Wahljahre sind anstrengend. Nicht nur für die Parteien, sondern auch für uns Wähler. Wer nicht die einzelnen Parteiprogramme durcharbeiten möchte, verlässt sich bei der politischen Meinungsbildung auf anderes: Manche testen den sogenannten Wahl-O-Mat, andere lesen die Berichterstattungen in den Medien oder wählen einfach irgendwie nach Gefühl. Doch die kritische Auseinandersetzung mit den Positionen kann sich nicht nur lohnen: Sie ist sogar dringend geboten!
Der deutsche Vermieter rettet das Klima der Erde – auf eigene Kosten
Das zeigt ein genauer Blick auf die Ideen der Parteien, den steigenden Mieten zu begegnen. Es ist ja schön, dass sich Politiker nach vielen Jahren der Ignoranz nun intensiv mit der Frage beschäftigen, wie man des Wohnraummangels in Ballungsräumen und des damit verbundenen Nachfrageüberhangs Herr werden kann. Doch die Forderungen sind zum Teil widersprüchlich, populistisch, ohne Vision und gegen die wissenschaftliche Faktenlage.
So findet sich zum Beispiel im Programmentwurf von Bündnis 90/Die Grünen, der im März vorgestellt wurde, folgender Passus: Um die Mieten gering zu halten, wird angestrebt, „die Modernisierungsumlage weiter abzusenken und auf maximal 1,50 Euro pro Quadratmeter zu begrenzen, damit energetische Sanierungen perspektivisch warmmietenneutral möglich sind“. Gleichzeitig soll es aber eine „Klima-Sanierungsoffensive“ bei Gebäuden geben und die Sanierungsquote deutlich gesteigert werden, wie es an anderer Stelle heißt. Wer hier auf den Kosten sitzenbleiben wird, dürfte klar sein.
Ganz ähnlich klingt das im Programm der SPD, wenn es heißt, der Gebäudesektor müsse schrittweise CO2-neutral werden. Bis 2030 sollen fünf Millionen Häuser über Wärmepumpen versorgt werden. Ein Satz fällt dabei besonders ins Auge: „Wir werden gesetzliche Regelungen schaffen, dass der CO2-Preis von den Vermietern getragen wird.“ Damit sind die Sozialdemokraten komplett auf die Linie von Bündnis 90/Die Grünen und den Linken eingeschwenkt – denn immerhin war vor einigen Monaten in einem Eckpunktepapier der SPD-geführten Ministerien zumindest noch die Rede von einer 50/50-Lösung.
Energieeinsparverordnung verteuert den Wohnungsbau
Das schon 2018 und noch immer aktuelle Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit dem Namen „Soziale Wohnungspolitik“ hat schön vorgerechnet, dass von den 39 Prozent, um die die Kosten je Quadratmeter Wohnfläche im Geschosswohnungsbau in Deutschland im Zeitraum 2000 bis 2014 angestiegen sind, rund 15 Prozent auf die Verschärfung von Vorgaben und Anforderungen durch den Staat, darunter vor allem die mehrfach verschärfte Energieeinsparverordnung zuletzt in der Fassung von 2013 (EnEV 2013), zurückgehen.
Demnach sind es also vor allem die Verordnungen und Regularien der Politik, die das Bauen, damit die Investition und infolgedessen das Wohnen besonders verteuert haben. Die Studienautoren fragen zu Recht, „ob es angesichts der Unsicherheit zukünftiger Energiepreise sinnvoll ist, den Bauherren ein bestimmtes Maß an Wärmedämmung vorzuschreiben, anstatt es deren eigener Wirtschaftlichkeitsrechnung zu überlassen“.
Doch genau diese Regularien, die Preistreiber, sollen unter der Maßgabe der „ökologischen Transformation“ nun noch verschärft werden. Auf Kosten der Vermieter übrigens. Denn diese werden in den Ideen der Politik als eigentliche Stellschraube für alle Probleme gesehen: von der Energiewende bis hin zu günstigen Mieten. Polemisch könnte man sagen: Der deutsche Vermieter soll auf eigene Kosten das Klima der Erde retten.
