Frage eins: Sind Immobilienfonds tatsächlich sicher vor einer Zinswende?
Bei der aktuellen Zinserwartung kann man das mit Ja beantworten – zumindest sofern diese Zinswende insbesondere im Bereich der langfristigen Zinsen maßvoll ausfällt. Lediglich eine drastische Zinserhöhung hätte negative Folgen für die Bewertung von Immobilien. Dies ist allerdings kaum zu erwarten, da eine solche Zinspolitik äußerst schädlich für die Volkswirtschaften und Staatshaushalte in der EU wäre. Die erwartete moderate Erhöhung der langfristigen Zinsen und der gleichzeitige Wegfall der Negativzinsen im kurzfristigen Bereich wäre dagegen eher neutral für offene Immobilienfonds. Sie würde zwar die Kapitalkosten für eventuell fällige Nachfinanzierungen der Objekte im Portfolio erhöhen, doch gleichzeitig würde dies bedeuten, dass der negative Habenzins für die Liquidität wegfällt, die jeder Immobilienfonds halten muss. Dies könnte sogar für Entlastung bei einigen Fonds sorgen, sofern die Fremdkapitalquote nicht allzu hoch ist.
Keine sinnvolle Alternative ist es hingegen, dass ein Sparer bei geringfügig ansteigenden Zinsen sein Geld wieder auf das Sparbuch legt, wo es von Jahr zu Jahr „weniger“ wird.
Frage zwei: Was ist mit dem anderen Szenario – eine Inflation, die sich mehr und mehr vom Zinsniveau entkoppelt?
Immobilien stehen im Ruf, inflationssicher zu sein. Schließlich steigen bei passender Standort- und Objektqualität die Mieten und damit auch die Verkehrswerte entsprechend an. Doch Teuerungen können auch potenzielle Gefahren für Immobilieninvestments bergen. Beispielsweise können steigende Instandhaltungs- oder Modernisierungskosten dazu führen, dass eine Immobilie letztlich unwirtschaftlich wird. Ähnliches gilt für Wohnimmobilien ohne indexierte Mietverträge. Hierbei kann die Bestandsmiete nicht oder nur sehr verzögert an das Inflationsniveau angepasst werden, was sich stark negativ auf den realen Cashflow auswirkt. Gewerbeimmobilien, Betreiberimmobilien wie Hotels und Pflegeheime sowie zeitgemäß gemanagte, moderne Mietwohnungen haben jedoch in der Regel indexierte Mietverträge, während die Mieteinnahmen bei Einzelhandelsimmobilien in aller Regel teilweise an die Umsätze gekoppelt sind. Auch aus Sicht der Inflationssicherheit sind gemischte Portfolios mit guten Standort- und Objektqualitäten daher oftmals die sicherere Wahl.
Frage drei: Was sollten diejenigen jetzt tun, die bereits in Immobilienfonds investiert sind?
Trotz der aktuellen humanitären Tragödie und politischen Krise in der Ukraine hat die Vergangenheit in Krisenzeiten immer wieder gezeigt, dass sich Megatrends gerade auch im Immobiliensektor eher verstärkt haben. Dies äußert sich beispielsweise konkret in Form einer stärkeren Vor-Ort-Produktion durch den Trend zum Kauf regionaler Produkte, die Rückverlagerung stark automatisierter Produktion (Re-Shoring) oder vernetzte Liefer- und Produktionsketten allgemein (Industrie 4.0). Gleiches gilt für die neuen Arbeitswelten und das hybride Arbeiten in modernen Büroimmobilien und am heimischen Schreibtisch sowie den branchenbezogenen Wandel vom stationären Einzelhandel hin zum Onlinehandel.
Welche konkreten Effekte dies in fünf oder zehn Jahren haben wird, können selbst Immobilienexperten noch nicht sicher absehen. Daher ist es jetzt umso wichtiger, seine Immobilieninvestments über Nutzungsarten und Standorte hinweg zu diversifizieren. Wer beispielsweise in einen reinen Wohnimmobilienfonds oder einen reinen Gewerbeimmobilienfonds investiert beziehungsweise eine vermietete Eigentumswohnung hält, könnte aktuell erwägen, durch den gezielten Zukauf von Fondsprodukten die Risikostreuung auszuweiten. Dies ist übrigens auch eine veritable Methode, um sich gegen mögliche lokale Preisüberhitzungen abzusichern, vor denen einige Research-Institute inzwischen warnen. Denn insgesamt gehören Immobilien nach wie vor zu den stabilsten Anlageklassen auf den Investmentmärkten.
Frage vier: Worin bestehen die Unterschiede zwischen Immobilienfonds und neuen, digitalen Anlageformen rund um das Thema Immobilie?
Bei digitalen Investmentplattformen werden beim Thema Immobilien überwiegend Nachrangdarlehen oder andere Formen der Schuldverschreibung vermittelt, welche oft von Immobilienentwicklern als Mezzanine-Kapital verwendet werden. Dementsprechend funktionieren diese Investments wie eine Anleihe, nicht wie ein Fonds- oder Direktinvestment. Dies bedeutet zwar, dass ein fester Zinssatz besteht – der Investor partizipiert allerdings nicht an der positiven Wertentwicklung der jeweiligen Immobilie. Folglich können diese Anlageformen nicht als inflationssicher gelten.
Frage fünf: Die Aktienmärkte hatten zuletzt mit starken Kursrückgängen zu kämpfen. Sind jetzt Aktien für den Einstieg nicht attraktiver?
Aktien – und entsprechend auch Aktien von Immobilienunternehmen oder von Versicherern mit signifikanter Immobilienquote – sind ebenfalls Teil vieler gut aufgestellter Portfolios. Allerdings ersetzt ein Aktieninvestment keine Anlage in offene Immobilienfonds, denn das mögliche Risiko ist deutlich höher. Beispielsweise kann es bei einer Aktie dazu kommen, dass trotz Gewinne die Dividendenzahlung für ein oder sogar mehrere Jahre ausgesetzt wird. Bei offenen Immobilienfonds hingegen ist die jährliche Ausschüttung von mindestens 50 Prozent der ordentlichen Nettoerträge gesetzlich vorgeschrieben. Zudem verhalten sich die Anteilspreisentwicklung von offenen Immobilienfonds in der Regel viel weniger volatil, weshalb für defensiv orientierte Anleger und Sparer zusätzliche Sicherheitsaspekte bestehen.
Autor Klaus Speitmann ist Leiter Vertrieb, Swiss Life Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH.