Herr Kolitsch, das Thema ELTIF 2.0 wird derzeit durchaus kontrovers in der Branche diskutiert. Worin liegen die Chancen des Investmentvehikels, das durch die Reform neuen Rückenwind erhalten soll?
Kolitsch: Mich hat der ELTIF 1.0 eigentlich nicht wirklich überzeugt. Zum einen war das Produkt overengineert, zum anderen war es auch von der gesamten Vertriebsseite zu kompliziert. ELTIF 2.0 war für uns jedoch ein deutliches Signal, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen und unsere Kernkompetenzen im Bereich Private Credit zu nutzen und unseren ersten ELTIF aufzulegen. Der ELTIF 2.0 ist deutlich flexibler. Da hat die EU-Kommission einen wirklich guten Job gemacht. Es gibt Erleichterungen bei Eigen- und Fremdkapital und man kann auch ein Dachfondskonzept aufsetzen. Das neue Vehikel hat eine maßgeschneiderte Struktur für den Endanleger mit sehr liberalen Zulassungsbedingungen, allerdings auch mit einer kleinen Hürde die Abwicklung betreffend.
Wo hakt es noch?
Kolitsch: Es muss das Ziel sein, den ELTIF zukünftig Seite an Seite mit liquiden Anlagen, Aktienanlagen und Anleihenanlagen in einem Portfolio zu verwalten. Es gibt bei Privatanlagen aber in der Regel gewisse Liquiditätseinschränkungen. Grundsätzlich hat uns aber die Reform überzeugt, den M&G Corporate Credit Opportunities ELTIF aufzulegen. Wir machen das mit unserem internen Investor, der das Produkt mit 500 Millionen Euro Startkapital versehen hat. Die Nachfrage ist gut, das Interesse ist hoch. Es gibt kaum eine Gesellschaft, die sich aktuell nicht mit dem Thema beschäftigt. Sie merken meine Begeisterung, ich sehe durchaus eine große Zukunft für das Thema, bei allen Herausforderungen, um diese Assetklassen im Privatkundenmarkt zu etablieren.
Sind auch noch andere Segmente für dieses Vehikel attraktiv?
Kolitsch: Ich glaube, dass sich in den kommenden Jahren hochspannende attraktive Anlageklassen in ELTIFs etablieren werden. Entscheidend ist allerdings die Wahl der richtigen Struktur. Für unseren ersten ELTIF haben wir eine offene Struktur gewählt, ähnlich wie bei den offenen Immobilienfonds. Offen heißt in diesem Fall lang laufend und mit gewissen Liquiditätspunkten versehen – monatlich, quartalsweise, jährlich und dementsprechend das Produkt ausgestalten. Das müssen Asset Manager dem Kunden bieten. Eine Voraussetzung dafür sind natürlich Anlageklassen, die diese Liquidität bieten. Kapitalabrufe wie bei geschlossenen Fonds sind im Geschäft mit Privatkunden nicht üblich. Ich glaube daher, dass sich offene Strukturen zukünftig durchsetzen werden. Im Privatkreditmarkt sehen wir ganz neue Entwicklungen und hochspannende Strategien. Das Gleiche gilt für den Infrastrukturbereich. Da wird es Transition-Strategien in verschiedenen thematischen Ausprägungen geben. Allerdings müssen sowohl Berater als auch Endkunden zunächst die Kenntnisse erlangen, um überhaupt die Komplexität des Privatanlagenmarktes zu verstehen. Das ist noch ein weiter Weg. Da sind wir als Asset Manager gefordert, die Ressourcen und die Vertriebsstrukturen zu schaffen, um die richtigen Informationen an den Kunden und an den Berater zu bringen. Es sind viele edukative Maßnahmen notwendig, um diese Assetklassen zu etablieren und zu erklären, warum es zukünftig notwendig sein wird, in diese zu investieren.
Zinsen sind back und mit ihnen auch das Anleihensegment. Braucht es da überhaupt noch Private Assets?
