Seniorinnen und Senioren erhalten 1.543 Euro Rente – im Schnitt. Vorausgesetzt, sie haben 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt. Die Zahlen stammen aus einer dem Redaktionsnetzwerks Deutschland vorliegenden Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine schriftliche Anfrage des Co-Vorsitzenden der Linksfraktion im Deutschen Bundestags, Dietmar Bartsch. Laut RND gibt es allerdings einen deutlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern. So erhalten Frauen im Schnitt gerade 1.323 Euro, Männer hingegen 1.637 Euro. Die Deutsche Rentenversicherung bemühte sich im Anschluss, schnell klarzustellen, dass es sich hierbei nur um die von der gesetzlichen Rentenversicherung ausgezahlten Netto-Altersrenten handele. Im Einzelfall würde vielen Menschen im Alter ein höherer Betrag zum Leben zur Verfügung stehen, da oft zusätzliche Ansprüche über eine Beamtenversorgung, eine private Altersvorsorge oder Zahlungen aus einer berufsständischen Versicherung erworben worden sind. Was die Daten aber deutlich zeigen: 1.543 Euro allein reichen für ein auskömmliches Leben im Alter längst nicht mehr aus.
Die betriebliche Altersversorgung (bAV) als zentralen Altersversorgungsbaustein neben der gesetzlichen Rente zu etablieren, das war vor dem Hintergrund einer der zentralen Gedanken, den die Politik mit der Einführung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) zum 1. Januar 2018 verfolgt hatte. Und die Erwartungen, die die Versicherer seinerzeit an das BRSG geknüpft hatten, waren recht hoch. Fünfeinhalb Jahre später hat sich eine gewisse Ernüchterung in der Branche breit gemacht. Hauptgrund sind nach Aussage von Marc-Andree Böwing, Direktionsbevollmächtigter bAV bei der Alte Leipziger Lebensversicherung, deutliche Informationsdefizite, insbesondere in den kleinen und mittelständischen Unternehmen. „Selbst das BRSG, was auch meiner Sicht gute Rahmenbedingungen geschaffen hat, ist in vielen Betrieben immer noch nicht bekannt“, sagt Böwing im Rahmen des Cash. Extra Roundtable „Betriebliche Vorsorge“. Was den Betriebsrenten-Experten beinahe fassungslos macht, sind scheinbar bestehende Wissensdefizite auf Seiten des Vertriebs. Zwar habe nicht jeder Bezug zur bAV, so Böwing, aber eine Versicherungsvermittlerin oder ein Versicherungsvermittler sollte durchaus über ein gewisses Know-how verfügen. „Wenn die es nicht wissen, wie sollen es denn die kleinen und mittelständischen Unternehmen wissen.“ Zudem fehle es im Markt an qualifizierten bAV-Beraterinnen und Beratern, die das Thema auf die Straße bringen und den Firmen die Angst vor der Thematik nehmen. Denn die betriebliche Altersvorsorge ist ein Riesenmehrwert“, sagt Böwing.
Mit der Durchdringungsquote zeigen sich die Teilnehmer der Expertenrunde nicht zufrieden. Sie lag nach Branchenangaben Ende 2021 bei rund 46 Prozent. Ende 2022 lag der Vertragsbestand in der bAV bei über 16,6 Millionen Verträgen. Im Jahr 2000 waren es gerade einmal 12,5 Millionen. Allerdings hat der Zuwachs in den vergangenen Jahren mit dem Beschäftigungswachstum nicht mithalten können. Und so haben aktuell 46 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten immer noch keine bAV. Das gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Ein Grund für die unbefriedigende Durchdringung ist nach Aussage von Christian Guse, Rechtsanwalt und Experte für betriebliche Altersvorsorge, dass gerade viele kleine Unternehmen die bAV schlicht nicht im Blick haben und sich mit der komplexen Thematik gar nicht auseinandersetzen. Auf der anderen Seite ändern sich durch die demografische Entwicklung im Markt aktuell die Bedingungen. Der „War for Talents“, der Zwang neue Mitarbeiter zu finden, ist für diese Firmen schlichtweg überlebenswichtig. „Ich denke jeder muss investieren. Natürlich braucht es ein ordentliches Gehalt. Aber ist es nicht vielleicht nicht günstiger, ein paar zusätzliche Benefits bereitzuhalten? Der Mittelstand hat es schwer, gegen die großen Konzerne anzukommen. Also muss ich einige Benefits bieten. Und wenn die bAV nicht funktioniert, gehe ich über die Gesundheitsvorsorge“, argumentiert Pascal Baumüller, bAV-Experte bei Valuniq Pension Consulting.