Mietpreisbremse – der Ideologen liebstes Kind
In dem oben genannten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats wird auch der Mietpreisbremse nach eingehender Prüfung eine klare Absage erteilt mit der Begründung, dass sie wirkungslos sei und dort, wo sie wirke, den Abbau von Wohnungsknappheit behindere. Ungeachtet dessen ist dieses seit einigen Jahren beliebte populistische Instrument ganz aktuell in diversen Wahlprogrammen zu finden.
Die Grünen wollen den Mietendeckel nun sogar entfristen und bundesweit ausrollen. Reguläre Mieterhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des Mietspiegels begrenzt werden. Zur Berechnung der Mietspiegel sollen die Mietverträge der vergangenen 20 Jahre – statt der bisherigen sechs Jahre – herangezogen werden.
Immerhin „nur“ auf acht Jahre soll der Betrachtungszeitraum von Mietspiegeln nach dem Willen der SPD verlängert werden. Gleichzeitig planen die Sozialdemokraten, die Mietpreisbremse zu entfristen. In „angespannten Wohnlagen“ soll ein zeitlich begrenztes Mietenmoratorium eingeführt werden, durch das Mieten für eine bestimmte Zeit nur im Rahmen der Inflationsrate erhöht werden können. Eine genaue Definition, was eine „angespannte Wohnlage“ ist, lässt sich nicht erkennen.
Im Parteiprogramm der Linken ist zu lesen, dass die Mieten höchstens um zwei Prozent im Jahr steigen dürfen. In den Mietspiegel sollen „alle Mieten“ – konkreter wird es nicht – in die Berechnung einfließen, nicht nur die vergangenen sechs Jahre. Und auch nach dem Willen der Partei soll der Mietendeckel nach Berliner Vorbild im gesamten Bundesgebiet Gültigkeit besitzen. Die Modernisierungsumlage soll ganz abgeschafft werden, da sie in den Augen der Partei der Mietsteigerung diene und nicht dem Klimaschutz. Das Motto heißt hier wörtlich: „Klimaschutz ohne Mieterhöhung!“ Gleichzeitig soll allerdings jedes Haus, das neu gebaut wird, den Passivhaus-Standard erfüllen.
Bei solchen Forderungen, die offensichtlich nicht aufeinander aufbauen und der Realität kaum standhalten, kann man nur den Kopf schütteln. Dahinter steht das unausgesprochene Bild des reichen Vermieters, der das finanziell alles leicht verkraften kann. Das jedoch sagt mehr aus über den, der dieses Programm ernst meint und ernst nimmt!
Von allen Ressentiments, Gefühlslagen und inneren Bildern mal abgesehen, kann ein emotionsloser Blick auf die Fakten helfen, das Thema „Vermietung“ nüchtern und in Ruhe einzusortieren.
Besiegt eure Ressentiments!
Auch wenn es in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch nicht so aussieht: Rund 60 Prozent der Mietwohnungen in Deutschland sind Eigentum von Privatpersonen. Das bedeutet, Privatvermieter besitzen fünf Mal so viele Wohnungen wie börsennotierte Großvermieter und haben für die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Wohnraum eine sehr hohe Bedeutung. Dies spiegelt sich in der Politik jedoch nicht wider, im Gegenteil. Im Parteiprogramm der Linken heißt es wortwörtlich: „Die Rechte von Mieter*innen sind immer noch viel zu schwach.“ Dabei haben wir aufgrund unserer Historie ohnehin eines der stärksten Mietrechte weltweit!