Kolitsch: Ja, definitiv. Ich bin überzeugt, dass diese Assetklasse langfristig sinnvoll sein wird und sich Kundendepots vor allem bei gehobenen Privatkunden, aber auch Vermögensverwaltungskunden etablieren werden. Dort sind die Diversifikationseffekte hoch genug, um Privatanlagen zu begründen. Ich glaube, wenn man sich die Renditen über die letzten 20 Jahre anschaut, dann hat zum Beispiel eine Beimischung von Private Equity eine sehr deutliche Erhöhung der Rendite gebracht. Die Breite und Tiefe des Portfolios werden erweitert und Sie haben dadurch eine höhere Inflationsbesicherung. All das senkt das Gesamtrisiko eines Portfolios. Dadurch ist die Investition in Private Markets durchaus sinnvoll.
Zwei weitere Themen, die derzeit für Furore sorgen, sind KI und Machine Learning. Welche Rolle spielen diese bei M&G?
Kolitsch: Das ist ein wichtiges Zukunftsthema, dessen Einbindung nicht nur von Kunden-, sondern auch von der Prozessseite immer wieder gefordert wird. Wir haben keine ausschließlich durch KI gesteuerte Fonds, aber wir beschäftigen uns intensiv mit zwei großen Themen, bei denen KI eine Rolle spielt. Einerseits investieren wir in KI, und anderseits investieren wir mit KI. Dabei geht es um unterschiedliche Ziele. Das Investieren in KI konzentriert sich auf die Enablers, also die, die KI ermöglichen – zum Beispiel Chip- oder Hardwarehersteller. Andererseits haben wir ein Produkt, das mit KI investiert. Da geht es um die Machine-Learning-gestützte Titelselektion, eine wirklich spannende Geschichte mit Millionen von Datenmustern, die zu analysieren sind. Aktuell nutzen wir KI somit in zwei Produkten, eines in und eines mit KI.
Mit den Zinsen sind auch die Anleihen zurück. Bedeutet das auch ein Comeback von Multi-Asset-Fonds, um die es in den letzten Jahren vergleichsweise still geworden war?
Kolitsch: Die Musik spielt derzeit eher in Anleihenfonds selbst. Multi Asset kann sicherlich wieder ein spannendes Thema werden, aber man hat 2022 gesehen, wie stark die Korrelationen zwischen den beiden klassischen Anlageklassen – Aktien und Anleihen – letztendlich waren. Ich glaube, dass vielleicht sogar diese Korrelation hoch bleiben wird. Spannend finde ich Income Funds. Investmentfonds bzw. Multisektorfonds, die hohe Einkommensströme bieten wie zum Beispiel unser M&G Optimal Income oder unser M&G Income Allocation Fund. Diese Produkte sind wieder deutlich attraktiver geworden. Man spürt auch wieder mehr Nachfrage. Multi-Asset-Fonds müssen aber über die nächsten zwei, drei Jahre erst wieder einen glaubwürdigen Track-Record aufbauen und zeigen, dass sie auch in unterschiedlichen Szenarien performen können.
Wird das aus Ihrer Sicht gelingen?
Kolitsch: Ich denke schon. Sie haben wieder den Puffer Anleihen, der auch langfristig attraktiv bleiben wird, und dadurch wird natürlich auch die Kombination 60/40, 60 Prozent Anleihen, 40 Prozent Aktien, wieder attraktiver. Wichtig ist die Funktion der Diversifikation dieser beiden Anlageklassen.
Letzte Frage: Welche Akzente wollen Sie in diesem Jahr, abgesehen von ELTIF, setzen?
Kolitsch: Der Vertrieb hat sich, glaube ich, zehn Jahre lang nicht mehr mit Anleihenfonds beschäftigt. M&G ist ein großes Fixed-Income-Haus und wir managen über 190 Milliarden Euro in Anleihen auf den öffentlichen und privaten Märkten. Auf der Endkundenseite ist es wichtig wieder klar zu machen, wie wesentlich die Rolle von Anleihenfonds in einer Allokation, also in einem Kundenportfolio, ist, um höhere Einkommensströme zu erzielen. Mit der Attraktivität des Anleihenmarktes muss man sich wieder beschäftigen. Dementsprechend planen wir dort vertriebliche Schwerpunkte.
Gleichzeitig werden wir uns ebenfalls weiter mit nachhaltigen Aspekten beschäftigen, zum Beispiel Biodiversität oder Energy Transition. Das sind Themen, die wir uns auch in einer Strategie oder einem Fondsprodukt vorstellen könnten.
Interview: Frank O. Milewski, Cash.