Und die betriebliche Krankenversicherung (bKV) hat sich mittlerweile zum Trendthema in der Branche entwickelt. War die Corona-Pandemie bislang ein Katalysator für die bKV, dürfte sich der „War for Talents“ zum Turbo entwickeln. Wie groß inzwischen der Pain bei den Unternehmen ist, Fachkräfte zu finden oder Auszubildende zu finden, zeigt eine aktuelle Studie der Gothaer Versicherungen. Demnach haben inzwischen 53 Prozent der befragten kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland Schwierigkeiten, Arbeitskräfte zu finden und an ihr Unternehmen zu binden. Das sind sieben Prozentpunkte mehr als im Vorjahr und 13 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2021. Auffällig sind die Unterschiede zwischen kleinen und größeren Unternehmen: Während 29 Prozent der Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitenden vor dieser Herausforderung stehen, sind es bei den Unternehmen mit einer Größe von elf bis 20 Mitarbeitenden schon Prozent und damit sieben Prozentpunkte mehr als 2022. Noch ausgeprägter ist die Situation bei mittleren und größeren Unternehmen mit einer Belegschaft von 21 bis 200 beziehungsweise 201 bis 500 Personen. Im Vergleich zu 2022 sind bei ihnen die Werte um sieben beziehungsweise 17 Prozentpunkte auf 65 beziehungsweise 71 Prozent gestiegen.
Die Studie zeigt zudem, wie die Unternehmen auf die Situation reagieren. Auf Platz 1 der genutzten Möglichkeiten, um Mitarbeiter zu gewinnen stehen mit 47 Prozent die flexiblen Arbeitszeiten. Zweitbeliebteste Option ist mit 41 Prozent das Homeoffice. Auf ein attraktives Gehalt setzen 39 Prozent. Auf Rang vier taucht die bAV auf. 30 Prozent der KMU bieten ihren Mitarbeitenden inzwischen eine betriebliche Altersvorsorge an. Sie ist damit die beliebteste Versicherung zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität und ein etabliertes Mittel zur Personalgewinnung und -bindung. Auffällig: Während 43 Prozent der Großunternehmen eine bAV im Programm haben, sind es bei den Kleinstunternehmen nur zwölf Prozent. Deutlich gestiegen ist der Anteil der Unternehmen, die eine betriebliche Gesundheitsförderung anbieten. Waren es im letzten Jahr noch 13 Prozent der Unternehmen, so sind es in diesem Jahr bereits 18 Prozent. Auch die betriebliche Krankenversicherung (bKV) legt weiterhin zu. Mittlerweile setzen 14 Prozent der Arbeitgeber darauf. „Diese Entwicklung zeigt uns, dass Gesundheit auch im beruflichen Kontext zu einem zentralen Thema wird“, betont Dr. Sylvia Eichelberg.
Und ein hervorragender Einstieg in der das Thema der betrieblichen Vorsorge ist, wie Baumüller bestätigt. „Für uns ist die bKV ein guten Markteinstieg. Gesundheitsvorsorge ist viel attraktiver und einfacher zu platzieren. In der Regel bieten wir zuerst die bKV an und ziehen dann die bAV hinterher“, sagt Baumüller. Die Alte Leipziger und Hallesche arbeiten beim Thema betriebliche Vorsorge Hand in Hand. „Denn man kann beides im Unternehmen platzieren“, sagt Böwing. „Mit der bKV loslegen, und dann die bAV nachlegen. Es ist ein Riesenchance, beide Welten miteinander zu verknüpfen.“
Zu dem gesamten EXTRA Betriebliche Vorsorge, von dem dieser Artikel Teil ist, geht es hier.