Auch wenn das Griechenland-Gerangel für Schwankungen sorgt, hat sich die Ausgangslage an den Kapitalmärkten nicht verändert.
Marktkommentar: Christian Heger, HSBC Global Asset Management (Deutschland)
Die Zuspitzung der Griechenland-Krise hat den zaghaften Erholungsansätzen ein jähes Ende bereitet. Da es für einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Eurozone keine Blaupause gibt, dürfte der Poker anhalten. Gefährden die Probleme um Griechenland unser positives Szenario für risikotragende Assets? Zumindest der Blick auf die Eurozone gibt Anlass zur Zuversicht. So haben sich trotz des Griechenland-Konflikts die Einkaufsmanagerindizes im Juni nach zwei schwächeren Vormonaten deutlich verbessert. Der besonders kräftige Anstieg in den alten Sorgenländern Frankreich und Italien zeigt zudem, dass die zaghaften Reformen ihre Wirkung entfalten.
Wachstumsüberraschung in der Eurozone
Das niedrige Zinsniveau, der gedrückte Euro und der Anstieg der Kreditnachfrage haben daher weiter das Potenzial, der Eurozone 2015 eine positive Wachstumsüberraschung zu bescheren. Gleichzeitig gibt es keinen Zweifel, dass die Europäische Zentralbank einen unliebsamen Zinsanstieg in den Peripherieländern mit allen Mitteln bekämpfen wird. Ein vorschnelles Ende des Aufkaufprogramms von monatlich rund 60 Milliarden Euro ist daher weniger denn je in Sicht. Auch in anderen Regionen stehen die geldpolitischen Ampeln auf Grün. So hat China vor dem Hintergrund schwächerer Aktienkurse die Leitzinsen im Juni erneut gesenkt. Angesichts der gedrückten Inflation von gut einem Prozent dürfte das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein.
Auch in den USA sind die Erwartungen an das Tempo der geplanten Zinserhöhungen zuletzt deutlich zurückgegangen. Ein fester Dollar und zunehmend volatilere Aktienmärkte haben die sonst eher aggressiven Prognosen der Notenbank- Mitglieder spürbar verflacht. Im Herbst dürfte es daher nur zum ersten Zinsschritt kommen, wenn die Konjunkturerholung an Fahrt gewinnt. Das Gerangel um den Verbleib Griechenlands in der Eurozone hat die Ausgangslage an den Kapitalmärkten nicht verändert. Eine nur moderat wachsende Weltwirtschaft hängt am Tropf einer expansiven Geldpolitik. Unternehmen können in diesem Umfeld ihre Gewinne zwar steigern, bereits kleinere Veränderungen, zum Beispiel bei den Währungen, gefährden aber den Zuwachs.
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Ein größerer Zinsanstieg ist weiterhin außer Reichweite. Liquidität für Asset-Märkte ist überreichlich vorhanden. Das Risiko von Asset-Blasen ist daher jederzeit gegeben, abgesehen vom chinesischen Markt für A-Aktien fehlen dafür aber bisher die Anzeichen. So liegt in Europa das Kurs-Gewinn-Verhältnis mit rund 16 nur wenig höher als die langfristigen Durchschnitte. Die Dividendenrendite übersteigt nachhaltig die Renditen von Staats- oder Unternehmensanleihen guter Bonität.
Volatilität für Aktienkäufe nutzen
Trotz der Griechenland-Krise und des Kurseinbruchs in China halten wir daher an unserer konstruktiven Anlagestrategie der vergangenen Monate fest: Unternehmensanleihen sind besser als Staatsanleihen, Aktien bleiben selektiv eine attraktive Anlageklasse. Wir favorisieren hier weiterhin die von der Währungs- und Zinsentwicklung profitierenden europäischen und asiatischen Börsen. Unter den Emerging Markets bleibt Indien attraktiv. Die hohe Volatilität bietet an schwachen Tagen daher eine gute Gelegenheit für Zukäufe.
Autor Christian Heger arbeitet als Chief Investment Officer bei der Fondsgesellschaft HSBC Global Asset Management (Deutschland) in Frankfurt.