Faktenlage ist eine andere
Gegen solch ein Bild vom reichen Vermieter stehen harte Fakten: Einem Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) aus dem Jahr 2017 kann man entnehmen, dass bei 53 Prozent der Vermieter die Nettoeinkünfte weniger als 5.000 Euro pro Jahr betragen. 22 Prozent der Vermieter haben laut IW ein Einkommen unterhalb des Medians der Bevölkerung. Freiberufler sind zudem überrepräsentiert, und vor allem diese Personengruppe wird von den Vorgaben und Modernisierungsregularien finanziell überfordert – mit der Folge, dass die Wohnungen dann an Großinvestoren bzw. Wohnkonzerne verkauft werden.
Dabei darf man nicht vergessen, dass solche Konzerne Mieterhöhungsmöglichkeiten wesentlich konsequenter ausnutzen als Kleinvermieter, wie eine Untersuchung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) aus dem Jahr 2015 ermittelt hat. Der Grund ist ganz einfach: Kleinvermieter sind in der Regel an einem guten Verh& auml;ltnis zu ihrem Mieter interessiert, waren früher oft selbst Mieter und legen auf die menschliche Komponente großen Wert. Das alles wird in den Diskussionen und den Parteiprogrammen so gut wie gar nicht berücksichtigt. Da kann man nur rufen: Besiegt endlich eure Ressentiments und schaut mal auf die Fakten!
Kein echtes Interesse an einer Lösung
Allerdings: Es sind auch gute Ansätze in den Parteiprogrammen zu finden. Es heißt bei den Grünen, man wolle es den Ländern ermöglichen, den Steuersatz der Grunderwerbssteuer für private Käufer zu senken, um den Erwerb von Wohneigentum erleichtern. Das geht vom Gedanken her in die richtige Richtung. Übrigens: Die FDP fordert in ihrem aktuellen Programmentwurf diesbezüglich sogar eine völlige Freistellung bis 500.000 Euro für natürliche Personen.
Dennoch zeigen die Parteiprogramme von „Rot-Rot-Grün“, dass das Thema „bezahlbarer Wohnraum“ vor allem ideologisch getrieben und vom Wählerwillen her diktiert ist. Wissenschaftliche Untersuchungen entlarven das in aller Deutlichkeit. Da frage ich mich schon: Warum gibt es eigentlich solche Gutachten, wenn keiner der Entscheider die Ergebnisse wirklich hören will? Echtes Interesse an einer Lösung sieht anders aus …
Dabei wäre es wichtiger denn je, die politischen Versäumnisse der vergangenen 50 Jahre mit wirksamen Methoden nachzuholen und die Bildung von Wohneigentum ernsthaft und nachhaltig zu fördern. Regelmäßig halten uns Analysen den Spiegel dieser Versäumnisse vor: Das reiche Deutschland belegt bei der Wohneigentumsquote in Europa den vorletzten Platz! Auf den Spitzenplätzen liegen Länder wie Rumänien, Ungarn und Bulgarien. Doch im Mieterland Deutschland hat man offensichtlich immer noch nicht verstanden – und wenn doch, so wird es wohl als lästige Wahrheit einfach beiseitegeschoben –, dass die Bildung von Wohneigentum die wichtigste Säule einer funktionieren Altersvorsorge ist und mehr Sicherheit bietet als jedes mathematisch seit Langem als dysfunktional nachgewiesene Rentensystem!
Eine staatliche Förderung für den Immobilienkauf wäre hier das richtige Mittel, die Vermögensbildung zu erleichtern, damit Wohlstand für alle zu schaffen und über Generationen hinweg zu erhalten. Das wurde, das wird immer noch vernachlässigt. Wollen wir das auch in Zukunft ignorieren und es unseren Kindern und Enkelkindern nur noch schwerer machen?
Es sieht wohl ganz danach aus. Denn wer sich wirklich und mit vollem Ernst dem Thema bezahlbarer Wohnraum widmen möchte, wer wirklich und mit vollem Ernst auf die soziale Sprengkraft, die sich darin verbirgt, aufmerksam machen möchte, kurz: Wem wirklich etwas daran liegt, der darf niemals auf Ideologien und Gefühle hören – sondern auf Fakten!