„Bei den aktuellen Finanzierungskonditionen müssten die Preise vom Hochpunkt wohl in etwa um 20 Prozent fallen, um wieder einen positiven Cash-Flow zu erzielen“, schreibt die Deutsche Bank im April dieses Jahres in der Einleitung zu einem umfangreichen „Ausblick auf den deutschen Wohnungsmarkt 2023“. Wow! 20 Prozent: Das ist eine ziemliche Hausnummer. Schließlich macht ein solcher Rückgang schon bei einem ursprünglichen Wert der Immobilie von 500.000 Euro schlappe 100.000 Euro aus.
Trotzdem schreibt Autor Jochen Möbert lediglich von einer „Preisdelle“. Fünf wesentliche Argumente ließen nur eine solche erwarten. Dazu zählt er die Stichworte negative Realzinsen, Inflationsschutz durch Immobilien, anziehendes Mietwachstum und am bedeutendsten eine hohe fundamentale Angebotsknappheit. „Zudem fielen aufgrund der hohen Inflation die realen Hauspreise bereits sehr kräftig“, fügt er als fünftes Argument hinzu.
In der Tat ist die Preiskorrektur bereits größer und hat früher eingesetzt, als vielfach öffentlich wahrgenommen wurde. Denn real sind die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland mit Ausnahme des Neubaus seit Frühjahr/Mitte 2022 bereits im Bereich von 20 Prozent oder sogar mehr eingebrochen. Darauf lässt der monatlich erhobene Index der Finanzierungs-Abwicklungsplattform Europace schließen, auf den auch die Deutsche Bank unter anderem Bezug nimmt. Demnach begann der Preisrückgang bereits im Frühjahr 2022, je nach Segment unmittelbar nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 oder spätestens, nachdem sich die erste Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) seit 2011 konkret abzeichnete, die dann im Juli 2022 erfolgte und zügig fortgesetzt wurde.
Sofort Druck auf die Immobilien-Preise
Die Zinserhöhungen verteuerten die Finanzierungskosten für Immobilienkäufer und sorgten demnach sofort für entsprechenden Druck auf die Preise. Im Vorjahresvergleich, also in Relation zum gleichen Zeitraum des Vorjahres, wiesen die meisten Statistiken indes noch bis in den Herbst einen Anstieg aus, weil die Preise zwischen Mitte 2021 und Anfang 2022 noch zugelegt hatten und somit ein Puffer bestand. So berichtete das Statistische Bundesamt erst für das vierte Quartal 2022 von einem Preisrückgang bei Wohnimmobilien: 3,6 Prozent im Vorjahresvergleich und fünf Prozent gegenüber dem Vorquartal (also dem dritten Quartal 2022).
Der monatliche Europace-Preisindex für Eigentumswohnungen hatte indes bereits im März 2022 seinen Höhepunkt erreicht. Seitdem sind die Preise bis März 2023 im Durchschnitt um nicht weniger als 15,6 Prozent eingebrochen. Unter Berücksichtigung von Lage- und Qualitätsunterschieden der Objekte („hedonistisch“) betrug der Rückgang nach der Europace-Statistik 9,8 Prozent und setzte ab Mai 2022 ein. Fast ebenso groß war das Minus bei bestehenden Häusern; die Preise für neue Häuser blieben laut Europace hingegen weitgehend stabil. Der hedonistische Gesamtindex fiel seit dem Höhepunkt damit um 5,7 Prozent. Es handelt sich um reale Transaktionen (nicht lediglich Angebotspreise) sowie um eine sehr breite Datenbasis: Über die Plattform Europace werden nach eigenen Angaben inzwischen rund 20 Prozent der Immobilienfinanzierungen für Privatkunden in Deutschland abgewickelt. Derzeit erweitert sich der Datenbestand um 15.000 bis 20.000 Immobilien pro Monat.
Transaktionsvolumen mit Immobilien eingebrochen
Minus 5,7 Prozent klingt erst einmal nicht so viel. Doch zum nominalen Minus, das bei Eigentumswohnungen und bestehenden Häusern mit fast zehn Prozent ohnehin durchaus beachtlich ist, kommt die Inflation. Sie schoss im Oktober 2022 auf über zehn Prozent; am Jahresende lag das allgemeine Preisniveau in Deutschland 8,6 Prozent über Dezember 2021. Zusätzlich zum nominalen Rückgang haben die Immobilien also einen realen Wertverlust erlitten. Statt – wie sonst angenommen und meistens auch zu beobachten – mit der Inflation zu steigen, sind die Preise gefallen. In Summe aus Inflation und nominalem Preisrückgang laut Europace liegt der reale Wertverlust damit bei 14,3 Prozent bezogen auf den Gesamtindex und 18,4 Prozent für Eigentumswohnungen beziehungsweise sogar bei 24,2 Prozent für den (nicht-hedonistischen) Durchschnittswert – eine doch recht kräftige Wertkorrektur.
Ein weiterer Faktor kommt hinzu: Das Transaktionsvolumen ist eingebrochen. Das lässt darauf schließen, dass einerseits viele Kaufinteressenten wegen der Zinserhöhungen und der gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht mehr willens oder in der Lage sind, die Kaufpreise zu bezahlen, auch die nach unten korrigierten nicht. Das erhöht den Druck auf die Preise. Auf der anderen Seite sind wahrscheinlich viele Verkäufer noch nicht bereit, mit ihren Forderungen weiter nachzugeben. Wer nicht muss, verkauft derzeit eher nicht.