Honorar vs. Provision: Ein Plädoyer für mehr Sachlichkeit

In einer großen deutschen Tageszeitung war vor einigen Tagen zum Thema Honorarberatung bei Finanzprodukten sinngemäß zu lesen, dass der Honorarberater die Möglichkeit hat, sich vollständig auf den Bedarf des Kunden zu konzentrieren.

Kolumne von Franz-Josef Rosemeyer, A.S.I. Wirtschaftsberatung

Franz-Josef Rosemeyer, A.S.I. Wirtschaftsberatung
„Bei nüchterner und logischer Betrachtung müsste man unterstellen, dass es dem Honorarberater von Beginn an egal ist, was mit den Verträgen passiert, ja ihm sogar egal sein kann, ob der Kunde überhaupt seinen Beratungsempfehlungen folgt. „

Bei der Lektüre eines solchen Textes sieht man ihn förmlich vor sich: den „provisionsgetriebenen“ Finanzvermittler, der bei der Produktrecherche ausschließlich auf die Höhe der Vermittlungsprovision fixiert ist, ohne Rücksicht auf Produktqualität oder gar die Bedarfssituationen seiner Kunden. Auf der anderen Seite des Bildes sitzt der „gute“ Honorarberater, der frei von Provisionsinteressen den (Produkt-)markt ausschließlich am Kundeninteresse orientiert analysiert und eine lupenreine objektive und damit ehrenhafte Beratung abliefert.

Beide Vergütungssysteme sichern den Broterwerb

Offensichtlich soll dem Leser damit suggeriert werden, dass Honorarfinanzberatung den Markt von unseriösen Anbietern mit einem Schlag befreit. Dabei hilft diese Polarisierung niemandem.

Zunächst einmal muss man konstatieren, dass beide Vergütungssysteme, sowohl die Provisionsvergütung als auch die Honorarvergütung, den Broterwerb des Leistungserbringers, also des Beraters und/oder Vermittlers, sicherstellen. Je nachdem, welches Geschäftsmodell präferiert wird, muss der Unternehmer dafür Sorge tragen, dass er betriebswirtschaftlich effizient arbeitet. Es bedarf also keiner besonders großen Fantasie, um sich in beiden Vergütungssystemen die Verfolgung gewisser Eigeninteressen, bis hin zu Tatbeständen unseriösen Verhaltens, vorzustellen.

Der Beweis, dass Honorarberatung nicht automatisch Eigeninteressen in den Hintergrund treten lässt oder auch nur ansatzweise vor unseriösen Machenschaften schützt, ist durch die vielfältigen Skandale in den klassischen Honorarberufen, seien es Steuerberater/Wirtschaftsprüfer, Ärzte/Zahnärzte oder Anwälte längst erbracht. Die Schwarz/Weiß-Malerei und die Entweder/Oder-Diskussion bei der Bewertung der Vergütungssysteme führt offensichtlich zu nichts.

Öffentliche versus private Ausbildung des Nachwuchses

Vielmehr muss es darum gehen, sowohl die Qualität als auch die Seriosität in der Finanzberatung nachhaltig zu verbessern und die originären Kundeninteressen im Auge zu behalten. Grundsätzlich darf man dabei durchaus feststellen, dass auch der weitaus überwiegende Teil der provisionsbasiert vergüteten Beraterinnen und Berater ein hohes Interesse an der Zufriedenheit der eigenen Kunden allein schon im Hinblick auf eine langfristige Geschäftsbeziehung hat und insofern eine seriöse, am Kundeninteresse orientierte Beratung erbringt.

In der Qualitäts- und Qualifizierungsdiskussion ist zu allererst die Frage zu beantworten: Wer bildet aus und wer trägt dafür die Kosten?  Nahezu allen klassischen Honorarberufen liegt zunächst eine universitäre und damit öffentlich finanzierte Ausbildung zugrunde. Die Ausbildung von Finanzberatern erfolgt (nahezu) ausschließlich durch die beteiligten Unternehmen. Gleiches gilt auch für die Finanzierung dieser Ausbildung.

Wer also der ausschließlichen Honorarberatung das Wort redet, muss diese Kosten zunächst einmal bewerten, bei der Festlegung des angemessenen Honorars einpreisen oder andere Lösungsvorschläge bereit halten. Die Lösung dieser Frage ist unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung entsprechenden Beraternachwuchses von ganz zentraler Bedeutung.

Weiterhin ist in der Qualitätsdiskussion der Veränderungsgeschwindigkeit des Marktes, auch gesetzlicher Rahmenbedingungen sowie der rasant zunehmenden Komplexität in der Beratung Rechnung zu tragen.

Komplexitätszunahme erfordert hochqualifizierte Berater

Ohne im Detail darauf eingehen zu wollen, lässt sich die Komplexitätszunahme am Beispiel der Altersvorsorge verdeutlichen. Wenn in den letzten Monaten in ziemlich undifferenzierter Weise auf die Lebensversicherungsbranche „eingedroschen“ wird, ist in erster Linie das konventionelle Modell mit Garantieverzinsung gemeint. Andere Produktlösungen, die seit Jahren existieren und je nach Ausgangssituation und Risikoneigung des Kunden echte Alternativen sind und beratungsseitig beherrscht werden müssen, finden keine Berücksichtigung. Als Beispiele seien hier genannt fondsbasierte, gemanagte Versicherungsprodukte, 2-Topf- oder 3-Topf-Hybrid-Modelle oder gar VA-Produkte.

