konjunkturellen Abschwüngen als der breite Aktienmarkt. Das hängt damit zusammen, dass die Unternehmen in der Regel monopolistische Geschäftsmodelle mit hohen Markteintrittsbarrieren sowie einer relativ stetigen Nachfrage nach ihren Gütern und Leistungen haben. Diese Charakteristika machen die Zahlungsströme der Unternehmen vorhersehbarer. Hinzu kommen Vertragsanpassungen, die gestiegene Kosten und Inflation berücksichtigen. Die langfristig hohe Nachfrage für Infrastruktur macht sie zudem zu einem Wachstumsthema in einem Umfeld, in dem sich globales Wachstum langfristig abschwächt.

Gibt es Beispiele dafür, dass Unternehmen aus diesem Sektor wie ein Stabilitätsanker wirken?

Linhardt: Aktien aus dem Segment Basis-Infrastruktur sind in Krisenphasen deutlich stabiler als der breite Aktienmarkt. Das war jüngst im Jahr 2018 zu beobachten, als der europäische Aktienmarkt gemessen am Stoxx Europe 600 um 13,2 Prozent tauchte, während der themenspezifische FTSE Developed Europe Core Infrastructure Index nur 2,8 Prozent verlor. Auch in der globalen Finanzmarktkrise 2007 bis 2009 verhielten sich Infrastrukturaktien deutlich stabiler als der breite Markt. Der Grund für diese relativ bessere Entwicklung liegt unter anderem an den monopolistischen Strukturen, langlebigen Verträgen und auch den sehr attraktiven Dividendenausschüttungen dieser Unternehmen. Ein gutes Beispiel ist Terna aus Italien, Betreiber des italienischen Hochspannungsnetzes. Über 90 Prozent der Unternehmenseinnahmen von Terna sind reguliert und damit weitestgehend unabhängig von Kapitalmarktbewegungen. Inflation und gestiegene Kapitalmarktkosten führen zudem zu Anpassungen des regulatorisch genehmigten Renditelevels. Dies führte im schwierigen vierten Quartal 2018 zu einer Outperformance der Aktie von 20 Prozentpunkten gegenüber dem italienischen Aktienmarkt, der von gestiegenen Risikoprämien und einer hohen Anzahl von Kredit-Herabstufungen italienischer Unternehmen betroffen war. Weitere Stabilitätsfaktoren können sich durch Sondersituationen wie Übernahmen durch strategische Bieter ergeben, wie im Fall Innogy/RWE und Eon.

In welchem Umfang sind staatliche Infrastrukturinvestitionen in der Lage, die Rolle der Notenbanken als stabilisierende Faktoren in konjunkturellen Schwächephasen zu übernehmen?

Linhardt: Im nächsten Abschwung wird man gar nicht umhinkommen, die Fiskalpolitik stärker als antizyklisches Instrument einzusetzen, weil die Möglichkeiten der Geldpolitik weitgehend erschöpft sind. Infrastrukturinvestitionen dürften dabei einen namhaften Teil eines staatlichen Konjunkturpakets ausmachen. Sie sind allerdings schwerfällig in der Umsetzung, weshalb man sie um weitere Fiskalmaßnahmen ergänzen wird, zum Beispiel Steuersenkungen oder Konsumgutscheine. Vom Umfang her sollte ein staatliches Infrastrukturprogramm bei mindestens 1,0 bis 1,5 Prozent des BIP liegen, das wären in der Eurozone etwa 150 Milliarden Euro. Ein solches Volumen ist notwendig, um einen erkennbaren Konjunkturimpuls zu erzeugen.

Was sind die wesentlichen Kurstreiber beim Thema Basis-Infrastruktur?

Linhardt: Auf der Nachfrageseite sind dies vor allem der hohe Investitionsbedarf in Industriestaaten und Schwellenländern sowie die Bedeutung als globaler Wettbewerbsfaktor im Zuge des digitalen und demografischen Wandels, die Infrastruktur zu einem langfristigen Wachstumsthema machen. Ein weiterer Aspekt ist die regulatorische Sicherheit, die vor allem im rein regulierten Bereich für die Langzeitentwicklung eines Unternehmens ausschlaggebend ist.

Interview: Frank O. Milewski, Cash.

Foto: Bantleon

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