Hinzu kommen die Veränderungen in den steuerlichen Rahmenbedingungen, sowohl bei den Produkten privater als auch betrieblicher Altersvorsorge. Diese Komplexität erfordert also hochqualifizierte Berater, deren Weiterbildung organisiert und finanziert werden muss.

Wenn wir uns den originären Kundeninteressen (in Bezug auf die Vergütungsform) zuwenden, ist zunächst die Frage zu beantworten: Wer ist bereit und in der Lage, auskömmliche Beratungshonorare zu zahlen? Dabei ist festzustellen, dass in Deutschland die Honorarvergütung auf Privatkundenebene keine selbstverständliche und alltägliche Vergütungsform ist. Nehmen wir wieder die klassischen Honorarberufe, dann bleibt festzuhalten, dass das ärztliche/zahnärztliche Honorar in der Regel von der Krankenversicherung übernommen wird.

Honorare: Fehlendes Selbstverständnis

Die Bereitschaft, im Privatbereich Rechtsanwälte für Rechtsstreitigkeiten einzuschalten, ist maßgeblich vom Vorhandensein einer Rechtschutzversicherung abhängig und auch die Einschaltung von Steuerberatern für die private Steuererklärung findet nicht flächendeckend statt. Selbst Häuser werden immer häufiger von Bauträgern gekauft und nicht von Architekten gegen Honorar frei geplant.

Dieses fehlende Selbstverständnis, Honorare zu zahlen, führt aber auch dazu, dass die meisten Privatkunden nicht in der Lage sind, die Angemessenheit eines Honorars realistisch einzuschätzen. Dazu kommt, dass wesentliche Teile der Bevölkerung sich aus finanziellen Gründen keine qualifizierte Beratung leisten könnten. Dieser Sachverhalt wurde ja auch schon politisch aufgegriffen. Der Vorschlag einer Partei, deren Kernkompetenz nicht unbedingt in der Wirtschaftspolitik vermutet wird, für diese Verbraucher Beratungsgutscheine auf steuerfinanzierter Basis auszugeben, soll hier nicht weiter verfolgt werden.

Fokussierung auf den Kundenbedarf?

Als häufiges Argument für die Honorarberatung wird die ausschließliche Fokussierung auf den Kundenbedarf angeführt. Auch hier darf mit Fug und Recht bezweifelt werden, ob die Aussage so richtig ist.

Während man beim provisionsvergüteten Berater unterstellt, dass ihm nach Ablauf der Stornohaftungszeit egal ist, was mit den vermittelten Verträgen passiert, müsste man bei nüchterner und logischer Betrachtung unterstellen, dass es dem Honorarberater von Beginn an egal ist, was mit den Verträgen passiert, ja ihm sogar egal sein kann, ob der Kunde überhaupt seinen Beratungsempfehlungen folgt. Schließlich wird er ausschließlich für die Beratungsleistung, unabhängig von sich daraus ergebenden Kundenhandlungen, vergütet.

Viele Aspekte in der Gegenüberstellung der provisionsbasierten Vergütung und der Honorarvergütung sind in den vorstehenden Ausführungen gar nicht beleuchtet worden. Beispielhaft seien genannt die Beraterhaftung, die eigentlich politisch gewollte Förderung der (produkt-)unabhängigen Beratung oder die spartenübergreifende Beratung. Gleiches gilt für die Frage der Mehrfachberatungsleistungen, Inkassoregelungen oder auch Forderungsausfallrisiken.

Heilsbringende Honorarberatung?

Es geht auch nicht darum, das Für und Wider der unterschiedlichen Vergütungsformen gegeneinander aufzurechnen. Vielmehr sollte deutlich werden, dass die undifferenzierte und verklärte Konzentration auf die heilsbringende Wirkung der Honorarberatung erhebliche Gefahren in sich trägt. Dies gilt sowohl für die Bereitstellung von Beratungskapazitäten als auch für die Inanspruchnahme notwendiger Beratungsleistungen und den Erhalt von Arbeitsplätzen.

Beratungsmissbrauch lässt sich weder im einen noch im anderen Vergütungssystem ausschließen. Umso wichtiger ist es, betrügerische Machenschaften konsequent zu ahnden. Welche Form der Beratungsvergütung er wählen möchte, sollte letztendlich der Kunde und damit der Markt entscheiden.

Beide Systeme, oder auch Mischformen der unterschiedlichen Vergütungsvarianten, finden mit großer Wahrscheinlichkeit ihre Anhänger.

Autor ist Franz Josef Rosemeyer, Vorstand der A.S.I. Wirtschaftsberatung AG

Foto: A.S.I. Wirtschaftsberatung AG

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